Wer strategisch geschickt vorgeht, hat im Gesellschaftsspiel die besten Chancen. Ähnlich läuft es bei der Anpassung an den Klimawandel: Wer besonders effizient und ressourcensparend plant, gewinnt.
Alles, was mit Bauen zu tun hat, lässt sich heutzutage sinnvoll mit Daten, Software und auch Künstlicher Intelligenz abbilden – sogar mehrdimensional und materialsparend. „Ein digitaler Zwilling aller Bauwerke oder digitale Gebäude- und Materialkataster müssen selbstverständlich werden. Hier gibt es noch viel zu viel ungenutztes Potenzial“, sagt der Präsident der Bayerischen Ingenieurekammer-Bau, Prof. Dr. Norbert Gebbeken.
Unser Weg außer Haus führt an vielen Projekten zugunsten eines positiven Klima-Lifestyles vorbei. Das Sandwich auf dem Weg zur Arbeit schmeckt gleich viel besser, wenn Sonnenstrahlen den Imbissstand mit der notwendigen Energie versorgen und das E-Bike umweltfreundlich lädt. Die Photovoltaik-Pioniere sind für solche Vorbildlösungen bereits am Werk. Am Bayerischen Zentrum für Angewandte Energieforschung (ZAE Bayern) in Garching wird erprobt, was „Organische Photovoltaik“ (OPV) an einem Demonstrator-Fahrradhäuschen vermag, bevor der Unterstand beim Forschungsprojekt „InEs“ auf dem Winterling-Areal in Schwarzenbach an der Saale zum Einsatz kommt.
Bis in die 1990er Jahre hinein wurde im Schwarzenbacher Gewerbeareal Porzellan produziert. Zartes Winterling-Geschirr ist mit seinen blauen Romantik-Blumen in fast jedem Haushalt zu finden. An einem der einstmals vier Standorte plant ein Projekt-Konsortium aus vier Verbundpartnern jetzt ein Energieversorgungssystem für das gewerbliche Quartier im Wandel.
Fahrradhäuschen mit Lademöglichkeiten symbolisieren die Verbindung von Tradition und Transformation. Das organische Material für Zellen in der Hülle der Garage basiert auf Kohlenwasserstoffverbindungen im Gegensatz zu anorganischer Silizium-Photovoltaik. Blütenblätter sind hier in den Seitenteilen der sehr dünnen Elemente zu sehen, die miteinander verschaltet und zwischen einer Folie vor Nässe geschützt sind.
In der Fahrradgarage, die grüne Energiesparpotenziale aus dem Schatten ins Licht rücken soll, können vier E-Bikes geparkt werden. So berichtet Gloria Streib, Projektleiterin beim Forschungsprojekt InEs, auf Nachfrage. Die installierte organische Photovoltaik produziere laut Simulation etwa 220 Kilowattstunden Strom pro Jahr. Ein E-Bike-Akku hat eine Kapazität von etwa 0,5 Kilowattstunden. In den Sommermonaten könnten zwei Akkus täglich mit Energie aus den „Blütenblättern“ und der Hülle der Fahrrad-Garage vollgeladen werden.
In Garching wird aktuell in der Praxis getestet, wie mit der Organischen Photovoltaik des Demonstrators Energie erzeugt und später auch am Winterling-Areal genutzt werden kann. „Da die Räder je nach Fahrtstrecke meist nicht komplett leer ankommen, sondern teilweise weniger als die Hälfte an Akkukapazität verbraucht wird, können in der Regel alle vier E-Bikes versorgt werden“, erzählt die Diplom-Ingenieurin. In den Wintermonaten seien bei weniger solarer Einstrahlung auch die Erträge deutlich geringer und es könne dementsprechend weniger geladen werden.
Bei der Überdachung des „Brotzeithauses“ für das grün werdende, ehemalige Winterling-Werksareal gebe es aktuell nur Simulationen. „Das Dach wurde bisher nicht gebaut, da das ‚Brotzeithaus‘ noch nicht saniert ist“, berichtet Streib. Das sei fürs Folgeprojekt angedacht. Der Vorteil der Organischen Photovoltaik sei, dass sich die Folien stark biegen lassen und damit auch Flächen genutzt werden können, die mit Silizium-Photovoltaik nicht belegt werden könnten. Die Simulation des OPV-Imbisstandes ergibt, der Projektleiterin zufolge, bei einer Fläche von 55 Quadratmetern – mit einer Belegung durch OPV-Zellen von 70 Prozent – eine Leistung von 1,7 Kilowatt-Peak und einen Jahresertrag von 2.030 Kilowattstunden. Das sei weit unter den Erträgen von Silizium-Photovoltaik-Modulen. Jedoch befinde sich die OPV noch im Forschungsstadium.
