Extremwettersituationen werden infolge des Klimawandels häufiger und heftiger. Im Katastrophenschutzzentrum Namborn ist jetzt ein Pilotprojekt für ein künftig landesweites Frühwarnsystem gestartet.

Nicht zuletzt durch die geplanten massiven Investitionen für die Bundeswehr konzentriert sich derzeit die Aufmerksamkeit darauf, wie Deutschland „kriegstüchtig“ beziehungsweise verteidigungstüchtig werden kann, und das möglichst schnell. Aber gleichzeitig muss sich das Land auch im Blick auf andere Bedrohungen „abwehrbereit“ machen. Es geht um die teilweise lebensbedrohlichen Folgen des Klimawandels.
Die extremen Hochwasserlagen der vergangenen Jahre waren allen Prognosen zufolge keine Einzelereignisse. Im Grunde gehen alle Experten davon aus, dass derartige Extremwetterlagen häufiger und heftiger werden. Entsprechend enorm sind die Herausforderungen, darauf vorbereitet zu sein. „Es geht darum, Menschenleben zu schützen“, betont Umweltministerin Berg in einer großen Halle des Katastrophenschutzzentrums in Namborn.
Die Wände sind gesäumt von Hochregalen, in denen akribisch beschriftet so ziemlich alles bevorratet ist, was im Katastrophenfall dringend für die ersten Einsatzmaßnahmen erforderlich ist, von Pumpen über Schutzanzüge bis hin zu Feldbetten. Auf dem gesamten Areal ist das Katastrophenschutzzentrum des Landkreises St. Wendel beheimatet, das in den vergangenen Jahren konsequent ausgebaut und ausgerüstet worden ist.
„Das erste seiner Art im Saarland, fachlich und technisch optimal aufgestellt“, sagt Landrat Udo Recktenwald mit etwas Stolz. Es ist die zentrale Anlaufstelle für alle Blaulichtorganisationen im Landkreis und als Teil des „Smart Cities“-Projekts in Sachen Digitalisierung des Katastrophenschutzes auch technisch auf aktuellstem Stand. Die Einrichtung (Mitte 2023) bezeichnet Landrat Recktenwald als „wichtigen Meilenstein, um die Sicherheitsarchitektur des Landeskreises weiterzuentwickeln“.
Erfahrungen gibt es reichlich in Sachen Unwetterkatastrophen, im Kreis selbst, aber auch über die Landesgrenze hinaus bei Unterstützungen im Ahrtal, in Bitburg oder Trier.
Mit dem Pfingsthochwasser im vergangenen Jahr ist einmal mehr deutlich geworden, „dass Starkregen- und Hochwasserereignisse zunehmen werden“, und „dass sich Städte und Gemeinden mit geeigneten Maßnahmen darauf einstellen müssen“, erläutert Umweltministerin Berg.
Möglichst frühe Einsatzplanung
An dieser Stelle kommt dann dem Standort Namborn eine zusätzliche Bedeutung zu. Unterstützung im Ernstfall ist das eine, das andere ist, „vor die Lage“ zu kommen. Konkret: ein Frühwarnsystem zu haben, mit dem Maßnahmen frühzeitig eingeleitet und ergriffen werden können. Weil sich solche Ereignisse erfahrungsgemäß nicht an Verwaltungsgrenzen halten, haben sich die Kreise St. Wendel, Neunkirchen und der Saarpfalz-Kreis (Homburg) für ein Pilotprojekt zusammengeschlossen: „Kligas“. Das steht für Klimagefahrenabwehrsystem Blies.
Die Blies schlängelt sich vom Quellgebiet an durch alle drei am Projekt beteiligten Pilotlandkreise. Naheliegend also, dass man gemeinsam ein Frühwarnsystem aufbauen will. „Beim Klimaschutz gibt es keinen Platz für Kirchturmdenken“, unterstreicht der Neunkircher Landrat Sören Meng. Die Idee von „Kligas“: In einer ersten Phase bauen die drei Kreise eigene Systeme auf. Mit einer eigenen Software werden vorhandene Daten wie etwa Niederschlagsmessungen, Pegel, Radardaten und Messdaten des Landesamtes für Umwelt- und Arbeitsschutz zusammengeführt. Bereits in der ersten Phase unterstützt das Team von Alpaslan Yörük, Professor für Wasserbau und Wasserwirtschaft an der HTW Saar, die Kreise. Yörük, der über Unsicherheiten bei der hydrodynamischen Modellierung von Überschwemmungsgebieten promoviert hat, will in der zweiten Phase von „Kligas“ ein völlig neuartiges Frühwarnsystem mithilfe von KI entwickeln. Das Besondere: Die KI soll nicht mit bereits erhobenen Messwerten aus den vielen Messstationen in den Kreisen trainiert werden, sondern zusätzlich mit simulierten Zahlen, in denen Änderungen durch den Klimawandel berücksichtigt werden sollen. Das soll dann ermöglichen, unterschiedliche Szenarien für die Entwicklungen bei Starkregen und Hochwasser zu entwickeln. Im Ernstfall sollen so realitätsnahe Prognosen frühzeitig möglich sein, die wiederum eine entsprechend frühzeitige Einsatzplanung ermöglichen. Wetterprognosen wie die des Deutschen Wetterdienstes, auf die man natürlich auch im Katastrophenschutzzentrum zugreift, sind in der Regel zu großflächig.

Zudem soll das System auch Elemente enthalten, die zeigen, wie sich eine konkrete Maßnahme an anderer Stelle auswirken würde. So kann etwa die Errichtung eines mobilen Hochwasserschutzes an einer anderen Stelle folgenschwere Effekte auslösen. Es soll also durch Simulation möglich sein, vorher einschätzen zu können, ob eine Maßnahme am Ende zu einer Verschlechterung der Situation führen könnte – oder eben erfolgreich ist.
Mit „Kligas“ soll zunächst das Frühwarnsystem für die Blies aufgebaut werden. Mit einem solchen System könnten künftig weitreichende Entscheidungen auf einer besseren Basis getroffen werden. Andreas Motsch, Geschäftsbereichsleiter Zentrale Steuerung, Sicherheit und Ordnung des Saarpfalz-Kreises macht das am sehr konkreten Beispiel des Pfingsthochwassers 2024 fest. Dort musste die Entscheidung getroffen werden, ob eine Senioreneinrichtung geräumt werden muss. Für solche Entscheidungen wäre ein Frühwarnsystem unter Einbeziehung lokaler Gegebenheiten eine enorme Hilfe. „Die Daten werden uns helfen, früher Schutzmaßnahmen zu ergreifen“, sagt Landrat Sören Meng stellvertretend für alle Beteiligten.
Zunächst ist „Kligas“ nur als Pilotprojekt angelegt, das Ziel ist allerdings, daraus ein landesweites Frühwarnsystem zu entwickeln, das künftig frühzeitige Einsatzentscheidungen ermöglichen soll.