Eintracht Frankfurt hat ein super Jahr hinter sich. Leider hat es fast schon Tradition, dass der Verein nach der Winterpause einbricht. In diesem Jahr ist der Stil aber ein anderer – und das macht Hoffnung.
Während einige Spieler derzeit bei der Weltmeisterschaft verweilen, mussten die übrig gebliebenen Frankfurter ans andere Ende der Welt reisen, bevor sie dann endlich in die langersehnte Pause gehen dürfen. Das haben sie sich verdient, sportlich war das Halbjahr überaus erfolgreich, und in Japan präsentierte sich der Frankfurter Europapokalsieger abseits des Platzes von seiner besten Seite. „Wir haben vorgelebt, was diesen Verein auszeichnet: Nahbarkeit und Weltoffenheit“, fasste Sportvorstand Markus Krösche den Fernost-Trip zusammen. Doch wer nun denkt, die nicht für die WM nominierten Fußballer verstreuen sich jetzt mal eben rund um den Erdball, um einen ausgedehnten Urlaub zu machen, der irrt.
Nahbarkeit und Weltoffenheit als Erfolg
Ab Donnerstag wird Trainer Oliver Glasner sie wieder um sich versammeln, dann stehen Leistungstests auf dem Programm. Noch gut zwei Wochen wird, sicher nicht in höchster Intensität, weiter trainiert, am 2. Dezember steht das fast schon obligatorische Testspiel gegen den SV Sandhausen an. Ab 9. Dezember, nach dem letzten Freundschaftskick bei Atalanta Bergamo, verabschieden sich die Akteure in dreiwöchige Ferien. Anfang Januar bittet Glasner dann zum Auftakt zur Vorbereitung auf die Rückrunde – und die hat es in sich. Allein 19 Bundesligaspiele stehen ab 21. Januar und dem Heimspiel gegen Schalke 04 an, hinzukommen noch Zusatzpartien in der Champions League und im nationalen Cupwettbewerb, drei werden es auf jeden Fall sein – alles andere hängt vom Ausgang der Partien gegen Darmstadt 98 am 7. Februar im DFB-Pokal sowie am 21. Februar und 15. März in der Königsklasse gegen den SSC Neapel ab.
Es wird dann sehr interessant zu beobachten sein, ob die Eintracht das überragende Niveau halten kann oder wie so oft in den vergangenen Jahren regelrecht abschmiert. Nach den ersten 15 Partien ist die Ausgangslage mit Platz vier und 27 Punkten mehr als ordentlich. Denn seit fast drei Jahrzehnten hatte die Eintracht in der Winterpause nicht so viele Punkte auf dem Konto. Als der Club das letzte Mal so viele Zähler auf sein Konto geladen hatte wie in dieser Saison, gab es für einen Sieg noch zwei Punkte und bei einer Niederlage zwei Minuspunkte. Klaus Toppmöller, der Lockenkopf aus Rivenich, war der Trainer, im Kasten stand Uli Stein, die Abwehr dirigierte Manni Binz, im Mittelfeld zauberten Maurizio Gaudino, Uwe Bein und Jay-Jay Okocha, vorne schoss Anthony Yeboah Tore am Fließband. Doch Manager Krösche warnt schon mal vorsorglich: „In der letzten Saison waren wir nach der Hinrunde auch Sechster und am Ende nur Elfter.“
Niko Kovac forderte immer das Maximum
Die furiose Europa-League-Reise hatte jedes Körnchen Power gekostet. Man kennt das in Frankfurt mit Einbrüchen nach der Winterpause, nur in seltenen Fällen haben sich die Hessen mal verbessert oder ihr Level zumindest halten können – zumeist verspielten sie gute bis sehr gute Zwischenplatzierungen. Dafür gibt es Gründe, die natürlich von Jahr zu Jahr anders gelagert und nicht zu verallgemeinern sind. Aber es gibt zumindest Muster, die sich wiederholten. Grundsätzlich war die Eintracht im zweiten Halbjahr immer ausgelaugt, sowohl physisch als auch psychisch. Daran hatten die Trainer auch Mitschuld. Niko Kovac etwa forderte permanent das Maximum, ließ den Zügel nie mal locker, sondern erwartete stets Performance am Anschlag – auf dem Platz sowieso, aber auch drumherum. Das führte zu einer generellen Überfrachtung und zu einer Müdigkeit des Körpers, aber vor allem des Geistes. Auch der intensive Spielstil ohne Kompromisse und stets im Vollgas-Modus verlangte seinen Tribut. Unter Adi Hütter zeigte sich dieses Problem noch deutlicher. Permanentes Pressing und die kraftraubende Spielweise forderten ihren Tribut. Zusätzlich dann die Querelen um den Abgang von Hütter und Fredi Bobic. Am Ende kostete es unnötigerweise den Champions-League-Rang.
