Im April eröffnete die Enovos Renewables GmbH in der Südeifel einen der größten Solarparks in Deutschland. Die elf Standorte sind an ein gemeinsames Netz mit eigenem Umspannwerk angeschlossen. Die Geschäftsführer Marc André und Michael Göke über die Bedeutung des Großprojektes und darüber warum Zusammenarbeit und Kommunikation für die Energiewende unerlässlich sind.
Herr André, Herr Göke, vor wenigen Monaten haben Sie in der Südeifel einen der größten Solarparks Deutschlands eröffnet. Wie wichtig war dieser Schritt für Sie als Unternehmen?
André: Für uns war es wirklich ein sehr wichtiger Schritt, weil das Projekt für uns auch einen wichtigen Meilenstein darstellt. In der gesamten Unternehmensgruppe ist es mit über 200 MWp das bislang größte Photovoltaik(PV)-Projekt. Und es ist ja nicht nur aufgrund seiner Größe so besonders, sondern gerade auch aufgrund seiner Vielfältigkeit und Komplexität. Es handelt sich um ein großes PV-Projekt mit elf einzelnen Anlagen. Das Besondere ist, dass diese über eine gemeinsame Kabeltrasse von über 30 Kilometer verbunden sind. Dazu kommt ein eigenes Umspannwerk. Dass alles gehört komplett zum Park, ist also von uns komplett so entwickelt worden. Das macht es für uns so besonders.
Wie aufwendig war es, ein Projekt in der Größenordnung umzusetzen, gerade auch hinsichtlich dieser mehreren Standorte?
Göke: Gegenüber den meisten PV-Projekten, die wir ansonsten entwickeln und die sich auf ein oder zwei Standorte beschränken, war das mit Abstand das größte und aufwendigste Projekt mit der längsten Kabeltrasse, die wir je gebaut haben. Elf einzelne Standorte bedeuten auch elf einzelne Genehmigungsverfahren mit den unterschiedlichsten Vorgaben und Auflagen zum Natur- und Tierschutz wie auch zum Denkmalschutz. So wurden unter anderem die Flächen auf kulturhistorische Funde hin untersucht und an verschiedenen Standorten Rückstände des Westwalls aus dem 2. Weltkrieg gefunden und für die spätere Bebauung ausgenommen. Kampfmittelsondierungen der Flächen haben weitere Auflagen ergeben, so wurde unter anderem eine Weltkriegsbombe gefunden. Zur Sicherung der Flächen für die PV-Standorte und die Kabeltrasse wurden über 400 Verträge mit Grundstückseigentümern verhandelt und abgeschlossen, die erst einmal überzeugt werden mussten. Insofern war die Projektentwicklung für unser Team ein massiver Aufwand und Kraftakt und umso glücklicher sind wir, dass wir dieses Projekt ans Ziel gebracht haben.
André: Gerade die Netzinfrastruktur ist ein Alleinstellungsmerkmal dieses Projektes. Diese langen Kabeltrassen durch schwieriges Terrain in der Südeifel zu bauen inklusive dem Umspannwerk, war eine echte Herausforderung. Wir sprechen hier von circa 220 GWh pro Jahr an grünem, regionalem Strom, den wir dort produzieren. Das reicht theoretisch aus, um eine Großstadt wie Trier – also ungefähr 60.000 Haushalte – mit grünem Strom zu versorgen. Ein Großteil des produzierten Stroms wird an die Stadtwerke Trier und über Enovos in Form von langfristigen PPA-Verträgen an Industriekunden in Deutschland und Luxemburg geliefert.
Wie wichtig ist bei einem solchen Bauvorhaben die Vernetzung und der Austausch mit anderen Akteuren, aber auch mit den Bürgerinnen und Bürgern vor Ort?
Göke: Das Gelingen dieses Projektes beruht zum großen Teil auf der Nähe zu den Akteuren vor Ort. Das betrifft zum einen die Bürger selbst, die zum Teil auch Grundstückseigentümer waren, zum anderen kommunale Partner wie die Ortsgemeinden und die Verbandsgemeinde. Die Nähe, aber auch die Einbindung in das Projekt waren ein wesentlicher Erfolgsfaktor. In finanzieller Art, also die finanzielle Wertschöpfung vor Ort entstehen zu lassen, aber auch die Einbindung der regionalen Partner in alle Phasen des Projekts, also in der Projektentwicklung, aber auch wenn möglich im Bau und im späteren Betrieb. Das hat maßgeblich dazu beigetragen, dass das Projekt auf so große Akzeptanz gestoßen ist. In der Südeifel ist das Besondere, dass sich aus der Verbindung von über 40 Ortsgemeinden und der Verbandsgemeinde eine Anstalt des öffentlichen Rechts (AöR) gegründet hat, die heißt „Erneuerbare Energien Neuerburger Land AöR“. Die AöR und die dort engagierten Personen haben uns stellvertretend für die Orts- und Verbandsgemeinden maßgeblich auf dem Weg unterstützt. Gerade in der Schnittstelle zwischen uns und den lokalen Akteuren vor Ort. Neben der AöR hat besonders unser Team von Enovos, vertreten durch unsere 100-prozentige Tochtergesellschaft, die WES Green GmbH, die notwendigen Brücken zu den Grundstückseigentümern und Landwirten geschlagen. Da die WES Green in Föhren ansässig ist, sind sie regional stark mit den Menschen vor Ort verwurzelt.
