Tatevik Mokatsian, Professorin für Klavierkammermusik, organisiert die 13. HfM-Woche der Kammermusik. Die Konzertreihe, die vom 10. bis 15. Juni stattfindet, ist ein hochkarätiger Fixpunkt im Musikleben des Saarlandes.
Frau Professor Mokatsian, Ihre Konzertreihe steht unter dem Motto „Klang-Mosaike aus fünf Jahrhunderten“. Das Motto bedeutet wohl, dass an jedem Abend Musikstücke aus fünf Jahrhunderten erklingen – und nicht: Ein Abend ist je einem Jahrhundert gewidmet. Denn es sind sechs Konzertabende angekündigt, richtig?
Nein, das ist gemischt, die ganze Reihe bezieht sich auf das Motto, deshalb müssen die Zuschauer zu jedem Konzert kommen (lacht). Dass jede Epoche an jedem Konzertabend vertreten ist, das war nicht möglich. Wenn das Publikum alles aus fünf Jahrhunderten erleben möchte, sollte man zu jedem Konzert kommen.
Sind auch Werke zeitgenössischer Komponisten im Programm?
Zwei Komponisten der Gegenwart sind dabei. „Hausmusik für Klavier zu 4 Händen“ unseres Kompositionsprofessors Arnulf Herrmann wird am Montag zur Eröffnung gespielt. Er ist auch dabei, er sitzt im Publikum. Am Dienstag werden die Shabbat Lieder, komponiert von Georg Wötzer und für diese Besetzung umgesetzt, aufgeführt. Er kommt auch zum Konzert, das hat er uns jedenfalls gesagt.
Sie werden zur Eröffnung und an zwei weiteren Konzertabenden auftreten. Sie spielen Werke von Johannes Brahms, Thierry Escaisch, Arno Babadjanyan. Letztgenannter Komponist ist in Armenien geboren. Sie haben in Armenien in ihrer Heimatstadt Eriwan Klavier studiert. Haben Sie sich bereits während Ihres Studiums mit seinem Klaviertrio fis-Moll (1952) befasst?
Das ist eines der bekanntesten und berühmtesten Stücke in Armenien. Natürlich habe ich mich damit befasst. Damals war ich sehr jung. Ich habe das Stück als Studentin gespielt und dann auch, als ich schon reifer und Profimusikerin geworden bin. Ich muss sagen, dass das sowohl musikalisch als auch technisch ein schwieriges Stück ist. Babadjanyan war ein hervorragender Pianist, er war Schüler von Igumnow (Konstantin Igumnow, russischer Komponist und Klaviervirtuose, Anm. d. Red.) und er konnte auch in verschiedenen Stilistiken komponieren. Das Klaviertrio ist pianistisch ein sehr schweres Stück und auch für die beiden Streicher. Ich muss sagen, ich habe mich schon mein ganzes Leben mit dem Stück befasst (lacht). Desto spannender ist es, das Klaviertrio mit jungen Musikern zusammen zu spielen. Das Stück aufzuführen, war der Wunsch des Geigers Artur Kurghinyan. Er kommt aus meiner Heimat und studiert bei uns. Seit zwei Jahren, immer wieder, hat er mich gebeten und gefragt: Frau Mokatsian, können wir das Stück ins Programm bringen? Dann habe ich gedacht: Okay! Jetzt spielen das Klaviertrio fis-Moll von Arno Babadjanyan die belgische Cellistin Thaïs Defoort, Artur Kurghinyan und ich.
Welche Charakteristik bringt das Stück mit?
Es ist in postromantischer Sprache geschrieben und folkloristisch gefärbt. Dass Babadjanyan das Stück in fis-Moll schreibt, ist kein Zufall. Vor allem der erste Satz bringt eine dunklere Stimmung mit. Der zweite Satz ist ruhig und melodisch. Der dritte Satz ist in einem ungewöhnlichen Takt geschrieben, in einem Wechsel von Fünf-Achtel und Sechs-Achtel Takt – eine energische und tänzerische Musik.
Sie stellen ein großes Programm auf, das Sie bei laufendem Betrieb an der Hochschule für Musik Saar organisieren. Ich rate: Ist das Schwierigste, alle Musiker zum Proben zusammenzubekommen?
