Durch die Biografie von Sängerin, Autorin und Komponistin Aino Laos ziehen sich immer wieder gemeinsame Projekte mit Frank Nimsgern. Im Gespräch erzählt sie von ihrer Mitarbeit an „Zauberflöte – Das Musical“ und was ihr künstlerischer Motor ist.
Als wir Aino Laos an einem Samstagmorgen treffen, sitzt sie bereits im Café. Und obwohl sie beim gemeinsamen Frühstück lachend sagt, dass es noch etwas zu früh sei, merkt man ihr bei Cappuccino und Pancakes keine Müdigkeit an – ganz im Gegenteil, voller Energie redet sie von ihren Überzeugungen, Ideen und Projekten. So wie etwa von ihrer aktuellsten Arbeit, nämlich für die Produktion „Zauberflöte – Das Musical“, für die sie in enger Zusammenarbeit mit Frank Nimsgern einige Songs und die Gesangstexte geschrieben und auch viele Titel auf der gerade erschienenen CD zur „Zauberflöte“ eingesungen hat. Das Stück, das vom künstlerischen Leiter des Festspielhauses Füssen Benjamin Sahler in Auftrag gegeben wurde, steht nun kurz vor seiner Uraufführung. Laos freut sich, gibt aber zu, dass sie zunächst Zweifel hatte: „Ich war am Anfang skeptisch, muss ich ehrlich sagen. Es ist eine große Nummer, ,Die Zauberflöte‘ zu machen.“ Aino Laos, die ihre Karriere als Sängerin mit markanter Rockstimme startete, blickt gerne hinter die Dinge und wenn sie sich für etwas entscheidet, dann richtig. Und sie entscheidet sich für das Musical „Zauberflöte“. Eine wichtige Voraussetzung für ihre Arbeit sei gewesen, „mit Herz und Seele einzutauchen“, wie sie sagt, um Handlung und Hintergründe des Originals zu verstehen und in eine moderne Version zu übersetzen.
„Das Stück ist sehr lustig. Es ist sehr konfus und sehr, sehr, sehr, sehr skurril, teilweise surrealistisch. Ein Stück, das einfach phantasievoll ist“, beschreibt sie das Original, dessen Handlung und Musik weltbekannt sind: Der junge Prinz Tamino wird von der rachsüchtigen Königin der Nacht entsandt, um ihre Tochter Pamina zu retten, die vom bösen Fürsten Zarastro entführt wurde. Mit dabei ist auch der Vogelfänger Papageno, der bei der Rettung helfen soll. Das Vorhaben ist mit allerlei Irrungen und Wirrungen verbunden, bis am Ende jeder bekommt, was ihm zusteht. Die Quintessenz fasst Laos zusammen: „In der ,Zauberflöte‘ geht es um Menschlichkeit. Es geht darum, Weisheit zu bekommen, Verantwortung zu tragen. Und dann geht es auch um Macht und Ruhm, die Eitelkeiten, die Elite. Das ist immer die alte Leier, auch heutzutage. Man hat die Diktatoren, die Reichen, die Besserwisser, die Gier und die Macht, die alles bestimmen“.
„Die Inszenierung wird bunt“
Tatsächlich sind die Themen der „Zauberflöte“ zeitlos. Wenn es nach Laos geht, muss man nur ein wenig hinter die Texte schauen, um einen modernen Bezug zu finden und herauszuarbeiten. „Ich wollte die Themen der Songs vertiefen oder ihnen eine andere Perspektive geben, sie vielleicht noch ein bisschen lustiger oder moderner machen oder die Botschaften noch mehr vertiefen. Ich stellte mir Fragen wie: Warum ist die Königin so verbittert und rachsüchtig? Was passiert mit Pamina und Tamino?“ Mögliche Antworten darauf hat sie in ihre Texte eingearbeitet. Allzu düster geht es, trotz der zugrundeliegenden großen Fragen von Menschlichkeit und Moral, in der Musicalshow nicht zu. Die Inszenierung von Benjamin Sahler, von dem auch die Dialoge stammen, werde insgesamt bunt und familienfreundlich sein, erzählt sie. Bereits die originale Oper „Die Zauberflöte“ ist ein lustiges Stück, das liege, so Laos, an den beiden Schöpfern. Dass die Musik von Wolfgang Amadeus Mozart stammt, ist die bekanntere Tatsache. Beim Librettisten Emanuel Schikaneder ist ein wenig mehr Hintergrundwissen gefragt. Schikaneder, der die Texte zu Mozarts „Zauberflöte“ schrieb, gilt auch heute noch als kreatives Multitalent und als humorvoller Zeitgenosse. Laos, die sich auch in die Entstehungsgeschichte vertieft hat, sagt: „Die beiden waren sehr bunt und sehr lustig!“ Nicht zuletzt dadurch ist der Erfolg der „Zauberflöte“ über Jahrhunderte zu erklären.
