Hertha BSC gelingt in Köln der dritte Sieg in Folge. Dabei überragt aufs Neue Fabian Reese im starken Ensemble.
Vielleicht dachte Fabian Reese auch an die Szene aus der 17. Minute, als er sich vergangenen Samstagabend kurz nach Wiederanpfiff für einen „Egotrip“ entschied. Da bekam der 27-Jährige einen langen Pass von Diego Demme auf dem rechten Flügel zugespielt, drängte trotz Heintz’ Gegenwehr in den Strafraum und wagte den Abschluss aus schwieriger Position. Der Ball prallte dann vom Innenpfosten ins Tor – FC-Schlussmann Schwäbe konnte nur noch hinterherschauen. Am Ende reichte der Treffer also für den Auswärtssieg von Hertha BSC beim bisherigen Tabellenführer 1. FC Köln. Nach zwei knappen Niederlagen gegen die Geißbock-Elf im Hinspiel und Pokal 2024/25 unterstreicht dieser Dreier dabei die Schwierigkeit der Aufgabe, die das Team von Stefan Leitl in überzeugender Form meisterte. Dazu konnte man das ungewohnte Gefühl des dritten Sieges in Folge an der Spree feiern und der Abstiegskampf sollte gerade in der Form, in der sich die Berliner zuletzt präsentierten, eigentlich kein Thema mehr sein. Mit seinem siebten Saisontor schloss Reese dazu mannschaftsintern zu Derry Scherhant auf – sechsmal traf der Unterschiedsspieler dabei allein in den vergangenen vier Partien. „Ich habe gesagt, ich will gerne links spielen“, verriet Reese dabei im TV-Interview zu seinem Austausch mit Trainer Leitl, „er hat aber gesagt, du kannst uns im Sturm besser helfen: Du hast eine gute Geschwindigkeit, einen guten Schuss – wir brauchen momentan Tore und so hast du mehr Abschlusssituationen.“ Und schloss seine Erklärung mit einem schelmischen Grinsen: „Deshalb ist er wahrscheinlich Trainer und ich bin Spieler.“
In der aktuell praktizierten Doppelspitze zusammen mit Scherhant funktioniert es jedenfalls sehr gut. „Weil wir nicht in einer klassischen Boxbesetzung mit einem klaren Stürmer spielen, sollte ich mehr das Eins-gegen-eins suchen – ich übe das im Training gerade“, gab der gebürtige Kieler zu Protokoll und erklärte die Veränderung: „Wir haben die letzten Wochen häufiger solche Situationen gehabt, da habe ich oft geflankt.“ So wie auch in besagter 17. Minute, als Reese seine Qualität als Vorbereiter – letzte Saison war er mit 18 Assists die Nummer eins der Liga – unter Beweis stellte. In dieser Szene zirkelte er den Ball zentimetergenau auf den am langen Pfosten lauernden Marten Winkler, der die Kugel nur noch über die Linie zu drücken brauchte – doch er fabrizierte ein „Luftloch“, das dem bemitleidenswerten 22-Jährigen wohl den festen Platz in jedem Saisonrückblick garantiert. So sorgte Reese also mit seinem Traumtor für den Treffer des Abends in der Domstadt – der dann eben auch reicht, wenn die Null steht, wie es etwa nach dem Geschmack von Kapitän Toni Leistner ist: „Das Wichtigste war aber die Defensive: Es fühlt sich jetzt jeder verantwortlich, dort mitzuwirken – das hat der Trainer sehr gut hinbekommen.“ Dabei musste Leitl auf den gelbgesperrten Marton Dardai sowie den weiterhin angeschlagenen Pascal Klemens verzichten und setzte wie schon zuvor in der Schlussphase gegen den Karlsruher SC auf Deyovaisio Zeefuik in hinterster Linie. In Köln agierte der Niederländer in der Dreierkette von Beginn an neben den gelernten Innenverteidigern Leistner und Linus Gechter und machte seine Sache als gelernter Außenbahnspieler gut – noch eine taktische Variante des neuen Trainers also, die sich als tauglich erwiesen hat. Der schwärmte sichtlich erleichtert nach dem Abpfiff: „Diese Mannschaft hat unfassbares Talent, trotzdem tun Siege unheimlich gut und vermitteln das, was du möchtest – wir waren hier richtig gut unterwegs“, so Leitl.

Einen Haken an das Thema Klassenerhalt
Die erwähnten drei Ligasiege in Folge haben dabei eine besondere Bedeutung: Denn wie viele Medien in Zusammenhang mit dem Hertha-Dreier in Köln erwähnten, gelang den Berlinern dies erstmals überhaupt seit fünfeinhalb Jahren. Weitet man den Blick auf diese Statistik, wird sie sogar noch aussagekräftiger: Die drei Erfolge am Stück im Herbst 2019, damals unter der Leitung von Ante Covic, gelangen Hertha BSC sogar nur einmal in achteinhalb Jahren – bis zum vergangenen Sonnabend. Ein zahlenmäßiger Nachweis dafür, weshalb es schon seit Unzeiten nicht mehr das Gefühl eines Aufbruchs beziehungsweise Aufwärtstrends bei der „Alten Dame“ zu erleben gab.
Schon flechten die in Zusammenhang mit dem blau-weißen Fußballclub wenig erfolgsverwöhnten Hauptstadtmedien Trainer Leitl einerseits Lorbeerkränze – andererseits trauern sie dem Gedanken nach, was möglich gewesen wäre, wenn die Mannschaft schon frühzeitig in die aktuelle Spur gefunden und sich obendrein der überragende Reese diese Saison nicht für lange Zeit verletzt abgemeldet hätte. So betonen Trainer und Spieler, dass man nun schnellstmöglich einen Haken an das Thema Klassenerhalt setzen will. Mehr allerdings ist eben nicht mehr drin, und da liegt natürlich der Hase im Pfeffer: Einige Spieler werden sich die Frage stellen, ob sie bei Hertha BSC über das Saisonende hinaus bleiben wollen – oder dem Ruf eines höherklassigen Vereins folgen. Das Paradebeispiel bietet auch hier Fabian Reese, der stets betont, sich in Berlin und im Verein „pudelwohl“ zu fühlen – aber im selben Atemzug erklärt, nicht in die Zukunft schauen zu können. Und auch die Verantwortlichen müssen sich mit dem Dilemma auseinandersetzen, entweder dringend erforderliche Einnahmen aus Transfers von Spielern wie Reese, Michaël Cuisance oder Ibrahim Maza – um nur drei zu nennen – zu generieren, oder mit einem eingespielten Team kommende Saison wirklich um den Aufstieg mitzuspielen. Ganz unmittelbar steht nun aber erst einmal das Heimspiel gegen Darmstadt 98 (Samstag, 13 Uhr) auf der Agenda.
Der 3:1-Sieg der Lilien im Hinspiel fiel dabei mitten in den Aufwärtstrend unter dem damals noch neuen Trainer Florian Kohfeldt, der allerdings mittlerweile nach sieben Niederlagen in diesem Jahr wieder verpufft ist – immerhin gelang vergangene Woche aber mit dem zäh errungenen 1:0 über Greuther Fürth 2025 der dritte Sieg. Sollte es Hertha BSC trotz der Gelb-Sperren von Cuisance und Jonjoe Kenny jedoch gelingen, die immer noch schwache Heimbilanz aufzupolieren, könnte der nächste „Rekord“ eingestellt werden: Vier Punktspielerfolge hintereinander gelangen zuletzt vor zwölf Jahren – damals unter Jos Luhukay in der 2. Liga, als die Berliner den Wiederaufstieg schafften.