1702 wurde die Bruch Brauerei in Saarbrücken gegründet. Ohne Jonas Kirch wäre ihre Geschichte wohl in diesem Jahr zu Ende gewesen. Mit einem Umzug nach Neunkirchen will er das Unternehmen retten. Die Geschichte einer Insolvenz.
Jonas Kirch braucht Zeit. Ein paar Tage, ein paar Wochen, ein paar Monate – womöglich ein Jahrzehnt. Aber was ist das schon, wenn man eine Sache weiterführt, die vor mehr als drei Jahrhunderten begonnen hat? Am 1. August hat Jonas Kirch die Brauerei Bruch übernommen und mitgeteilt, dass das Unternehmen, dessen Geschichte 1702 in Saarbrücken begann, seinen Sitz nach Neunkirchen ans ehemalige Hüttengelände verlegen wird. Erstmals seit 322 Jahren sitzt in der Geschäftsführung der Brauerei kein Mitglied der Familie Bruch mehr. Lukas Bruch, der bisher als Vertreter der neunten Generation die Brauerei leitete, werde allerdings zu einem späteren Zeitpunkt wieder ins Unternehmen einsteigen, kündigt Jonas Kirch an.
Der Umzug nach Neunkirchen sei die richtige am Ende einer langen Reihe von falschen Entscheidungen. Es seien viele Fehler gemacht worden in den vergangenen 15 Jahren, sagt der neue Chef. Die ersten haben dazu geführt, dass der damalige Brauerei-Chef Thomas Bruch Mitte 2018 Insolvenz angemeldet hat. Es war von einer Steuernachzahlung im sechsstelligen Euro-Bereich die Rede. Die Lage sei ernst, aber nicht hoffnungslos, versicherte Thomas Bruch. Bis Ende des Jahres habe er die Sache geregelt. Der alleinige Besitzer der Brauerei gab sich überzeugt, es aus eigener Kraft mit seinen damals 18 Mitarbeitern zu schaffen. Dann kam die Corona-Pandemie mit Lockdowns unter anderem für Gastronomie. Das sei „ein Brandbeschleuniger“ gewesen, sagte Thomas Bruch und begründete damit, warum es ihm nicht gelungen war das Krisen-Feuer zu löschen.
Die sogenannte Planinsolvenz wurde zu einem regulären Insolvenzverfahren. Die Zerschlagung des Unternehmens begann. 2021 wurden das Stammhaus „Der Stiefel“ am St. Johanner Markt, das Brauereigelände in der Scheidter Straße und weitere Immobilien der Familie verkauft. Lukas Bruch übernahm die Geschäfte. Geschäftssitz blieb die Brauerei in Saarbrücken. Als die Brauerei erneut in Zahlungsschwierigkeiten geriet, stiegen „Retter“ aus dem Nord-Saarland ein – eine Gruppe Unternehmer, die der ehemalige Regierungssprecher Thorsten Klein organisiert hatte. Weil in die veraltete Brauanlage nicht mehr investiert werden konnte, teilte Bruch kurz darauf mit, dass das Bier künftig nach den Saarbrücker Rezepten in der Kirner Brauerei hergestellt wird.
„Hätte ich nicht zugesagt, gäbe es Bruch nicht mehr“
Das Retter-Ding habe nicht funktioniert, sagt Jonas Kirch. Eine einmalige Summe an den damaligen Insolvenzverwalter zu zahlen, sei nicht wirklich ein Konzept gewesen. Es war klar: Die Brauerei muss im Sommer vom Gelände. Und es sei ebenso klar gewesen: Wenn nicht investiert wird, dann war es das. Da kamen nun Jonas Kirch und der Vertreter einer anderen saarländischen Unternehmerfamilie mit dem Namen Bruch ins Gespräch: Stefan Bruch von Globus. Letzterer hatte im Jahr zuvor die Zusammenarbeit mit Bachs Braumanufaktur beendet und war offen für eine neue Kooperation. „Angedacht war, dass die Bruch Brauerei GmbH übernommen wird, und ich als Geschäftsführer einsteige. Das wäre aber ein Geldgrab geworden“, sagt Jonas Kirch. Also hat er seine eigene Privatbrauerei Saar GmbH gegründet und die Marke Bruch gekauft. Die neue GmbH arbeitet fast ohne eigenes Personal. Kein Fuhrpark mehr, nur eine Buchhalterin.
Kirch hat für die Bruch Brauerei gearbeitet, bevor er sich als Gastronom in Saarbrücken mit dem Ulanen Pavillon am Staden und dem Ulanen Hof im Almet einen Namen gemacht hat. Seine Gastronomie hat er nicht aufgegeben, auch nicht, als er als Verkaufsleiter Südwest für die Bayreuther Maisel-Brauerei tätig war. Sich von Maisel, einem Unternehmen, das sich gegen den bundesweiten Branchentrend gut entwickelt und bereits zum zweiten Mal in Folge zur Brauerei des Jahres gekürt worden ist, zu verabschieden, sei ihm nicht leicht gefallen, sagt Kirch. Aber der Wunsch, zu Hause im Saarland etwas zu bewegen, sei dann doch stärker gewesen. „Wenn ich nicht zugesagt hätte, dann gäbe es Bruch nicht mehr“, ist er sich sicher.