André: Dass die Bürgerinnen und Bürger sich aktiv über die Bürgerenergiegenossenschaft Südeifel Strom eG beteiligen konnten, hat sich die Akzeptanz auch noch mal erhöht. Wir sind zudem aber auch sehr eng mit den Stadtwerken in unserer Region verbandelt. In der Südeifel sind das beispielsweise die Stadtwerke Trier, in denen wir einen vertrauensvollen Partner vor Ort haben.
Wie lange dauerte die Planungs- beziehungsweise Bauphase?
André: Anfang 2022 haben wir die Materialien für den Bau bestellt, aber rein was die Projektentwicklung angeht, kann man sagen, haben wir zwischen 2019 und 2020 begonnen. Wirklich konkret wurde es 2020, da haben wir die Projektidee, aus den einzelnen Bauprojekten ein großes zu machen, gemeinsam mit den Ortsgemeinden und der Verbandsgemeinde entwickelt.
Da hatten Sie zudem ja auch mit den Auswirkungen von Corona und dem Krieg in der Ukraine zu kämpfen… Stichwort Lieferketten.
André: Ja, der Zeitpunkt, an dem wir uns Gedanken über die Beschaffung der Materialien gemacht haben und wie wir das Projekt aufsetzen, fiel genau in den Zeitraum, in dem durch die Ukraine-Krise wesentliche Lieferketten zusammengebrochen sind. Auch die Corona-Situation hat weiterhin dazu geführt, dass auf dem Weltmarkt beispielsweise für die Beschaffung von PV-Modulen große Unsicherheiten bestand. Das war auch noch eine wesentliche Herausforderung in dem Projekt, der wir uns gestellt haben.
Wie reagieren Sie auf die Kritik, eine solche Anlage würde beispielsweise der Landwirtschaft wichtige Flächen wegnehmen?
Göke: Die Auswahl und die Genehmigung der Flächen unterlag bestimmten Kriterien, die von der Verbandsgemeinde festgelegt wurden. Bei diesem Kriterienkatalog wurden Belange aus Natur- und Umweltrecht, Raumordnung sowie der Landwirtschaft berücksichtigt. Flächen konnten nur genutzt werden, wenn es sich um ertragsschwache, ertragsarme Flächen gehandelt hat, mit niedrigen Ertragswerten, die für die landwirtschaftliche Nutzung nur wenig geeignet sind. Durch das Anpachten dieser Flächen von den Grundstückseigentümern, die zum großen Teil Landwirte sind, können diese zudem auch ein entsprechendes Nebeneinkommen erzielen. Insofern war die wirkliche Konkurrenz zu der Landwirtschaft aus unserer Sicht nicht gegeben, es handelte sich vielmehr um ein Miteinander.
André: Ich denke, dass wir durch die angesprochene Regionalität auch auf solche kritischen Fragen gut reagieren konnten. Sei es die Frage nach der landwirtschaftlichen Nutzung, aber auch, was mit den Bürgerinnen und Bürgern vor Ort ist, welchen Mehrwert sie von diesem Projekt haben.
An Ihren PV-Standorten setzen Sie auf Schafsbeweidung. Warum?
Göke: Aus ökologischen Aspekten hat die Schafbeweidung viele Vorteile und kommt der Biodiversität, die auf den Flächen entsteht, zugute. Es sieht also nicht nur schön aus, wenn da Schafe zwischen den Solarmodulen grasen, sondern es erfüllt auch einen guten Zweck. Dieser ökologische Mehrwert ist bei uns nicht nur eine Phrase. Darüber hinaus sind mit dem Bau weitere Auflagen verbunden, beispielsweise mit dem Anlegen von Ausgleichsflächen für Feldlerchen, dem Anlegen von Blühstreifen wie auch der Einbringung eines bestimmten regionalen Saatguts mit einem heimischen Kräuteranteil auf den Flächen. Zum anderen haben wir an jedem Standort in der Südeifel große Wildbienenhäuser errichtet, um dort auch die Wildbienen anzulocken und ihren Beitrag leisten zu lassen.
Generell konzentrieren Sie sich bei Ihren Projekten auf den Raum Rheinland-Pfalz/Saarland. Warum genau dort?
