Die 14. HfM-Woche der Kammermusik findet von 2. bis 5. Juni statt. Studierende musizieren mit Künstlern, Dozenten und Professoren gemeinsam. Professorin Tatevik Mokatsian organisiert die hochkarätige Konzertreihe.
Frau Professor Mokatsian, das diesjährige Motto der HfM-Woche der Kammermusik heißt „Lichtblicke“. Lässt sich daraus ableiten, dass die Musikstücke heiter-hell sein werden?
Nicht unbedingt, aber es gibt einen gewissen programmatischen Punkt, nämlich den, dass in spannungsvollen Zeiten die erhellende und befreiende Kraft der Musik besonders wichtig ist. Die Umwandlung von Dunklem zu Licht geschieht sowohl symbolisch als auch klanglich in der Musik. Durch das gesamte bunte Spektrum der Konzertprogramme wird diese Symbolik projiziert. Wir haben im Programm dazu einige Werke, vor allem Schönbergs Streichsextett „Verklärte Nacht“.
Das Gedicht von Dehmel wählte Schönberg als Inspiration.
Es beschreibt, wie man in düsterer Nacht den erhellenden Himmel aufziehen sieht. Das ist eine Metapher, die wir für unser Motto darin sehen. Schönbergs Streich-sextett gehört zu den berühmtesten Werken seiner Gattung. Das leuchtende langsame Ende des Werkes lässt uns musikalische Momente wie Lichtblicke genießen.
Sie eröffnen mit dem Stück des zeitgenössischen Komponisten und Musikers Jörg Widmann. Sein Streichquartett Nr. 8 (Beethoven-Studie III) wird gespielt. Widmann war zwei Jahre Creative Partner der Deutschen Radio Philharmonie Saarbrücken Kaiserslautern, haben Sie ihn in dieser Zeit kennengelernt?
Ich habe ihn nicht persönlich kennengelernt, aber einige seiner Werke gespielt – und auch unterrichtet. Ich schätze ihn sehr als Komponist, er ist einer der führenden und bekanntesten der Gegenwart. Jörg Widmann ist auch ein genialer Klarinettist.
Eine Uraufführung erwartet uns: Die Komposition „Gong-Studie“ von Gustav Eldo Hofmann, einem HfM-Studenten. Gongklänge können Atmung und Herzschlag beeinflussen. Aber ich bin wohl auf dem Holzweg. Um was geht es wirklich?
Es geht nicht um Gongklänge in dem Sinne. Hofmann hat ein dreisätziges Werk komponiert. Der erste Satz heißt „Hyper Threee“, was er auf Dreierrhythmen bezieht. Der zweite Satz, die „Gong-Studie“, ein wahnsinnig schnelles Stück, ist atemberaubend geschrieben für sein junges Alter, finde ich. Ich erarbeite das Stück mit dem Yun-Trio Takt für Takt. Das ist fantastisch, dass die Musiker mit dem Komponisten zusammenarbeiten können und er deren Fragen sofort beantworten kann. Man sieht in den Noten sogar Passagen, von denen man denkt: Oh Gott, das kann man doch nicht zusammen spielen. Der zweite, titelgebende Satz beschäftigt sich mit einer besonderen Form des freien Spiels. „Über längere Strecken dürfen alle Musiker im Tempo schwanken, müssen jedoch zu bestimmten Zeitpunkten synchronisiert sein“, hat Gustav Eldo Hofmann dazu formuliert. Ich finde, das ist ein tolles Stück. Der letzte Satz heißt „Irrlicht“. Das ist ganz spannend, das Stück vergeht ganz langsam, wie im Nebel verschwindet der Klang. Vielleicht darf ich gar nicht so viel verraten.
Sie bringen Werke – Sonate für Flöte und Klavier und ein Streichsextett – von Erwin Schulhoff zur Aufführung. Wer ist das?
