Eintracht Frankfurt hat einen Transfersommer hinter sich, der ruhiger wirkte als in den Vorjahren. Zwischen „Hybrid-Strategie“, Kritik aus Mainz und verpassten Last-Minute-Deals zeigt sich: Der Club bleibt seiner Linie treu, passt sie aber den immer härteren Marktbedingungen an.
Wer in diesen Tagen mit Markus Krösche spricht, erlebt einen Mann, der die Dinge mit bemerkenswerter Gelassenheit betrachtet. Der Sportvorstand von Eintracht Frankfurt, seit 2021 im Amt, ist längst daran gewöhnt, dass rund um Transfers im Profifußball hitzig diskutiert wird – und dass seine Arbeit auch mal von außen kritisch beäugt wird. Zuletzt war es Christian Heidel, der Mainzer Macher, der per Boulevard-Steilvorlage den Finger hob und Frankfurt neben Leipzig und Leverkusen vorwarf, fast ausschließlich auf ausländische Spieler zu setzen. „Ob diese Entwicklung so gut ist, weiß ich nicht“, ließ Heidel wissen.
Krösche reagierte auf die Spitze kühl. Er verwies auf die Fakten: Jonathan Burkardt, Nationalstürmer aus Mainz, sei ein Deutscher, Michael Zetterer ebenso. Ritsu Doan habe zwar einen japanischen Pass, spiele aber seit Jahren in Deutschland. „Da habe ich mich schon gefragt, wie er auf die Aussage kommt“, kommentierte Krösche süffisant. „Es ist immer schwierig, wenn man sich zu Aktivitäten von anderen Vereinen äußert. Und in diesem Fall ist es faktisch falsch.“ Die Eintracht, die im Sommer Stammkräfte wie Kevin Trapp, Tuta und Hugo Ekitiké verlor, blieb im Gegenzug erstaunlich zurückhaltend. Gerade einmal drei gestandene Neuzugänge präsentierte Krösche: die bereits erwähnten Burkardt, Doan und Torwart Zetterer. „Wir wollten nicht so viel machen und sind uns damit treu geblieben“, betonte er mehrfach.
Natürlich habe man am Deadline Day noch Optionen geprüft, etwa den dänischen Stürmer William Osula von Newcastle United oder einen zentralen Sechser wie Sergi Altimira von Betis Sevilla. Beide Deals scheiterten. Doch Krösche stellte klar: „Das war eine Option, eine Möglichkeit, aber es hat sich nicht ergeben. Das ist aber kein Thema, das wir als problematisch erachten.“ Vielmehr legte er Wert darauf, nicht hektisch zu agieren. „Viel hilft nicht immer viel.“ Nur ein Spieler, der die Mannschaft wirklich „extrem weitergebracht hätte“, wäre noch verpflichtet worden. Auf der Sechser-Position, die in Frankfurt seit Jahren als Dauerbaustelle gilt, kam deshalb bewusst kein neuer Profi. Namen wie Wataru Endo, inzwischen beim FC Liverpool, waren schlicht nicht realistisch – sowohl sportlich als auch wirtschaftlich. Stattdessen betont Krösche: „Wir wollen auf gar keinen Fall die Entwicklung der jungen Spieler blockieren.“
Erbitterter Kampf um Talente
Damit wird auch schon der Kern von Krösches Philosophie deutlich: Eintracht Frankfurt versteht sich als Club, der Talente fördert, ihnen Verantwortung gibt und sie im Idealfall zu Stars reifen lässt. Beispiele der vergangenen Jahre gibt es zuhauf – von Luka Jović über Jesper Lindstrøm bis hin zu Hugo Larsson oder Randal Kolo Muani, der für 95 Millionen Euro nach Paris wechselte. Hugo Ekitiké und Omar Marmoush gelten quasi als Spitze dieser Entwicklung.
Doch die Bedingungen haben sich verändert. „Viele versuchen, die Toptalente früher vom Markt zu nehmen“, erklärt Krösche. Europäische Schwergewichte binden Hochbegabte längst in jungen Jahren mit langfristigen Verträgen und leihen sie zur Weiterentwicklung aus. Für Vereine wie die Eintracht wird es dadurch schwieriger, diese Spieler zu bekommen. Der Sportvorstand spricht offen von einem „hart umkämpften Markt“, härter als je zuvor.
Seine Antwort darauf heißt „Hybrid-Strategie“: ein zweigleisiges Vorgehen. „Auf der einen Seite das Rattenrennen mitgehen, gleichzeitig auf der anderen Seite früher dran sein, schneller sein, kreativer sein“, so Krösche. Damit meint er sowohl den Mut, bei verheißungsvollen Talenten rechtzeitig zuzuschlagen, als auch den klugen Griff zu Spielern, die bei größeren Clubs den Durchbruch nicht schaffen und dann bezahlbar werden.
