Kontinuität im Wirtschaftsministerium versprach die Landesregierung, jetzt feiert sie erste Erfolge mit Strahlkraft. IHK und DGB sehen gute Ansätze für die saarländische Wirtschaft. Neuansiedlungen aber sind nur ein Baustein des Wandels.
Die neue saarländische Landesregierung ist mit großen Versprechungen für die Wirtschaft angetreten. Und mit großen Zahlen: Eine Million Saarländer sollen künftig im kleinsten Flächenbundesland leben, 400.000 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte sind das Ziel der Regierung. Am politischen Aschermittwoch lobt sich die SPD selbstbewusst. Man könne endlich liefern, sagt Anke Rehlinger – „endlich“, weil die lähmenden Fesseln der Großen Koalition abgestreift seien. Sie nennt ihre bisherigen Erfolge nach einem Jahr Regierungsverantwortung: G9 an den saarländischen Schulen, die Kita-Beiträge seien abgeschafft und man habe das Junge-Leute-Ticket ab Mai im ÖPNV eingeführt. Das Fairer-Lohn-Gesetz trat bereits 2021 in Kraft. Und dann sind da noch die bemerkenswerten Ansiedlungserfolge und zukunftsweisenden Entscheidungen von im Saarland produzierenden Unternehmen: eine chinesische Batteriefabrik, eine US-amerikanische Halbleiterfabrik, mit Ford ist ein Kooperationsvertrag zumindest unter Dach und Fach, ZF entwickelt sich zu einer Leitfabrik für Elektromobilität, Hager investiert 36 Millionen Euro in seinen Standort Blieskastel und die Saar-Hütten die Rekordsumme von 3,6 Milliarden in ihre CO2-freie Zukunft, das Cispa-Helmholtz-Institut fördert mit Millionenbeiträgen Start-ups. Und über allem schwebt der milliardenschwere Transformationsfonds der Landesregierung.
Stand heute arbeiten 393.500 Beschäftigte sozialversicherungspflichtig, ein minimales Plus von 0,2 Prozent seit 2021. Die großen Neuansiedlungen und massiven Investitionen lassen hoffen, dass sich weitere Betriebe entlang der Supply Chain ansiedeln. Jene großen vielbeachteten Projekte verstellen jedoch aufgrund ihrer medialen Strahlkraft den Blick auf die zahlreichen flankierenden Maßnahmen, die notwendig sind, um den Standort über Jahrzehnte hinweg zu sichern.
Milliarden für die zukunft
Die Industrie- und Handelskammer des Saarlandes (IHK) bescheinigt der Landesregierung nach einem Jahr, einen insgesamt guten Job gemacht zu haben. „Die Landesregierung bekennt sich klar zur Bedeutung der Industrie für unser Land. Es wird deutlich, dass sie die Herausforderung der Transformation annimmt und diesen zentralen Prozess aktiv steuern möchte“, sagt etwa Hanno Dornseifer, Präsident der IHK. Die Aufgaben seien in der Tat groß: Wasserstoff statt Kohle in der Stahlindustrie, Elektromobilität statt Verbrenner beim Auto, hinzukommen die Megatrends Digitalisierung und Fachkräftemangel.
„So ist es gut, dass die Landesregierung mit dem Transformationsfonds die Chance eröffnet hat, auch große Investitionen im Land zu finanzieren – und bei Bedarf eine schnelle Ko-Finanzierung für Förderprogramme auf Bundes- oder EU-Ebene darzustellen. Bei der Umsetzung des Fonds muss nun sichergestellt werden, dass seine Mittel effizient und ausschließlich investiv verwendet werden“, sagt Dornseifer.