Das Duo, das 2024 für Musik und Songtexte zuständig ist, hat sein kreatives Potenzial bereits unter Beweis gestellt. Aino Laos und Frank Nimsgern arbeiten seit vielen Jahren zusammen, haben sich im Laufe der Zeit immer besser kennen gelernt. Den Auftakt ihrer Zusammenarbeit machte Frank Nimsgerns Musical „SnoWhite“ im Jahr 2000. Aino Laos kam nach Saarbrücken, um bei der Uraufführung in der Rolle der bösen Königin mitzuwirken. Wie sich herausstellte, ergab sich daraus eine perfekte Kombination aus Laos‘ energievoller Stimme und dem neuen, ungewöhnlich rockigen Stil von Nimsgerns Musicals – und auch was die künstlerischen Ideen anging, passte es hinter den Kulissen. Im Anschluss daran blieb Laos Saarbrücken treu. „So habe ich viele Jahre unter anderem mit Frank hier gearbeitet“, sagt sie. Über die Zusammenarbeit mit Frank Nimsgern berichtet sie: „Wir haben sofort gemerkt, dass wir eine musikalische Chemie haben. Wir verstehen uns musikalisch sehr gut und ergänzen uns.“ Auch ihr nicht unbedingt musicaltypischer Gesang und ihre Geschichte als Rocksängerin spielten dabei eine Rolle: „Ich habe eine gewisse Energie und Kraft beim Singen mitgebracht. Aber trotzdem konnte ich mich einfühlen in diese Welt von Schauspiel und Dramaturgie.“ Bei der Crossover-Oper „Arena“ wirkte Laos deshalb im Jahr 2004 sowohl bei der Entwicklung als auch als Darstellerin mit. Danach schrieben Frank Nimsgern und sie zusammen mit Heinz Rudolf Kunze das Musical „Poe“. Laos stand außerdem bei Nimsgerns Musical „Der Ring“ als Brunhild auf der Bühne, steuerte später auch zum Musical „Phantasma“ das Libretto und die Songtexte bei und schlüpfte gleichzeitig in eine Hauptrolle. Immer wieder standen die beiden in den vergangenen 20 Jahren auch für Konzerte oder Wiederaufnahmen zusammen auf der Bühne.
„Meine Vision war zu stark“
Anders als bei vorangegangenen Projekten mit Frank Nimsgern ist Aino Laos im Musical „Zauberflöte“, das demnächst in München und Füssen Premiere feiert, nicht als Darstellerin auf der Bühne. „Viele Leute erwarten, dass ich automatisch mitspiele, weil ich am Stück mitgeschrieben habe. Aber diesmal habe ich das Gefühl gehabt, dass es nicht angebracht war“, sagt sie. Dabei habe sie sich selbst durchaus als Königin der Nacht vorstellen können. Sie habe sich beim Schreiben sehr mit der Figur beschäftigt und mit dem, was sie bewegt. So hatte sie am Ende ein Bild von der Königin der Nacht: „Meine Vision war zu stark und sie trifft nicht hundertprozentig mit der von Herrn Sahler zusammen“, erklärt sie die Tatsache, dass sie nicht im Cast mitwirkt. Aber sie ergänzt: „Und das muss auch nicht sein, das ist nicht schlimm. Der Regisseur sollte es genauso machen, wie er sich das vorstellt. Ich habe meine Texte so gemacht, wie ich es mir vorstelle. Das ist ganz normal und manchmal ist es auch gut und vielleicht interessanter, wenn mehrere Ansichten zusammenkommen, dann wird es bunt. Ich freue mich sehr auf die Premiere in München. Ich bin dabei und ich fiebere mit dem ganzen Ensemble und der ganzen Crew.“
Als Künstlerin und Mensch war Aino Laos schon immer eine Person mit vielen Ideen und Interessen und voller Energie. In den späten 1960er-Jahren in Deutschland geboren, zog sie noch als Baby mit ihrer Familie nach England. Dort fasste sie als junge Frau mit außergewöhnlicher Stimmgewalt Fuß im Musikbusiness und kam irgendwann nach Deutschland. „Weil ich hier einen Plattenvertrag hatte mit Teldec Records in Hamburg“, erzählt sie. „Es war die Zeit Ende der 80er, Anfang der 90er. Wir waren eine Rockband, richtig mit großem Ziel, großen Haaren, Zähnen und Nägeln. Und ich habe mir meine Lungen ausgeschrien und wir haben ein Album gemacht. Und dann habe ich unseren Trommler geheiratet und bin in Deutschland geblieben.“ Auch nach der Trennung von ihrem Mann zog es sie nicht zurück nach England. „Ich hatte so viele Freunde hier und auch musikalisch gab es so viel mehr Möglichkeiten auf dem Festland-Europa. Nicht nur als Sängerin, auch als Schreiberin, als Lehrerin, als Produzentin.“ Schaut man sich ihr Portfolio an, sieht man den Werdegang einer vielseitigen, kreativen Person. Immer wieder stand und steht Aino Laos selbst auf der Bühne, ob als Frontfrau oder Gastsängerin und natürlich auch als Musicaldarstellerin. Sie arbeitet immer wieder als Produzentin und Gesangscoach. Und vor allen Dingen schreibt sie eigene Texte, Stücke und Songs. Mit ihrem Lebensgefährten, Theaterregisseur Elmar Ottenthal, brachte sie vor einigen Jahren unter anderem die großen Revuen „Falco Meets Mercury“ und „Big Bang Boom“ als Produzentin auf die Bühne. Ihr Fokus aber, sagt sie, liege im Moment auf kleineren Stücken. So arbeitet sie aktuell mit einem österreichischen Autor und einem Zeichner zusammen für ein animiertes Kinderstück zu Weihnachten, das vom ORF ausgestrahlt werden soll. Bei einem weiteren Stück, das gerade in Planung ist, handelt es sich um das Nibelungenlied als One Man Show, das Ende des Jahres auf die Bühne kommen soll.
