Mit drei Siegen aus den vergangenen vier Spielen hat sich der 1. FC Saarbrücken an das Spitzentrio herangekämpft. Der Interims-Kapitän verspricht eine weitere Steigerung.
Am vergangenen Montag feierte Werner Cartarius, Vorsitzender des Ehrenrates, seinen 90. Geburtstag. Der Jubilar ist ein wandelndes Archiv. Das färbt auch auf die Familie ab. So war FCS-Trainer Rüdiger Ziehl ziemlich erstaunt, als ihn Cartarius' Tochter zur Seite nahm und von einer Anekdote aus den Neunziger Jahren erzählte. Damals war der FCS gerade in die Bundesliga aufgestiegen. Doch ruhig arbeiten konnte Trainer Peter Neururer dennoch nicht. „Es gibt Leute, die sind das ganze Jahr am Meckern. Die haben sogar nach Siegen meine Entlassung gefordert. Das ging so lange, bis wir aufgestiegen waren“, erzählte Neururer damals. Geändert hat sich das Umfeld bis heute nicht. Rüdiger Ziehl mag es für ein gutes Omen halten. Nach sieben Spielen steht der 1. FCS in der Drittligasaison 2024/2025 tabellarisch gut da. 13 Punkte, Platz vier. „Es hätten sicher zwei, drei Punkte mehr sein können. Aber man hat irgendwie das Gefühl, dass wir erst bei 50,60 Prozent sind. Wir sind noch lange nicht dort, wo wir hinwollten“, sagte Torwart und Ersatz-Kapitän Philipp Menzel.
Ein Blick auf die Statistik zeigt die Stärken und Schwächen des FCS im Herbst 2024. Neun Tore hat das Ziehl-Team erzielt, nur sieben Mannschaften trafen seltener. Mit lediglich sechs Gegentoren ist der FCS aber bisher Liga-Primus. Wie schon in Hannover zeigte sich die neu formierte Viererabwehrkette stabil und umsichtig. Daran änderte auch die Tatsache nichts, dass Ziehl bereits nach zehn Minuten Sven Sonnenberg ersetzen musste und den Schweizer Neuzugang Joel Bichsel brachte. 1,94 Meter große und 93 Kilo schwere Abwehr-Koloss hat das Zeug zum Publikumsliebling. Seine unerschrockene Art und seine kompromisslose Zweikampf-Führung kommen bei den Fans an. „Ich mag es, mit dem Publikum zu interagieren. Das gibt meinem Spiel was“, sagte der 22-Jährige. Überhaupt wurden die Fans zu einem entscheidenden Faktor. Schon während der ersten Halbzeit, die offensiv eher arm an Höhepunkten war, trieb die Virage Est das Team an. „Ich glaube, die echten Fans haben ein feines Gespür, dass die Mannschaft heute viel investiert hat“, sagte Ziehl, der vereinzelte Pfiffe zur Pause gelassen kommentierte: „Vielleicht haben sie den Schiedsrichter gemeint.“ Denn schon vor dem Wechsel hatte der FCS viel Spielkontrolle gegen einen Gegner, der auswärts zwei seiner drei Spiele gewonnen hatte. Aber wie in den bisherigen Heimspielen traf die Blau-Schwarze Offensiv-Reihe oft die falsche Entscheidung. „Bis zum Strafraum war das gefällig. Dann wird es manchmal zu kompliziert. Wir müssen viel konsequenter werden“, mahnte Ziehl an. Kapitän Menzel brachte auch den psychologischen Aspekt ins Spiel. „Ich weiß nicht, ob wir einen Rucksack mit uns herumschleppen, aber wir haben andere Ansprüche als einen Punkt aus drei Heimspielen. Wenn du das Tor einfach nicht triffst, zehrt das an den Nerven“, sagte der 25-Jährige.