In dieser Saison sprechen zumindest ein paar Dinge dafür, dass die Eintracht in den kommenden Monaten den großen Einbruch verhindern kann, wenn sich keine Leistungsträger schwerer verletzen. Beispielsweise Randal Kolo Muani wäre eigentlich nicht zu ersetzen. Doch bei Unversehrtheit der Schlüsselfiguren besteht begründete Hoffnung auf eine Bestätigung des Status quo. Schon in den zurückliegenden Wochen war von genereller Ermattung wenig zu sehen, obwohl die Belastungen immens waren. Die Nationalspieler etwa rissen zehn englische Wochen am Stück ab, hinzukommen die nicht zu unterschätzenden Reisestrapazen. Doch die Mannschaft ist topfit, die Grundlagen-Fitness bemerkenswert gut. Die Spieler konservieren ihren physischen Zustand offenbar über Matchpraxis auf höchstem Niveau und anschließender Regeneration. Und dann wieder von vorne. Hinzu kommt, entscheidend: Der Spielstil hat sich verändert. Er ist nicht mehr so extrem aufwendig, so brachial, nur auf Power ausgelegt und von Körperlichkeit geprägt. Sicher, die Eintracht sprintet immer noch viel, ist aber deutlich variabler. Pressing gibt es immer noch, jedoch deutlich überlegter.
Das Spiel der Eintracht wurde unter Glasner deutlich feiner. Das ist begründet durch die bessere Abstimmung innerhalb des Kaders. Schnelligkeit über außen, spielerische Klasse im Zentrum. „Wir haben uns spielerisch enorm weiterentwickelt“, sagt Kapitän Sebastian Rode und findet: „Große Faktoren sind Randal und Mario, sie bringen andere Elemente ins Spiel.“ Götze durch seine „Spielintelligenz“, die Deutung der Räume und seine Ballsicherheit, Kolo Muani sei „brutal stark in der Tiefe“, könne aber auch mal „zwei Spieler ausdribbeln“. Rodes Fazit: „So verlagert sich ein Spiel.“
Und es ist auch nicht mehr so linkslastig. Das hängt kausal mit dem Abgang von Filip Kostic zusammen, der das Offensivspiel der Eintracht über Jahre hinweg geprägt hat. Von ihm war das Team in hohem Maße abhängig. Entweder Kostic funktionierte, was oft genug der Fall war, oder nur wenig ging zusammen. Dementsprechend berechenbar war auch die Eintracht. Auch vor diesem Hintergrund hat sich Sportvorstand Markus Krösche an die Zusammensetzung des Kaders gemacht, der deutlich variabler werden sollte. Und eben feiner, gewiefter, raffinierter und spielstärker. Der auch gegen tiefstehende Kontrahenten nicht an seine Grenzen gerät, sondern Lösungen findet. „Wir wollen unberechenbarer sein“, sagte er, „die Gegner sollen nicht wissen, was auf sie zukommt.“ Das hat geklappt.
Trainer Glasner baute den Spirit wieder auf
Doch das war harte Arbeit. „Am Anfang haben wir uns schwergetan uns zu finden und kennenzulernen und den Spirit wieder aufzubauen“, erinnert sich der Eintracht-Coach zurück. Lange dauerte das aber nicht. Glasner baute den Spirit in beeindruckender Art und Weise wieder auf, fand eine eingespielte Anfangsformation und schaffte es mit seinem Trainerstab, seine Mannschaft physisch und psychisch durch eine unglaubliche Anzahl an englischen Wochen zu manövrieren. Und so ist es in dieser Saison überhaupt keine Träumerei, dass es die Frankfurter schaffen könnten, erstmals über die Bundesliga in die Champions League einzuziehen.
Eine zweite Teilnahme am Stück in der Königklasse wäre der nächste Meilenstein in der Entwicklung des Vereins. Obwohl man beim Zählen der Meilensteine in Frankfurt langsam gute Kopfrechen-Kenntnisse benötigt. Erst einmal ist bei der Eintracht aber dank der Winter-WM in Katar die Zeit gekommen, es etwas langsamer angehen zu lassen. Zu entspannen. Neue Kraft zu tanken. „Jetzt können wir uns erholen“, erklärte auch Glasner nach dem Ende der Halbserie, „um mit Anlauf den nächsten Gipfel zu erklimmen“. Was für ein Gipfel das auch immer sein mag. Dieser Eintracht ist aktuell jedenfalls alles zuzutrauen.