Und auch für das nächste Jahr geht die Planung weiter. Mit Musicalsänger Darius Merstein-MacLeod hat Laos schon vor der Corona-Pandemie ein Stück geschrieben, das „Evolution?“ heißt. „Es ist ein Zwei-Personen-Stück. Gott trifft auf Darwin und sie haben einen ausführlichen Austausch darüber, was wichtiger ist: Wissenschaft oder Glauben. Aber es ist gut verdaulich und durch die Machart für jeden gut zu verstehen, besonders jüngere Menschen werden angesprochen. Es gibt keinen gehobenen Zeigefinger. Deswegen heißt es auch ,Evolution?‘ mit einem Fragezeichen, jeder kann sich selber ein Bild machen.“ Aino Laos selbst lebt als Daoistin. „Ich fand es deshalb sehr interessant, das Stück zu schreiben, weil ich meine andere Perspektive einbringen kann.“ Die Künstlerin betont, wie viel diese abwechslungsreiche Arbeit ihr bedeute. „Die Vielfalt ist für mich sehr wichtig. Nicht nur Texte schreiben, nicht nur komponieren, nicht nur singen, nicht nur darstellen. Ich mag alles gerne und das hält mich am Leben.“
Dabei geht es ihr nicht nur um die berufliche Auslastung, sondern auch um ihre persönliche Entwicklung. „Ich will verschiedene Menschen kennenlernen mit verschiedenen Ansichten. Das ist so wichtig!“
Ein Buch über ihren Kater geschrieben
Im Jahr 2019 hat sie sich mit ihrem Musikstudio im benachbarten Frankreich niedergelassen, wo sich seitdem ihre kreative Zentrale befindet. Das Saarland hat sie natürlich nicht ganz zurückgelassen, von ihrem Studio aus ist Saarbrücken nur einen Katzensprung entfernt. Und Katzensprung ist an dieser Stelle tatsächlich das richtige Stichwort. Denn ganz ungeplant hat sich ihr Wirkungskreis um einen Faktor erweitert. Ihr Studio befindet sich in einem Anwesen mit einem großen Gelände, gleich neben einem großen brachliegenden Industriegelände, das wie gemacht ist für streunende Katzen. Und so kam es, dass das in Internet-Memes gerne erwähnte „Cat Distribution System“ auch bei Aino Laos zuschlug, deren Interesse an Katzen bis dahin eigentlich nicht vorhanden war. „Ich war an Katzen nicht interessiert, wir hatten einen Hund“, sagt sie.
Mit einem weißen Kater, der auf ihrem Gelände auftauchte, fing alles an. „Plötzlich war diese weiße Katze im Garten. Sie hat uns ausgewählt und kam immer wieder. Und nur ein paar Wochen später kamen langsam, aber sicher alle Katzen aus Frankreich und dem Saarland zu uns gelaufen“, erzählt sie lachend. Ihrem weißen Kater, den sie Pootz nennt und der fortan bei ihr wohnt, widmet sie später sogar ein Buch, das auf Deutsch und Englisch erscheint. Auch die anderen wilden Katzen, die gekommen sind, sind geblieben oder kommen zumindest immer wieder. Aino Laos und ihr Partner kümmern sich mittlerweile intensiv um sie und vermitteln auch ab und zu eine der kleineren Katzen, die zutraulicher sind. Geplant war es nicht, aber mittlerweile hat Laos im Garten eine richtige „Cat Sanctuary“ gebaut. „Sie heißt Pussley Park, in Anlehnung an Paisley Park von Prince“, erzählt sie lachend. Demnächst soll auch eine Website online gehen, über die eine Neuauflage des Buchs über Pootz gekauft werden kann. Den Erlös will Laos in Katzenfutter oder Medikamente stecken. „Es geht uns nicht ums Geld, aber wer Futter spenden möchte, kann das gerne tun“, sagt sie.
Wir sind am Ende unseres Gesprächs angelangt, als der Kellner fragt, ob wir noch etwas essen wollen, das Buffet schließe gleich. Aus dem Morgen ist schnell ein Mittag geworden, Aino Laos hätte sicher noch bis zum Abendessen aus ihrem Leben erzählen können. Doch jetzt steht erst einmal die Premiere der „Zauberflöte“ vor der Tür. Laos freut sich darauf: „Es wird für alle Zuschauer auf jeden Fall ein Augenschmaus. Es wird kurzweilig, es wird bunt und ich glaube, das ist der Sinn der Sache. In diesen düsteren Zeiten brauchen wir ein bisschen Freude.“