Vor allem in der zweiten Halbzeit. Die pfeifende „Bier- und Würstel-Fraktion“ hatte noch nicht wieder Platz genommen, da entfachte der Fan-Block sprichwörtlich ein Feuerwerk. Angetrieben von einer fantastischen Atmosphäre erspielte sich der FCS mehrere Chancen. Die größte hatte Tim Civeja nach knapp einer Stunde, als er den Ball frei stehend aus sechs Metern über das Kölner Tor jagte: „Da fragst du dich schon, ob das ein Albtraum ist, der nie endet“, gab Torwart Menzel einen Einblick in seine Gedanken. Doch am Ende entschied eine Standard-Situation die Partie. Nach einer Civeja-Ecke köpfte der eingewechselte Kasim Rabihic in der 76. Minute den Siegtreffer. Viel Zeit zum Feiern blieb nicht. Schon am heutigen Donnerstag bricht der FCS-Tross in Richtung Osten auf, wo es am Samstag zum Duell bei Energie Cottbus kommt. „Die haben zuletzt ein paar Tore geschossen. Es ist ein Traditionsverein, der mindestens in diese Liga gehört. Da müssen wir über die Schmerzgrenze gehen“, sagte Menzel und Verteidiger Bichsel, der in der Lausitz wohl zur Startelf gehören wird, kündigte an: „Solche Spiele liebe ich. Es ist doch schön, wenn es mal knallt.“
Trotz einiger Wehwehchen hat Trainer Ziehl viel Auswahl. Dass er Rabihic und Richard Neudecker nach ihren starken Auftritten in Hannover auf die Bank beorderte, überraschte nur auf den ersten Blick. „Wir haben auf der Position etliche Alternativen. Ich habe mit den Jungs gesprochen und ihnen erklärt, wie wir die englische Woche aufteilen“, sagte Ziehl und deutete an, dass Neudecker in Cottbus wieder zur Startelf gehören wird. „Das ist durchaus denkbar.“
Ein Lob erhielt der FCS übrigens von Gästetrainer Olaf Janßen, dessen Aussagen wieder einmal ein Beleg dafür sind, dass die sportliche Situation der Blau-Schwarzen außerhalb der Landesgrenzen ganz anders eingeordnet werden. „Solche Spiele werden gerne über Standards entschieden. Das ärgert mich natürlich. Dennoch müssen wir dem FCS zu einem verdienten Sieg gratulieren. Das ist eine tolle Mannschaft, die uns extrem hat leiden lassen“.
FORUM-Einzelkritik:
Philipp Menzel: In der Luft noch etwas zaghaft. Ansonsten mit starken Reflexen. Note 2
Till Schumacher: Bestätigte seinen Aufwärtstrend und kommt in der Viererkette viel besser zurecht. Note 2
Dominik Becker: Zu Beginn mit einem Fehlpass. Ansonsten überzeugte er mit Tempo und Zweikampf-Führung. Note 2-
Joel Bichsel: Eine Maschine! Räumte jeden Zweikampf fair ab und setzte auch spielerische Akzente. Note 1
Calogero Rizzuto: Nicht so stark wie in Hannover, aber immer noch solide. Note 3
Patrick Sontheimer: Wie immer mit starker Laufleistung. Auch spielerisch gut. Note 2
Elijah Krahn: Manchmal etwas kompliziert. Aber das Talent blitzte auf. Note 3
Tim Civeja: Etwas unsauber, aber sehr engagiert. Note 3
Simon Stehle: Versuchte viel, nicht immer zwingend. Note 3
Kai Brünker: Rieb sich auf, im Abschluss aber ohne Glück. Note 3
Amine Naifi: Fällt teilweise leicht, auf der anderen Seite immer wieder gefährlich. Note 3
Sebastian Vasiliadis: Kam für Krahn und trat solide auf. Note 3
Kasim Rabihic: Brachte Technik auf den Platz und belohnte sich mit einem Treffer. Note 2