Hannah Müller-Hillebrand aus Berlin begeistert bei Instagram über 350.000 Follower mit ihren Bildern und Botschaften. Ein Interview über ihre Anfänge, ihr heutiges Leben, ihre Kunst und Social Media.
Liebe Hannah, wie kamst Du zum Modeln und zu Instagram?
Genau genommen hatte ich den ersten Kontakt mit dem Modeln tatsächlich durch meine Mutter, da ich schon als Kind immer sehr viel vor der Kamera stand und es liebte. Damals war es noch nicht so normal wie heute, dass man seine Kinder so viel fotografierte, wie meine Mutter es tat. Aber meine Mutter hatte immer eine Kamera dabei und schoss sehr viele analoge Bilder beziehungsweise machte sie einen Film nach dem anderen voll. Ich gewöhnte mich also schon sehr früh an die Kamera und es macht mir bis heute noch extrem großen Spaß.
Zu Instagram kam ich 2014, als Instagram auch in Deutschland langsam bekannter und größer wurde. In diesem Jahr bekam ich mein erstes Smartphone, damals war ich gerade 17 Jahre. Als ich 18 Jahre war und nach meinem Abi nach London zog, erstellte ich mir mein erstes Instagram-Profil. Zuerst lud ich dort nur Bilder von Cafés, Restaurants oder Gebäuden hoch … fasziniert vom Leben in der Großstadt. Ich hatte damals sehr wenig Geld, habe meine wenigen Pounds für Besuche in leckeren Cafés ausgegeben und diese dann stolz auf Instagram festgehalten. Damals hatte ich etwa 2.000 Follower, welche sich für mein Leben in England interessierten. Heutzutage ist das natürlich nicht wirklich viel, aber damals war das der absolute Wahnsinn für mich. Wir konnten alle ja auch noch nicht begreifen, welche Ausmaße Instagram mal annehmen würde. Woher auch – es war neu.
Wie ging es dann weiter?
Als ich dann nach Berlin zog und mein Designstudium an der FH Potsdam begann, beschloss ich, auch mehr private Einblicke auf Instagram zu teilen. Es folgten Beiträge zu meinem Designstudium, aber auch aus meinem Alltag und hin und wieder auch mein Gesicht und meine Gedanken. Wenig später erstellte ich auch einen Blog, auf dem ich auch zuerst über meine Restaurantbesuche in Berlin schrieb. Schnell änderte sich der Fokus des Blogs aber zu einem viel intimeren Thema: mentale Gesundheit. Mit der wachsenden Anzahl an Followern wurde ich mir meiner Reichweite bewusst und als mein Blog circa 8.000 Leser hatte, beschloss ich, mehr über mentale Gesundheit zu schreiben. Damals stellte Social Media eine perfekte und teilweise auch sehr verzerrte Darstellung der Realität dar. Alles war positiv, wunderschön und bis ins kleinste Detail bearbeitet. Deswegen war es für mich eine große Herausforderung, über meine Depressionen und mentalen Probleme zu schreiben und auch Herausforderungen und Probleme einzugestehen. Als ich meinen ersten Blogeintrag zu dem Thema teilte, war ich extrem aufgeregt, aber es kam tatsächlich nur positives Feedback. Meine Leser konnten sich mit meiner Lebenssituation und den damit einhergehenden Gedanken identifizieren und fühlten sich so weniger allein. Also begann ich, Themen wie mentale Gesundheit, Selbstliebe und Feminismus auch auf meinem Instagram zu teilen und der Content meines Accounts wandelte sich zu einem eher aktivistischen und sehr persönlichen Account. Dadurch wuchs die Anzahl meiner Follower recht schnell auf mehrere 100.000 Follower. Irgendwann kamen auch Marken auf mich zu und ich konnte von meiner Arbeit auf Social Media leben. Als ich angefangen habe, gab es noch kaum Creators oder Influencer, die wirklich davon leben konnten. Das finde ich schön. Ich habe wirklich aus der puren Freude am Teilen begonnen und der Fakt, dass ich nun damit auch meinen Lebensunterhalt finanzieren kann, ist eine wundervolle Entwicklung, aber eben nicht die Grundmotivation. Mittlerweile mache ich den Beruf schon zehn Jahre. Aktuell mit dem Fokus auf meiner Kunst und Malerei, aber trotzdem immer noch mit dem ganzen Herzen. Ich bin sehr, sehr dankbar für all die Menschen, die mir schon so lange folgen und mich auf meinem Weg begleiten.