André: Es handelt sich um die Kernregion unserer Gruppe. Wir sind ja eine Gruppe mit Luxemburger Mutter und haben in unserer Strategie ganz klar festgelegt, dass wir hier in der Großregion einer der führenden Partner bei der Energiewende sein wollen. Regionalität ist gerade beim Thema Akzeptanz von erneuerbaren Energieprojekten ein ganz entscheidender Faktor. Und das haben wir auch erkannt. Deswegen wollen wir wirklich ganz bewusst sagen: Wir sind hier vor Ort, wir sind ein Unternehmen aus der Region, und wir werden hier in der Region aktiv sein. Das heißt aber nicht, dass wir nicht auch in anderen Regionen aktiv sind oder uns nicht ausweiten könnten und wollen.
Stichwort Energiewende: Wie weit ist Deutschland?
Göke: Ich denke durchaus weiter, als manch andere europäische Nachbarn. Aber gibt es noch viel zu tun. Der Ausbaupfad, den wir uns vorgenommen haben, ist sehr ambitioniert und es gibt noch sehr viele Steine aus dem Weg zu räumen, bis wir die Ziele, die beispielsweise für 2030 gesteckt worden sind, erreichen werden. Das betrifft bei den Erneuerbaren-Themen insbesondere den Netzausbau sowie die Komplexität und Dauer der Genehmigungsverfahren. Dort könnte vieles einfacher und schneller laufen.
André: Man kann es ja auch an Zahlen festmachen: Wir wollen bis 2030 80 Prozent des Bruttostromverbrauchs aus erneuerbaren Energien gewinnen. Das bedeutet, bis 2030 wollen wir das Zwei- bis Dreifache von heute an PV am Netz haben, bei der Windkraft das Doppelte. Da liegt noch ein weiter Weg vor uns.
Rheinland-Pfalz verfolgt sogar das Ziel, bis 2030 100 Prozent des Bruttostromverbrauchs aus Erneuerbaren Energien zu gewinnen. Wird dazu auch die Enovos einen weiteren Teil beitragen?
André: Sicherlich. Wie eben gesagt, Rheinland-Pfalz und das Saarland sind klar unsere Kernregion. Unsere Pipeline an PV-Projekten, aber auch an Wind-Projekten ist mit über 1 GWp an Erneuerbaren-Anlagen gut gefüllt – gerade auch in Rheinland-Pfalz.
Wo Sie es bereits ansprechen: Neben PV unterhalten Sie auch mehrere Windparks. Wie wichtig ist es, in Sachen Energie mehrgleisig zu denken?
André: Das ist natürlich wichtig für uns. Wir fokussieren uns als Unternehmen auf den Bereich PV- und Windanlagen. Photovoltaik, sowohl was die Freiflächen angeht, als auch mit einer gemeinsamen Gesellschaft mit der OBG, der Libertas Energy, im Bereich Aufdachanlagen. Natürlich muss man den Bereich der Erneuerbaren aber noch deutlich weiter fassen. Da spielt letzten Endes dann natürlich auch das Thema Wasserstoff eine entscheidende Rolle.
Göke: Notwendig für eine erfolgreiche Energiewende sind Anstrengungen in verschiedenen Erzeugungsformen. Neben der Freiflächensolar, Windkraft und Wasserstoff sind ebenso all die Initiativen von Privatpersonen oder Gewerbetreibenden wichtig, bei denen auf Privat- und Gewerbedächern oder auf Parkplätzen Solaranlagen errichtet werden. Ebenfalls entscheidend hierfür sind die Netze, die den produzierten Strom aufnehmen und intelligent verteilen.
Denken wir in die Zukunft: Wie sieht Ihre Vision einer idealen Energiewirtschaft in den nächsten zehn, zwanzig Jahren aus?
André: Ideale Version der Energiewirtschaft? Schwierige Frage… Was eine große Herausforderung sein wird auf dem Weg zu einer idealen Energiewirtschaft, ist zum einen der Zubau, darüber haben wir gesprochen, aber zum anderen, diesen auch intelligent zu gestalten. Wir haben im Moment die Situation, dass wir an Wochenenden eine Überschussproduktion an grüner Energie haben, was auch zu negativen Marktpreisen führt. Und da müssen wir es schaffen, durch einen Mix aus zentraler und dezentraler Erzeugung aus erneuerbaren Energien, mit entsprechenden Speicherkonzepten, mit intelligenten Netzen, mit intelligenten Verbrauchssteuerungen, dahin zu kommen, dass das Ganze möglichst austariert wird. Dass Überschuss und Nachfrage möglichst deckungsgleich rein aus Erneuerbaren Energien gefahren werden können und wir deutliche Fortschritte auch hinsichtlich der Energieeffizienz realisiert haben werden.