Er ist im Beirat des Transformationsfonds miteingebunden, hat also zumindest einen gewissen Einfluss darauf, wie das Geld Verwendung findet. „Gelingen kann der Strukturwandel insgesamt aber auch nur dann, wenn alle Unternehmen im Land gute Bedingungen vorfinden“, betont Dornseifer. „Und wenn sie Luft zum Investieren haben, statt übermäßige Lasten zu tragen. Die Gewerbesteuer muss endlich runter, saarländische Sonderlasten beseitigt werden. Gerade in einer Situation mit außergewöhnlich hohen Energiepreisen und noch immer gestörten Lieferketten ist das überlebensnotwendig für unsere Wirtschaft.“ Leider sei hier noch wenig Ambition zu erkennen, geschweige denn ein konkreter, konsistenter Plan zur Aufwertung des Standortes. Das gelte seiner Meinung nach auch für die dringend benötigten qualifizierten Nachwuchskräfte. „Das Land könnte und sollte sich hier noch stärker engagieren.“
Angesichts neuer Stellen, die die saarländische Landesregierung nach dem Wechsel von der Großen Koalition zur SPD-Regierung geschaffen hat, sieht Dornseifer ebenfalls Handlungsbedarf. Es sei „nichts zu sehen von einer kritischen Überprüfung von Verwaltungsstrukturen. Dabei können nur durch gezielte Personaleinsparung Ressourcen für Zukunftsaufgaben an anderer Stelle frei gemacht werden. Wo bleiben die Spareffekte durch Verwaltungsdigitalisierung? Und wann profitieren Bürger und Unternehmen von modernen digitalen Angeboten? Hier bleibt für die Landesregierung noch viel zu tun.“ Denn bislang ist die digitale Saar-Verwaltung kaum mehr als ein Papiertiger.
Hier finden zumindest Gespräche statt, wie man dies auch mithilfe der Belegschaft stemmen könnte. Dies sagt etwa Timo Ahr, stellvertretender Bezirksvorsitzender des Deutschen Gewerkschaftsbundes und gleichzeitig Abgeordneter der SPD im Landtag. Es „wird in den Schulen viel Geld in die Hand genommen, um auch dort didaktisch und zielgerichtet die Schülerinnen und Schüler für die Zukunft fit zu machen“, so Ahr. „Gerade bei KMUs muss das Thema Digitalisierung mitgedacht werden, um langfristig wettbewerbsfähig zu bleiben und somit die Jobs zu sichern. Weitere erste wichtige Ansätze werden im Bereich der Bürger*innen-Services erarbeitet, das ist kommunal- und gesellschaftspolitisch von großer Bedeutung.“
Digitalisierung und Fortbildung
Über das „Junge-Leute-Ticket“ zeigt sich Ahr erfreut, damit werde auch eine DGB-Forderung umgesetzt. „Im Bereich der Fortbildung begrüßen wir, dass das Arbeitsministerium das Thema Arbeitsmarkt unter Berücksichtigung der Transformation weiterentwickeln will“, so Ahr weiter. „Auch die aufgelegten Programme, um Frauen stärker und besser in Arbeit zu bringen, sind absolut zu begrüßen. Durch die vielfältigen Transformationsaktivitäten wie den Weiterbildungsverbund der Arbeitskammer und das Transformationsnetzwerk TraSaar wird dem Thema der Weiterbildung eine herausragende Rolle in Zeiten des Strukturwandels zugesprochen, was wir als DGB ebenfalls regelmäßig fordern. Das Weiterbildungsportal wird upgedatet. Das ist entscheidend, damit sich die Beschäftigten auch informieren können.“
All dies läuft nach Ansicht von Timo Ahr gut. Dennoch gibt es weiterhin Baustellen. Die aktuellste: die Novellierung des Saarländischen Personalvertretungsgesetzes. Der Gewerkschaftsbund will in den zentralen Bereichen Digitalisierung und Weiterbildung mehr mitbestimmten. Außerdem brauche es eine Ausbildungsplatzgarantie. „Obwohl es sich um ein Bundesthema handelt, muss es aus unserer Sicht auch eine saarländische Lösung geben“, vor allem angesichts des Fachkräftemangels, sagt Timo Ahr. Das Thema ist im Berliner Koalitionsvertrag bereits verankert, nun will der DGB dranbleiben, um diese Garantie zu verwirklichen. Wichtig für ihn sind weiterhin die Themen Energie und Wasserstoff, repräsentiert unter anderem in der neuen Wasserstoffagentur, die Wirtschaftsminister Jürgen Barke kürzlich vorstellte, und natürlich die drei Milliarden des Transformationsfonds – „ein Meilenstein“, der jetzt zügig umgesetzt werden sollte, so Ahr. Viel Lob also auch vonseiten des DGB, der in Gesprächen zum Personalvertretungsgesetz steht und dementsprechend zurückhaltend bleibt.
Ihren Transformationskurs hat die SPD zwar nicht erst seit der Regierungsübernahme im vergangenen Jahr eingeschlagen. Ob die großen Versprechungen jedoch fundiert sind und die Sozialdemokraten angesichts ihrer ersten Erfolge mit Strahlkraft geerdet bleiben, wird sich zeigen.