Robert De Niro spielt in „The Alto Knights“ gleich zwei New Yorker Mobster-Bosse. Diese Doppelrolle ist eine faszinierende Power-Performance.

Der „Alto Knights Social Club“ in Little Italy war viele Jahre lang das Hauptquartier von fünf New Yorker Cosa-Nostra-Familien, darunter auch für die von Vito Genovese und Frank Costello (beide gespielt von Robert De Niro). Seit ihrer Jugend befreundet, stiegen Vito und Frank durch Drogenhandel, Prostitution, Alkoholschmuggel und Glücksspiel im Laufe der Jahre zu mächtigen Bossen der Mafia-Clans auf. Als Vito ins Gefängnis musste, gab er die Herrschaft über die New Yorker Mafia-Familien an Frank ab. Frank machte seinen neuen Job ausgesprochen gut. Statt wie Vito mit brutaler Gewalt die Interessen der Mafia-Familien durchzusetzen, korrumpierte er Politiker, Staatsanwälte und Geschäftsmänner durch Bestechung und machte sie mit kleinen Gefälligkeiten gefügig.
Als Vito aus dem Gefängnis entlassen wird, will er nicht nur wieder der Oberboss sein, sondern auch noch ein viel größeres Stück des Kuchens für sich haben. Beim Treffen in einem Candy-Store erklärt ihm Frank in aller Ruhe, dass sich die Zeiten geändert haben und man die Geschäfte nun eher im Stillen abwickelt. Vito ist damit gar nicht einverstanden. Er fühlt sich übervorteilt und von Frank hintergangen. Schon von jeher für sein aufbrausendes Temperament berüchtigt, beschließt Vito, seinen Rivalen aus dem Weg zu räumen und gibt einen Mord in Auftrag. Zum Glück wird Frank bei dem Mordanschlag nur leicht von einer Kugel am Kopf getroffen. Es ist der 2. Mai 1957.
Den Rivalen aus dem Weg räumen
Mit diesem verpatzen Attentat beginnt Regie-Altmeister Barry Levinson („Rain Man“) seinen Film „The Alto Knights“, der auf wahren Begebenheiten beruht. Immer wieder mischt Levinson Archivaufnahmen in die fortlaufende Handlung und gibt so der Story ein semi-dokumentarisches Flair. Hilfreich für das Verständnis des Films ist auch, dass Robert De Niro (als Frank Costello) gelegentlich aus dem Off die Zusammenhänge und Hintergründe dieses blutigen Bandenkrieges erklärt. Auch das Verhältnis von Frank zu seiner Ehefrau Bobbie (Debra Messing, die Grace aus der TV-Sitcom „Will & Grace“), die er aufrichtig liebt und die sehr viel Einfluss auf ihn hat. Sie ist es auch, die ihn dazu bewegt, endlich aus dem ungesunden Mafia-Business auszusteigen. Und da Vito das sicher nicht zulassen würde, stellt ihm Frank eine Falle …

Barry Levinson lässt sich, ganz im Stil klassischer Gangster-Movies, viel Zeit, bis es zum großen Showdown kommt. Und zeigt dann auch – ganz en passant – wie der Niedergang der US-amerikanischen Mafia eingeläutet wird. Das Drehbuch zu „The Alto Knights“ schrieb Nicholas Pileggi, der schon für Martin Scorsese die Vorlage zu „GoodFellas“ und „Casino“ lieferte. Pileggi stellt bei seinen Geschichten nicht das Morden und Erpressen in den Vordergrund, sondern liefert immer ein aufschlussreiches Psychogramm seiner Protagonisten. So ist auch „The Alto Knights“ viel mehr als „nur“ ein Krimi über das organisierte Verbrechen. Es ist vielmehr eine Geschichte über Größenwahn und Gier, Freundschaft und Verrat, Missgunst und Neid. Und darüber, dass ein Cosa-Nostra-Boss wie Frank Costello es tatsächlich geschafft hat, aus der Mafia auszusteigen. Und zwar ohne eine Kugel im Kopf.
Vertrautes Genre-Terrain für De Niro

Natürlich ist Robert De Niro mit Mafia-Gangster-Rollen längst vertraut. Im Laufe seiner Karriere hat er sie mehrfach eindrucksvoll dargestellt; man denke nur an ihn als Al Capone in „The Untouchables – Die Unbestechlichen“. Diesmal konnte er mit seiner Doppelrolle dem Mobster-Topos noch weitere Facetten hinzufügen. „Besonders den heißblütigen Vito zu spielen, der bei jeder Gelegenheit zu explodieren scheint, habe ich sehr genossen. Frank hingegen ist da viel introvertierter und meinem wahren Ich viel näher“, sagte De Niro bei der Europapremiere des Films in London. Für De Niro war es auch alles andere als einfach, sich in beide Figuren hineinzuversetzen. Um das richtige Gefühl dafür zu bekommen, hat er einen Schauspieler gebeten, den jeweils anderen zu spielen und ihm nicht nur Stichworte zuzurufen. De Niro spielt diese beiden so unterschiedlichen Charaktere schlicht virtuos. Selten hat man ihn in den vergangenen Jahren besser gesehen. Und wie brillant Barry Levinson ihn dabei in Szene setzt, kann man vor allem dann bestaunen, wenn Vito und Frank gemeinsam auf der Leinwand zu sehen sind. Stimmig auch das Ambiente, die Ausstattung, die Kleidung und nicht zuletzt die Luxusschlitten. Vom ersten Bild an wird der Zuschauer ins New York der 50er-Jahre gezogen.
Wer Filme über die „Wiseguys“ schätzt, aber auch TV-Serien wie „The Sopranos“ oder „Boardwalk Empire“, wird von „The Alto Knights“ begeistert sein. Robert De Niro dürfte damit seine nächste Oscar-Nominierung schon so gut wie in der Tasche haben.