Du bist auch Künstlerin – das klingt spannend. Was genau machst Du und wie würdest Du Deinen Stil beschreiben?
Ich male hauptsächlich mit Acryl und porträtiere Frauen. Bei meiner Kunst geht es um ähnliche Themen wie auch auf meinem Social-Media-Kanal. Meine Kunst hat mir tatsächlich sehr durch meine schweren, dunklen Phasen geholfen. Bei der Kunst gibt es kein Richtig und kein Falsch. Es geht um Gefühle. Es geht um Ausdruck und es geht um Individualität. Ich bin eine sehr ehrgeizige Person, die dazu tendiert, sich zu vergleichen und sehr streng mit sich selbst ist. Meine Kunst hilft mir dabei, mehr Entspannung und Freiheit in mein Leben zu bringen und die Ereignisse des Lebens aus einer anderen Perspektive zu betrachten. Die Frauen, die ich male, stehen genau dafür. Sie sind stark, sie sind bunt, sie sind groß. Sie haben verschiedene Formen, sie sind laut, lustig, und selbstbewusst. Sie sind oft leicht bekleidet, aber dennoch nicht sexuell. Sie sind einfach frei. Das hilft mir dabei, meine eigene Stimme zu finden und mich immer wieder daran zu erinnern, dass ich so sein darf, wie ich möchte und dass ich vor allem laut sein darf. Es macht einfach großen Spaß. Ich habe ein Atelier in Berlin, in dem ich ganz viel Zeit verbringe und mich in der Malerei verliere. Wenn Leute auf mich zukommen und mir sagen, dass sie genau diese Gefühle in meiner Kunst wiederfinden und dass sie inspiriert und bewegt sind, dann ist genau das das schönste Kompliment, was man mir machen kann …
Du arbeitest hauptberuflich als Model, Influencerin und Künstlerin. Wie genau kann man sich Deinen Alltag vorstellen?
Das ist sehr schwer zu sagen, weil ich keinen wirklichen Alltag habe. Das sagen zwar alle Selbstständigen, aber es ist tatsächlich so. Wenn ich zum Beispiel an einem Tag im Atelier bin, dann sieht es folgendermaßen aus: Ich wache auf und trinke erst mal meinen Kaffee auf dem Balkon. Im Anschluss versuche ich immer, zehn Minuten „zu journalen“. Ich habe auch ein eigenes Journal namens „Balance Book“ rausgebracht, das sich rund um das Thema „Selbstliebe“ dreht. Danach mache ich entweder eine kleine Atemübung oder eine kurze Yoga-Einheit bei mir zu Hause und dann radle ich mit dem Fahrrad etwa 20 Minuten zum Atelier. Das ist eine schöne Strecke im Sommer, weil ich da noch mal meine Gedanken sortieren kann. Das Atelier ist ein bisschen mehr außerhalb von Berlin, in der Natur, was auch für meine Kunst sehr bereichernd ist. Dort bin ich dann den ganzen Tag und tauche ein in meine eigene kleine Welt.
Aber an anderen Tagen habe ich dann Drehs oder Shootings oder bin auf Events eingeladen oder sitze einfach nur am Schreibtisch. Also jeder Tag sieht wirklich anders aus und das liebe ich aber auch an meinem Job und möchte diesen nicht mehr missen.
Gibt es Momente, in denen Du Dich für Deine Berufe rechtfertigen musst?
Ich musste mich früher mehr rechtfertigen als heute, weil der Beruf des Creators damals sehr stark belächelt wurde. Im Jahr 2014 gab’s das noch nicht so wirklich. „Influencer“… da wurde sich lustig drüber gemacht und das war leider bei uns allen so. Kaum jemand konnte damals vermuten, dass sich dieser Beruf zu einem der meistgenannten Berufswünsche entwickeln würde. Aber als die Gesellschaft irgendwann merkte, dass damit auch wirklich viel Geld verdient wird und vor allem auch relevante Informationen – ob Werbung oder Botschaften in jeder Hinsicht – schnell einer breiten Maße zugänglich gemacht werden können, wurde der Beruf auch ernster genommen.
Für welche Brands hast Du schon gemodelt?
Ich hatte das Glück mit ganz vielen verschiedenen Brands arbeiten zu dürfen. Von Sportmarken wie Puma und Adidas über Brands wie Samsung, Calvin Klein, Hugo Boss, Levi’s oder Sante – ganz unterschiedliche und für mich sehr spannende Marken.
