Die Klimamaßnahmen der Bundesregierung sind grundsätzlich richtig, aber wir müssen aufpassen, dass die mittelständischen Unternehmen nicht überfordert werden, sagt Esra Limbacher, mittelstandspolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion.
Herr Limbacher, seit wann ist denn die SPD eine Mittelstandspartei?
Mittelstandsfragen sind für mich absolut eine sozialdemokratische Angelegenheit. Sie dürfen nicht vergessen: Mittelstand sind wir unter dem Strich alle. Es sind die kleinen Unternehmer zum Beispiel im Handwerk, die Arbeitsplätze in Deutschland schaffen. Während meiner Schulzeit habe ich immer am Wochenende in meinem saarländischen Heimatort Limbach in einer Bäckerei gearbeitet und dort aus nächster Nähe gesehen, wie wichtig so ein kleiner Handwerksbetrieb ist. Das schafft Arbeitsplätze vor Ort. Dazu muss man wissen, dass 99 Prozent der Unternehmen in Deutschland kleine und mittelständische Unternehmen sind. Über 60 Prozent der Menschen arbeiten in diesen Betrieben. Damit ist der Mittelstand in Deutschland einer der wichtigsten Arbeitgeber. Deswegen schauen wir Sozialdemokraten so genau auf den Mittelstand.
Das sind ja in der Mehrzahl Familienbetriebe, die gerade ganz schön unter den Belastungen ächzen.
Genau das ist der Punkt. Was wir feststellen ist, dass es ausgerechnet die kleinen Familienbetriebe sind, die immer mehr in Bedrängnis geraten. Es sind immer mehr Familienbetriebe, die sich dafür entscheiden, nicht weiterzumachen, und das hat dann extreme Auswirkungen in den kleinen Städten und den Gemeinden auf das soziale Umfeld. Darum ist der Schutz dieser mittelständischen Betriebe so wichtig und damit, wie gesagt, ein absolut sozialdemokratisches Thema.
Werden Sie denn in ihrer Bundestagsfraktion mit Ihrem Anliegen gehört? Die SPD steht ja eigentlich für Arbeitnehmer und nicht Unternehmer, wie klein sie auch sein mögen.
Natürlich werde ich in meiner Fraktion gehört, denn meine Kolleginnen und Kollegen kommen ja in der Mehrheit ebenfalls aus dem ländlichen Raum und wissen, wie wichtig der örtliche Friseur, der Bäcker, Installateur oder Malermeister für den Ort ist. Das ist uns Sozialdemokraten allen bewusst. Ohne Mittelstand geht gar nichts, und darum wissen wir auch, dass es so nicht weitergeht, wie das sich derzeit in einigen Bereichen abzeichnet.
In welchen Bereichen?
Na, das fängt bei der bezahlbaren Energie an. Seit über einem Jahr diskutieren wir über bezahlbare Stromkosten. Das ist eine ganz eklatante Frage nicht nur für die großen, sondern gerade für die kleinen, mittelständischen Unternehmen. Ich hatte ja bereits erwähnt, dass ich in meiner Schulzeit in einer Bäckerei gearbeitet habe. So ein Betrieb ist unglaublich energieintensiv. Ein Bäckermeister kann die gestiegenen Stromkosten nicht eins zu eins an die Kunden über die Preise weitergeben. Darum ist es so wichtig, dass momentan über einen Deckel für Industriestrom diskutiert wird. Das hat Ministerpräsidentin Anke Rehlinger auch schon im Bundesrat als Gesetzesinitiative eingebracht. Das ist aber nicht nur eine saarländische Initiative, sondern das geht auch alle anderen Bundesländer an. Und die Zustimmung ist groß.
Wenn ich es richtig verstanden habe, soll dieser Industriestromdeckel aber eigentlich nur für die großen Betriebe gelten?
Das ist noch absolut in der Diskussion, aber für mich ist klar, so ein Strompreisdeckel für Industriebetriebe muss auch dringend für den Mittelstand, für zum Beispiel den Bäckermeister gelten. Das ist der Mittelstand, der einen Großteil der Arbeitsplätze in Deutschland schafft, und das darf man immer nicht unterschätzen. Darum finde ich den Vorschlag von Wirtschaftsminister Habeck gut, den Industriestrom auf sechs Cent pro Kilowattstunde zu begrenzen. Doch dieser Deckel muss, wie gesagt, auch für die kleinen Unternehmen gelten.