Und nun? Warum soll Jonas Kirch gelingen, was Thomas und Lukas Bruch und den „Rettern“ um Thorsten Klein nicht gelungen ist? Weil er die Erfahrung aus seiner Tätigkeit bei Maisel mitbringt, sagt Kirch. Und weil er mit Stefan Bruch einen starken und strategisch denkenden Partner hat. Globus hat – noch mit dem Ziel, dass Bachs dort braut – in eine moderne Anlage in Neunkirchen investiert. Die wird die Bruch Brauerei nun nutzen. Die Miete für die Räumlichkeiten und die Technik sei „unfassbar günstig“, verrät Jonas Kirch. Was daran liegt, dass Stefan Bruch ihm „als Vermieter entgegengekommen“ ist. Für die Globus-Familie sei der Neuaufbau der Bruch Brauerei „auf langfristige Refinanzierung angelegt“.
Jonas Kirch bekommt also das, was er sich wünscht: Zeit. Die braucht er, um das am Boden liegende Unternehmen wieder ins Geschäft zu bringen. „Einige große Supermarktketten haben Bruch ausgelistet“, erklärt er. Es gehe nun darum, „erst mal wieder breiter in den Handel kommen“. Ein erster Erfolg sei: „Bei Netto sind wir wieder drin.“ Mit Rewe verhandelt er gerade. Eine weitere Baustelle: „In Tankstellen hat Bruch nie stattgefunden, da muss Bruch aber stattfinden.“ Bei „extrem fallenden Bierabsätzen in Deutschland“ müsse er aber „realistisch überlegen“, was geht und was nicht, die Erwartungen also nicht in den Himmel schrauben.
Es gehe nun darum, „verlorenes Vertrauen zurückzugewinnen“ – auch bei den Gastronomen. Mit denen sei in der Vergangenheit offenbar nicht auf die beste Art kommuniziert worden. Ein Fehler der „Retter“ sei es auch gewesen, Bruch ein neues Layout zu verpassen. „Ich verstehe, dass man die Brauerei in die Moderne bringen wollte, aber das kann man anders machen“, versichert Kirch. „Zurzeit hat der neue Schriftzug kein Alleinstellungsmerkmal mehr. Der wirkt wie eine Standardschrift. Ich werde zum alten Schriftzug zurückkehren“, kündigt er an. Er wolle eine „moderne Retro-Optik“. Darüber rede er mit Fachleuten. Auch das brauche etwas Zeit.
Brauerei in Neunkirchen
Vorerst wird weiter in Kirn gebraut. Die großen Getränkehändler holen die Ware ab. Denn wann die Anlage in Neunkirchen in Betrieb genommen wird, ist noch offen. Man ist mit dem Brauereianlagenbauer Kaspar Schulz im Gespräch darüber, wann der die nach Neunkirchen gelieferte Anlage betriebsfertig machen kann. Sobald das klar ist, wird die Stelle des Braumeisters ausgeschrieben. Das Bamberger Unternehmen zählt zu den besten der Welt, wenn es um Brautechnik geht. Entsprechend vielseitig sei auch die Anlage. Sie tauge auch dazu, Spezialbiere zu brauen.
„Es heißt ja immer: Craft Beer ist tot. Ich sehe das anders“, sagt Kirch – auch das aus seiner Erfahrung bei Maisel heraus. Jeff Maisel, der aktuelle Inhaber, hat mit „Maisel and Friends“ eine eigene Craft-Beer-Marke geschaffen, die sehr erfolgreich läuft. Kirch will Bruch nicht mit Maisel vergleichen, aber lernen könne man – im kleineren Stil – schon von der Bayereuther Firmenpolitik. Er will auch bei Bruch in eine ähnliche Richtung gehen. Aber das sei „Zukunftsmusik“. „Ich muss erst mal in ein Fahrwasser, indem ich leben kann. Das heißt: Wir müssen erst mal Pils, Zwickel, Landbier und Helles wieder ans Laufen bringen. Also erst mal die Hauptmarke und Radler, dann später Bierspezialitäten“, erklärt der neue Chef.
Stefan Bruch werde neben der Brauerei eine Gastronomie am alten Hüttengelände in Neunkirchen aufbauen. Auch da sei Maisel Vorbild. In deren Restaurant gibt es neben gutem Essen eine Kombination aus eigenen und ungewöhnlichen Kreativbieren anderer Brauer. Angedacht ist auch ein Museum, in dem die saarländische Brauereigeschichte, auch die von nicht mehr existierenden Brauereien, in Szene gesetzt wird. Das sei dann spätestens der Zeitpunkt, an dem Lukas Bruch wieder einsteige, sagt Kirch. Wann die Gastronomie und das Museum spruchreif werden? „Wir brauchen noch etwas Zeit“, sagt Kirch. Und er hoffe, dass er „in zehn Jahren da ist, wo es anfängt auch wirtschaftlich Spaß zu machen“.