Natürlich ist das schwierig, die Kollegen, deren Konzertkalender voll besetzt sind und die das alles ehrenamtlich machen, zu koordinieren. Aber ich bin nicht diejenige, die die Proben organisiert, das machen die Gruppen selbstständig. Da würde ich schon verrückt werden, Frau Auinger, wenn ich das auch noch organisieren würde. Ich stelle das Programm zusammen und spreche mit Kollegen, welche Stücke gespielt werden. Damit habe ich schon vor einem halben Jahr angefangen. Ich lege die Reihenfolge der Stücke fest und welche Studenten teilnehmen. Wirklich namhafte, weltberühmte Künstler sind bei uns Professoren. Abzustimmen, dass die in der HfM-Woche der Kammermusik bei uns Konzerte geben, ist für mich das Schwierigste.
Wenn Sie nicht mitmusizieren, sitzen Sie im Publikum. Gibt es unter den Werken der 13. HfM-Woche der Kammermusik eines, auf dessen Aufführung Sie besonders gespannt sind?
Ich bin auf die Interpretationen der Kollegen mit den Studenten gespannt. Ich möchte für ein einzelnes Stück keine Werbung machen. Ich habe versucht, die Abende kontrastreich zu gestalten. Und: Es kommen auch Werke zur Aufführung, die wenig gespielt werden.
Gehört es auch zu ihrer Konzeption, Werke unbekannter Komponisten aufzuführen?
Ja, genau. Aber auch unbekannte Werke bekannter Komponisten. Zum Beispiel die Fantasie für zwei Klaviere a-Moll von Alexander Skrjabin wird kaum gespielt. Das ist nahezu eines seiner unbekanntesten Werke. Oder Beethovens Trio für Klavier, Flöte und Fagott. Auch das Trio für Flöte, Violine und Klavier von Nino Rota, den man als Filmkomponisten kennt. Er hat viel Kammermusik komponiert, sein Trio ist ein sehr interessantes, spannendes Stück.
Die Kammermusiker kommen ohne Dirigent aus. Wie geht das?
Wir Musiker haben bestimmte Wellen, aufeinander zu hören. Wir fühlen die Musik miteinander. Wir besprechen während der Proben Phrasierung, Dynamik, Artikulation, Farbe und bringen dann eine Interpretation heraus. Man muss sich unbedingt mit der Partitur befassen. Dass wir miteinander atmen, das ist ganz wichtig. Während wir spielen, reden wir miteinander. Musizieren ist Kommunikation.
Sie unterrichten seit 2001 an der Hochschule für Musik Saar Klavierkammermusik und zwar, wie ich während einer Unterrichtsstunde erleben durfte (siehe FORUM 27/2014: Reportage „Ein Tag an der HfM“), mit geradezu furioser Begeisterung.
Ja, das stimmt (lacht). Schreiben Sie das wirklich?
Natürlich. Es ist ja wahr. (Beide lachen.) Welche Veränderung nehmen Sie im Laufe ihrer Tätigkeit mit Blick auf die Studierenden wahr?
Wir sind eine Kunsthochschule, die wirklich nur mit hohen Begabungen arbeitet. Die Herausragenden dürfen jetzt mit Kollegen und Kolleginnen auf der Bühne spielen. In der Kammermusikklasse im Masterstudiengang merkt man nach sechs Jahren schon das Heranwachsen der Studierenden. Nach zwei, vier, sechs oder manchmal auch acht Studienjahren – je nach Studiengang – ist es eine große Freude zu sehen, wie junge Leute sich entwickeln und überall auf der Welt unterwegs sind.
Beobachten Sie ein gleichbleibendes Publikumsinteresse an der Kammermusik?
Wir haben einen Kern von Zuhörern, der nicht nur seit Jahren zur Woche der Kammermusik kommt, sondern auch unterstützend für unsere Klassenkonzerte ist. Unser Freunde- und Fördererkreis ist ganz toll und unterstützt auch immer die Woche der Kammermusik. In den letzten zwei Jahren haben wir Publikum dazugewonnen, das freut uns sehr. Letztes und vorletztes Jahr waren alle Konzerte ausgebucht. Ich hoffe, dass wir dieses Jahr wieder volle Säle haben.