Nach welchen Kriterien wählst Du Werbepartner aus? Gehen die finanziell lukrativsten Angebote vor?
Natürlich ist es sehr schön, wenn ich lukrative Angebote von Brands bekomme, ganz klar. Aber mir ist es auch sehr wichtig, dass die Werte der Marken mit meinen Werten übereinstimmen. Also generell bewerbe ich nur Produkte, die ich auch selbst benutze oder gut finde. Ich achte auch auf Themen wie Nachhaltigkeit, Herstellungsverfahren, Langlebigkeit und auch wie viel kreative Freiheit ich bei der Umsetzung einer Kampagne bekomme.
Wenn Du Dinge an Social Media verändern könntest – welche wären das?
Ich würde gerne etwas Schnelligkeit rausnehmen und mehr Raum für individuelle Kreativität schaffen, ohne dass man dann Reichweite einbüßen müsste. Aktuell ist alles sehr schnell. Rasante Schnitte, kurze Videos, schnelle Infos. Es geht leider viel um Trends und um das Kopieren der Trends, welche funktionieren. Aber es geht nicht mehr wirklich um Kreativität und Individualität. Ich würde mir mehr Raum für besondere Projekte wünschen, die vielleicht auch ein bisschen länger dauern. Zudem würde ich mir noch mehr Support wünschen, wenn es um „hate“ geht. Ich habe das Gefühl, dass in den letzten Jahren schon sehr viel passiert ist, jedoch immer noch nicht genug. Cybermobbing existiert und vor allem bei den jüngeren Generationen, die jetzt auch mit Tiktok und Instagram in der Schule aufwachsen, brauchen wir Support und Aufklärung, wie man sich in solchen Situationen am besten verhält. Das ist ein großes und wichtiges Problem von uns allen.
Für welche positiven Dinge nutzt Du Dein Profil und Deine Reichweite gern?
Wie schon angesprochen: Ich beschäftige mich sehr stark mit den Themen Selbstliebe, Akzeptanz, Selbstbewusstsein, Gleichberechtigung, mentale Gesundheit und Ähnlichem. Außerdem arbeite ich schon lange mit „Plan International“ zusammen. Das ist eine NGO, ein Kinderhilfswerk, das sich für die Rechte von jungen Frauen und Mädchen einsetzt. Meine Eltern haben mich schon früh, als ich selbst noch ein Kind war, mit dem Hilfswerk vertraut gemacht. Öffentlichkeitsarbeit mache ich nun schon seit über fünf Jahren. Ich bin einfach ein großer Fan dieser NGO. Die NGO funktioniert durch ein Patenschaftsprogramm, bei dem quasi symbolisch eine Patenschaft für ein Kind übernommen wird. Ich weiß auch, dass die Gelder wirklich dort, wo sie gebraucht werden, ankommen. Ich war teilweise auch bereits vor Ort und konnte mich selbst davon überzeugen. Ich durfte mehrere Kampagnen mit dem Plan-Team umsetzen und das war und ist immer noch sehr bewegend … und eben auch absolut notwendig, um den Blick für Veränderung zu schaffen.
Wer sind die Menschen, die Dir bei Instagram folgen?
Ich weiß nicht wirklich, wer die Menschen sind, die mir bei Instagram folgen. Aber alle, die ich bisher getroffen habe und die mir auf der Straße „Hallo“ sagen, sind ganz liebe Menschen. Meistens sind es Mädchen oder Frauen, die sich auch in meinem Alter befinden und ich denke jedes Mal „ach – wir könnten ja auch befreundet sein“. Also, alles ganz tolle Menschen!
Welche Deiner Beiträge sind die drei beliebtesten?
Das kommt immer ein bisschen darauf an … ich hatte jetzt im letzten Monat ein Video, welches viral gegangen ist: Ich tanze auf der Straße und es geht darum, dass ich gerade Single bin, keine Kinder habe und viele in meinem Umfeld gerade eine Familie gründen. Diese Situation, dass sich Menschen und Freundeskreise aufgrund unterschiedlicher Lebensentwürfe verändern ist – glaube ich – ein Thema, das viele in meinem Alter anspricht.
Wer fotografiert Dich für Instagram?
Manchmal machen es Freunde für mich, manchmal jemand aus der Familie oder manchmal professionelle Fotografen und Fotografinnen. Also, da habe ich jetzt nicht eine feste Person, die mir dabei hilft.
Welchen Instagram-Accounts und Blogs folgst Du am liebsten?