Schulhoff war ein deutsch-böhmisch-jüdischer Komponist und Pianist. Er hat am Bornschein-Konservatorium (1912 gegründet; Anm. d. Red., Quelle: Musik-Blog Dr. Lamla) in Saarbrücken unterrichtet und sogar den ersten Satz des Streichsextetts in Saarbrücken komponiert. Er war ein phänomenaler Künstler, der von den Nationalsozialisten deportiert wurde (Schulhoff starb 1942 im Lager Wülzburg bei Weißenburg/Bayern; Anm. d. Red., Quelle: Wikipedia). Sein Werk galt als „entartet“. Er wurde sehr spät wiederentdeckt. Er hat sich als klassischer Komponist auch mit Jazz beschäftigt. Er hat sich als experimentierfreudiger Komponist und Pianist auch unter anderem mit Jazz beschäftigt. Die beiden Werke, die wir aufführen, sind sehr unterschiedlich. Im Streichsextett finden wir langsam summende Melodien, aber im dritten Satz „Burlesca“ eine tänzerische Musikform mit heiteren Rhythmen in böhmischer Tradition. Die Flötensonate glänzt mit einer leuchtenden Flötenkadenz und ist für beide Instrumente sehr, sehr virtuos. Fantastisch ist, dass er immer mit einer Prise Humor komponiert.
„Zu den Glanzlichtern im Konzertprogramm zählt das Klarinettenquintett von Mozart“, heißt es in Ihrem Programm. Wie lässt sich der Zauber des musikalischen Kleinods beschreiben?
Das Klarinettenquintett von Mozart ist etwas ganz Besonderes, schon weil es das erste Klarinettenquintett in der Kammermusikliteratur ist und wegen der Klangsynthese von einem Blasinstrument mit vier Streichinstrumenten (zwei Violinen, Bratsche und Violoncello; Anm. d. Red.). Mozart hat das Stück für den bekannten Klarinettisten seiner Zeit, für Anton Paul Stadler, komponiert. Ich finde, die leuchtend-tragende Stimmung ist am besten im zweiten Satz zu spüren, die Klarinettenstimme wird wunderbar von den Streichern getragen. Das Klarinettenquintett von Mozart hat viele Komponisten inspiriert, auch Brahms und Reger.
Sie werden beim Sextett C-Dur op. 37 für Klarinette, Horn, Violine, Viola, Violoncello und Klavier von Ernst von Dohnányi mitspielen. Wie schaffen Sie es, bei einem Sextett alle musikalischen Fäden zusammenzuhalten?
Ach, das ist ganz einfach. Ich als Pianistin kann das sehr gut, denn mein Instrument ist wie ein Orchester. Ein Sextett zu spielen ist eine fantastische Erfahrung, weil man mit zwei – höheren und tieferen – Bläserinstrumenten und drei Streichern spielt, die einen Klang wie beim Orchester mitbringen. Ernst von Dohnányi stand unter Brahms Einfluss, und war übrigens – wie Schulhoff – ein Komponist, der sich mit Jazz beschäftigt hat. Im Sextett finden sich Walzer-Rhythmen, Ragtime und Jazz-Elemente. Die Sätze sind sehr unterschiedlich. Das Sextett ist sehr virtuos, es klingt manchmal wie ein Klavierstück mit Orchester – es ist eigentlich wie eine kleine Symphonie, obwohl es ein Kammermusikstück ist. Das ist sehr faszinierend!
Den Schlusspunkt der Konzertreihe setzt die „Rhapsody in Blue“ von George Gershwin, aber anders als wir das Stück kennen, nämlich für Klavier zu vier Händen. Bedeutet das: ein Klavier und zwei Pianisten?
Ja, das sind vier Hände an einem Klavier, und nicht zwei Klaviere. Da spiele ich übrigens auch mit – zusammen mit Professor Fedele Antonicelli. Wir spielen die Bearbeitung des Amerikaners Henry Levine nach der Originalpartitur. In dieser glänzenden Bearbeitung versuchen wir, mit vier Händen sowohl Orchester- als auch Klavierpart hörbar werden zu lassen.