Wirksame kleinteilige Maßnahmen
Für das InEs-Projekt wird es eine Rolle spielen, ob das „Brotzeithaus“ nur belegte Semmeln und andere kalte Speisen verkaufen will. Denn dann wäre der Stromverbrauch relativ gering. „Handelt es sich jedoch um einen Imbiss, der Currywurst, Pommes frites und Ähnliches anbietet, werden hohe Leistungen für die Nutzung von Heizplatten und Fritteusen benötigt, die ausschließlich elektrisch betrieben werden“, sagt Streib. Dann könnte es sein, dass die Organische Photovoltaik nur etwa ein Neuntel der benötigten Energie liefert. „Da es sich jedoch um ein Forschungsprojekt handelt, bei dem auch neue Technologien ausprobiert und der Öffentlichkeit gezeigt werden sollen, geht es in unserem Ansatz nicht um einen möglichst hohen Autarkiegrad beim Imbiss“, erklärt die Projektleiterin.
Es geht um das, was geht. Den Mietern und Besuchern des Areals solle durch verschiedene Technologien anschaulich gemacht werden, dass am und im Gebäude ein hoher Anteil erneuerbarer Energien produziert und genutzt werde. „Nicht alles davon ist sichtbar“, betont Streib und nennt als Beispiele Photovoltaik auf hohen, von unten schlecht einsehbaren Dächern und einen großen Wärmespeicher im Keller. „Daher soll es an der ein oder anderen gut sichtbaren Stelle innovative Technologien geben, die auch zukünftige Möglichkeiten der Energieerzeugung aufzeigen. Zum Beispiel Organische Photovoltaik auf einer Fahrradgarage und einer Imbissüberdachung sowie eine Kleinwindkraftanlage auf einem Schornstein“, sagt Streib. Ein Zwischenbericht zum Forschungsprojekt InEs bilanziert, dass auch im gewerblichen Bereich die Sanierung von bestehenden Gebäuden ökobilanziell gegenüber Neubauten sinnvoll sei.
Verlassen wir den Süden Deutschlands. Ein bisschen Spaß darf sein, wenn wir uns der Umwelt zuliebe umstellen. Brandenburg an der Havel ist mit dem Modellvorhaben „Let’s play Klimaanpassung“ beim zweiten Durchgang der Landesinitiative „Meine Stadt der Zukunft“ vertreten. In der Projektbeschreibung heißt es dazu: „In einem digitalen und analogen Beteiligungsprozess wird am Beispiel der Bauhofstraße im Stadtumbaugebiet der gründerzeitlichen Bahnhofvorstadt die klimaangepasste Gestaltung des öffentlichen Raumes in einer Art Reallabor mit kleinteiligen Maßnahmen erprobt.“ Könnte solch spielerisch inszenierte Klimaanpassung zum Vorbild für andere Städte und Gemeinden werden?
„Die von Ihnen angesprochenen, kleinteiligen, klimaanpassenden Maßnahmen werden im knapp zweijährigen Prozess zusammen mit den beteiligten Bürgerinnen und Bürgern und dem Expertenrat gefunden“, sagt Anja Boden von der Stadtentwicklung Brandenburg dazu. „Im besten Fall“ sollen die Transformationsaktionen übertragbar auf das gesamte Stadtgebiet und weitere Kommunen sein. „Wir erhoffen uns vom spielerischen Ansatz insbesondere eine hohe Akzeptanz und Motivation für klimaanpassende Maßnahmen im Stadtraum“, erklärt Boden. „Hierfür haben wir die Idee einer Simulation des Straßenraums der Zukunft unter Einbeziehung verschiedener äußerer Faktoren entwickelt, von der wir uns erhoffen, dass sie ansprechend, zielgruppenspezifisch nutzbar und während der Laufzeit des Modellvorhabens umsetzbar sein wird.“
Wie in einem digitalen Online-Game sollen die realen Stadtbewohner „verschiedenste, klimaanpassende Elemente der Stadtgestaltung“ in einer webbasierten, frei zugänglichen und intuitiv nutzbaren Simulation der südlichen Bauhofstraße „aus verschiedenen räumlichen und Nutzergruppenperspektiven und unter verschiedenen äußeren Einflüssen“ einsetzen.
Mit Bezug zu ihrer Lebenswirklichkeit. „Im Ergebnis sollen die klimapositiven Auswirkungen ihres Einsatzes möglichst plausibel einzeln und in Summe dargestellt und berechnet werden“, sagt die Stadtplanerin. Schließlich hinterlassen Veränderungen im Klima-Lifestyle nachvollziehbare Spuren. Auch wenn man sie zunächst ganz spielerisch angeht.