Im Kader der Hessen finden sich genügend Spieler, die genau diesem Muster entsprechen. Nnamdi Collins kam von Borussia Dortmund, Can Uzun aus Nürnberg, Jean-Mattéo Bahoya aus Frankreich – allesamt junge Profis mit viel Potenzial, die in Frankfurt wachsen sollen. Parallel dazu holte man mit Doan, Burkardt und Zetterer Spieler, die schon Bundesliga-Erfahrung besitzen und sofort helfen können. „Wir haben von der Altersstruktur einen guten Mix gefunden“, sagt Krösche überzeugt.
Gerade der Transfer von Burkardt war für die Eintracht ein wichtiger Baustein. Nachdem klar war, dass Ekitiké nicht zu halten sein würde, legte sich die sportliche Leitung früh auf den Mainzer fest. Ein Wechsel, der nicht nur sportlich, sondern auch symbolisch Gewicht hat: Ein deutscher Nationalspieler entscheidet sich für Frankfurt – das ist in Zeiten des globalisierten Marktes keine Selbstverständlichkeit.
Auch der Wechsel von Ritsu Doan sorgte für Aufsehen. Der Japaner, der aus Freiburg kam, verzichtete auf ein Länderspiel gegen die USA, um sich schneller bei der Eintracht einzuarbeiten. „Das zeigt sein Commitment“, lobte Krösche. Doan gilt als flexibler Offensivspieler, der sowohl auf dem Flügel als auch zentral eingesetzt werden kann.
Eine zentrale Rolle in diesem Konstrukt spielt Trainer Dino Toppmöller. Er gilt als jemand, der den Mut hat, junge Spieler auch wirklich einzusetzen – und nicht nur als Perspektivlösung im Kader zu führen. „Dino kann die Entwicklung vorantreiben, er macht einen super Job“, lobte Krösche. An den ersten beiden Spieltagen stellte die Eintracht die jüngste Mannschaft der Bundesliga – ein klares Signal.
Der Sportvorstand betont zudem, dass man stets vorausplane, um Abgänge kompensieren zu können. Für jeden Spieler werde ein Profil erstellt: Welcher könnte wann gehen, und wer könnte ihn ersetzen? Das erleichtere die gezielte Suche nach Nachfolgern. So wurde Burkardt eben schon frühzeitig als Ekitiké-Nachfolger identifiziert.
Als Eintracht eine Marke geschaffen
Dass Heidel aus Mainz die Transferpolitik kritisierte, nimmt Krösche gelassen hin. Zwischen beiden Vereinen gab es in der Vergangenheit genug Reibungspunkte, ob beim geplatzten Wechsel von Nadiem Amiri oder beim Burkardt-Transfer. Krösche kontert: „Als Eintracht Frankfurt haben wir eine Marke geschaffen.“ Junge Spieler wüssten, dass sie hier Chancen bekämen – und nicht von erfahrenen Profis blockiert würden.
Tatsächlich hat die Eintracht in den vergangenen Jahren eine klare Identität aufgebaut: ambitioniert genug, um international regelmäßig mitzuspielen, aber gleichzeitig bodenständig genug, um nicht in finanziell riskante Abenteuer zu verfallen. Der Weg über Talente, die weiterentwickelt und später mit Gewinn verkauft werden, ist dabei ein wiederkehrendes Muster.
Der Sommer 2025/26 wirkt deshalb auf den ersten Blick unspektakulär. Keine spektakulären Last-Minute-Transfers, keine großen Summen. Doch genau das ist Teil der Strategie. Krösche wollte bewusst Kontinuität wahren, nachdem der Kader zuletzt mehrfach auf links gedreht wurde. Mit Burkardt, Doan und Zetterer kamen gezielt Verstärkungen, die das Gerüst sofort stabilisieren. Dass am Deadline-Day weder Osula noch Altimira verpflichtet wurden, ist für Frankfurt kein Drama. Stattdessen zeigt es, dass man nicht um jeden Preis handelt. Und dass man darauf vertraut, dass Spieler wie Hugo Larsson, Bahoya oder Uzun ihre nächsten Schritte gehen – vielleicht schon in dieser Saison.
Eintracht Frankfurt hat den Transfersommer nicht mit spektakulären Schlagzeilen dominiert. Doch hinter der Ruhe steckt System. Mit einer „Hybrid-Strategie“, die sowohl Erfahrung als auch Perspektive berücksichtigt, positioniert sich der Club für die kommenden Jahre. Es geht nicht darum, möglichst viele Namen zu präsentieren, sondern darum, die richtigen Spieler zu finden – und ihnen das Umfeld zu bieten, in dem sie aufblühen können. In einer Liga, in der der Konkurrenzdruck immer größer wird, bleibt Frankfurt so seiner Linie treu und setzt gleichzeitig neue Akzente. Oder, wie Markus Krösche sagt: „Wir müssen früher dran sein, schneller sein, kreativer sein.“ Die Eintracht hat begriffen, dass es im „Rattenrennen“ nicht nur auf Tempo, sondern auch auf Weitsicht ankommt.