Diesem Industriestromdeckel hat ja nun ausgerechnet Bundesfinanzminister Christian Lindner eine Absage erteilt. Der FDP-Chef als Sprachrohr der Mittelständler will seine Klientel nicht entlasten?
Nein, und da fehlt mir dann jedes Verständnis. Ich verstehe beim besten Willen nicht, warum sich nun ausgerechnet die FDP gegen den Deckel für Industriestrom ausspricht. Das ist mit Verlaub wirtschaftsfeindlich, so deutlich muss man das sagen, und das verhindert eine Debatte darüber, wie wir in Zukunft überhaupt wettbewerbsfähig bleiben wollen, denn um nichts anderes geht es in dieser Frage.
Sehen Sie die Gefahr, dass immer mehr Unternehmen mit ihrer Produktion noch massiver ins Ausland abwandern?
Ich sehe nicht nur die Gefahr, sondern es ist mittlerweile Fakt, dass Unternehmen ihre Produktion ins Ausland verlagern, weil es dort aufgrund der Strompreise lukrativer ist zu arbeiten. Da sind größere Chemieunternehmen, die sagen klipp und klar: Ich mach meine Arbeit weiter, aber nicht in Deutschland. Sondern die gehen dann lieber zum Beispiel in die USA, weil es dort wesentlich preiswerter ist, ihre Produkte herzustellen.
Da heißt es aber selbst bei den Linken in der SPD, damit würden die Industriekonzerne subventioniert?
Nein, darum geht es doch nicht. Sondern es geht hier in erster Linie um Arbeitsplätze, die durch solche Abwanderungen in Deutschland verschwinden. Das ist eine soziale Frage. Ist die Produktion in Deutschland aufgrund der hohen Energiepreise zu teuer, dann gehen die Unternehmen woanders hin.
Ein erheblicher Kostenpunkt ist mittlerweile der Strom und zwar bei den kleinen, aber auch bei den großen Unternehmen. Doch der örtliche Handwerksbetrieb kann nicht einfach in die USA gehen, aber die Großen können dies und machen es auch.
Aus Ihrer Sicht des mittelstandspolitischen Sprechers der SPD verstehe ich Ihren Standpunkt. Doch Industriestrom für 6 Cent und die privaten Verbraucher sollen 40 zahlen – das muss doch für Sie als Sozialdemokrat eine Zumutung sein?
Eine Zumutung wäre es für mich zudem, wenn wir aufgrund des hohen Strompreises zukünftig viele Arbeitsplätze verlieren würden. Damit ist dann niemandem geholfen. Allein im Saarland haben wir über 40.000 Arbeitsplätze im Bereich der Automobil-Zulieferindustrie. Diese Arbeitsplätze sind hochgradig gefährdet, auch wegen der hohen Energiekosten. Darum kämpfen wir im ersten Schritt für den Erhalt der Arbeitsplätze, und dann darum, dass die Energiepreise auch für die privaten Verbraucher runtergehen. So ergibt es für mich als Sozialdemokrat Sinn.
Strompreis ist das eine, das Gebäudeenergiegesetz das andere. Ihre Heimat Saarland hat die höchste Eigenheimdichte Deutschlands, da wird es ja für Sie auch reichlich eng – im Saarland wird zu 50 Prozent mit Öl geheizt.
Mein Grundsatz ist da ganz klar. Wenn es um den Austausch der Heizungen geht, ist ein Faktor entscheidend: Können das die Personen, die davon betroffen sind, auch wirklich bezahlen? Ich habe da an vielen Stellen meine Zweifel, dass dieses Gesetz wirklich gut durchdacht ist. Ich werde das Gesetz so, wie es derzeit vorliegt, auch nicht mittragen. Die soziale Komponente ist für mich entscheidend. Man kann nicht, wie im Beispiel Saarland, 50 Prozent der Eigenheimbesitzer sagen, ihr müsst eure Heizung austauschen. Das funktioniert nicht. Das gilt übrigens auch für die Benutzer von Holz- und Pellet-Heizungen. Auch da gibt es eine Bundestagsinitiative der SPD, Holz und Pellets als erneuerbare Energieträger zu kennzeichnen, um somit ein Verbot zu umgehen.