Ich folge am liebsten Accounts, die mich inspirieren, die mir ein gutes Gefühl geben und ich würde auch an dieser Stelle jedem raten, seine Follower-Liste durchzugehen und jeden einzelnen Account zu checken. Frage dich, wie du dich fühlst, wenn du dir diesen Account anschaust. Oft folgen wir Leuten, welche uns aber leider gar nicht wirklich guttun. Wir konsumieren so vieles auch unterbewusst und deswegen ist es wichtig, seinen Feed regelmäßig zu kuratieren und auch auszusortieren.
Du siehst auf Deinen Fotos im Vergleich zu manch anderen immer echt und natürlich aus, hast etwa auch keine Extensions, künstliche Wimpern oder ein aufgespritztes Gesicht. Bleibst Du ganz bewusst individuell und natürlich?
Danke für das Kompliment. Auch ich habe tatsächlich Clip-Extensions, Wimpern und Gel-Nägel ausprobiert. Ich glaube, es sind immer Phasen im Leben. Aktuell möchte ich einfach wenig Zeit im Bad verbringen und setze deswegen auf eine schnelle, einfache Routine. Aber ich finde es wahnsinnig beeindruckend, wenn Menschen sich toll stylen und schminken können. (lacht)
Früher hattest Du längere Haare, heute trägst Du eine frische Kurzhaarfrisur. Warum hattest Du Lust darauf, beziehungsweise was hat Dir an kürzeren Haaren besser gefallen?
Mein Traum war es als Kind immer, ganz, ganz lange Haare zu haben – wie Rapunzel. Ich habe meine Locken deswegen gehegt und gepflegt. Aber irgendwann habe ich gemerkt, dass die langen Haare etwas waren, hinter dem ich mich versteckt habe. Ich dachte, lange Haare bedeuten Weiblichkeit. Dadurch, dass ich selbst einen eher schmalen Körper habe und keine großen Brüste, habe ich oft an meiner Weiblichkeit gezweifelt. Die Haare waren deswegen sehr wichtig für mich. Aber als ich mich mehr mit dem Thema auseinandergesetzt habe, ist mir bewusst geworden, dass dies natürlich gar nicht miteinander zusammenhängt. Nichts an meinem Aussehen macht mich mehr oder weniger zu der Frau, die ich bin. Die Haare abzuschneiden war für mich eine krasse Befreiung und ich fühle mich jetzt viel mehr als ich selbst. Es war ein Befreiungsschlag, der mir viel Selbstbewusstsein gegeben hat.
Welche Beauty- und Pflegeartikel sind für Dich unverzichtbar?
… Sonnencreme all the way und ich liebe einen schönen Highlighter für einen natürlichen Glow.
Welche sind Deine Lieblingslooks und Kleidungsstücke im Sommer?
… ich liebe die Kombination aus Baggy Shorts und Crop Top.
Wie sieht Dein Lieblings-Casual-Outfit aus?
… eine weite Jeans und ein entspanntes Basic Top.
Was trägst Du im Sommer am liebsten, wenn es etwas schicker sein soll?
Ich liebe den Minikleid-Cowboy-Boots-Look … bequem, aber trotzdem schick!
Was kaufst Du für diesen Sommer neu?
Ich kaufe immer eine neue Sonnenbrille. Ich habe eine kleine, aber feine Sammlung, die stetig wächst, denn eine besondere Brille kann jeden Look aufwerten.
Was kommt aus dem letzten Sommer mit?
Alles andere – ich habe einen kleinen Kleiderschrank mit ganz vielen Lieblingsteilen, die mich schon seit Jahren begleiten.
Worauf wirst Du definitiv verzichten?
Selbstbräuner! Ich habe eine Phase gehabt, in der ich fürchterlich „orange“ rumgelaufen bin, weil ich mir eingebildet habe, dass ich zu blass bin. Auf den Karotten-Look werde ich zukünftig verzichten ... (lacht)
Gibt es Sommertrends, die Du schrecklich findest?
Nein, nicht wirklich! Ich finde manche Sachen vielleicht an mir nicht schön, aber andere Menschen können das dann wieder gut tragen. Style ist individuell.
Wer und was inspiriert Dich in Sachen Beauty und Fashion – gerade im Sommer?
Berlin inspiriert mich jeden Tag aufs Neue. Hier gibt es die verrücktesten Looks und ich liebe es!
Was steht als Nächstes bei Dir an und welche Pläne hast Du für die Zukunft?
Gerade male ich an einer neuen Serie und freue mich auf ganz viele schöne Kunstprojekte und Events.