Erst in Überzahl und mit zwei Elfmetern widersteht Hertha BSC seinem „Heimfluch“ – und bietet dabei wenig Anzeichen einer nachhaltigen Verbesserung.

Viel mehr Hilfestellung konnte Hertha BSC bei der „Mission Heimsieg“ gegen Eintracht Braunschweig kaum erwarten. Zur Pause hatten die Hauptstädter dabei trotz deutlich mehr Spielanteilen nur eine Torgelegenheit durch Kevin Sessa produziert und lagen sogar noch mit 0:1 in Rückstand, weil die Gäste eine ihrer zwei Chancen genutzt hatten. Angesichts von zuvor bereits drei Heimniederlagen war der zweite Dreier im Olympiastadion dabei im Vorfeld quasi zur Pflicht erhoben und die Ausgangssituation angesichts des Hintertreffens zur Halbzeit noch kniffliger geworden. Die Ostniedersachsen hatten schließlich nach völlig verkorkstem Saisonstart zuletzt die Abstiegsränge verlassen und ihrem Selbstvertrauen obendrein durch einen Sieg im Derby gegen Hannover 96 noch einmal einen „Boost“ verleihen können.
Die Eintracht half eifrig mit
Doch davon war spätestens im zweiten Durchgang auch nichts mehr zu erkennen, denn die Braunschweiger gerieten schnell in Unterzahl und verursachten obendrein zwei Foulelfmeter. Der erste war dabei wohl bereits der Schlüsselmoment des Spiels, denn nachdem Eintracht-Torwart Grill ein „Luftloch“ am Ball nur noch mit einer Notbremse gegen Michaël Cuisance auszumerzen wusste, war die Partie vorzeitig für ihn beendet. Obendrein wurde die (knappe) Entscheidung auf Strafstoß bestätigt, sodass der Gefoulte selbst für den Ausgleich vom Punkt sorgen konnte. Dank einer weiteren Ungeschicktheit – Braunschweigs Bell Bell versprang der Ball im eigenen Strafraum und bei seinem Klärungsversuch traf er den eingewechselten Florian Niederlechner – stellte dann Ibrahim Maza per erneuten Elfmeter knapp 20 Minuten vor dem Ende auf 2:1 für Hertha BSC.
Wegen der Eintracht-Unterzahl gestaltete sich die Angelegenheit gegen Spielende dann immer einseitiger, Niederlechner gelang so nach Zuspiel von Sessa die Entscheidung zum 3:1 aus dem Spiel heraus. Zurück blieben die Fans und Fachleute dann zwar mit dem geforderten Sieg – ohne dass dieser allerdings Hinweise hinsichtlich der erhofften Überwindung der Heimschwäche gebracht hätte. Im größeren Rahmen betrifft dies damit auch weiterhin die Probleme der Mannschaft bei der Umsetzung der Spielidee des neuen Trainers. Der war trotz des Sieges entsprechend angefressen: „Wir haben in der ersten Halbzeit nicht das gemacht, was wir machen sollten, müssen die Räume besser bespielen“, so Cristian Fiél. „Das sind Dinge, die wir die ganze Woche im Training behandelt und auch per Video gezeigt haben – deshalb bin ich sauer, weil ich es nicht so richtig verstehe.“ Sein Team gibt dem 44-Jährigen also weiter Rätsel auf, selbst im Fall eines Dreiers – so dürfte der dringend benötigte Fortschritt (immer noch) nicht so bald eintreten, um diese Saison dauerhaft Anschluss zu den Spitzenplätzen zu halten.
Angesichts der schwierigen Personalsituation war dabei schon die Aufstellung des Hertha-Trainers mit gewisser Spannung erwartet worden. Der hatte auf der Pressekonferenz vor der Partie – die selbst aufgrund einer Erkältung Fiéls um einen Tag verschoben worden war – allen Hoffnungen auf ein Comeback von Diego Demme im defensiven Mittelfeld eine Absage erteilen müssen. Ein besonders ungewisses Gefühl schwingt dabei mit, da im Fall des 32-Jährigen weiterhin keine konkrete Diagnose vorliegt. So hatte Demme bereits vor dem Schalke-Spiel das Abschlusstraining wegen Unwohlseins vorzeitig beenden müssen, blieb in Gelsenkirchen und in der anschließenden Übungswoche präventiv erst einmal außen vor. Doch auch die zunächst avisierte Rückkehr des Neuzugangs vom SSC Neapel in den Mannschaftskreis in den Tagen vor dem Braunschweig-Spiel fiel aus, obwohl die Ärzte ihm den Wiedereinstieg in die Vollbelastung zugetraut hatten. „Er hat es probiert, aber sich noch nicht so gefühlt, um wieder 90 Minuten spielen zu können – deshalb gehen wir da kein Risiko ein“, ließ Fiél dazu in der Medienrunde wissen. Auch das Startelfdebüt des neuen Dreigestirns im Mittelfeld fiel daher erneut ins Wasser: neben Demme zählen dazu Cuisance und Sessa, der sich nach Verletzung in der Vorbereitung wieder einsatzbereit gemeldet hatte.
Personelle Sorgen

Das für die Zweiten Liga sicherlich hochwertig einzuschätzende Trio stand so mit Ausnahme einer runden Viertelstunde gegen Fortuna Düsseldorf (fünfter Spieltag) in dieser Saison bislang noch gar nicht gemeinsam auf dem Platz. Erster Kandidat als Demme-Vertreter war dabei eigentlich Pascal Klemens, der schon in der Partie bei Schalke 04 auf der „Sechs“ eingesprungen war. Doch dazu kam es nicht, denn Trainer Fiél baute die Abwehr – entgegen seiner Aussage während der Ligapause – doch in eine Dreierkette um, in der neben Toni Leistner und Marton Dardai auch Klemens startete. Schließlich fehlte defensiv neben den verletzten John Anthony Brooks, Jeremy Dudziak und Linus Gechter auch noch der gelbgesperrte Deyovaisio Zeefuik. Somit hatten Jonjoe Kenny und Jon Dagur Thorsteinsson als „Schienenspieler“ ihre Außenbahn je nach Situation defensiv wie offensiv zu bearbeiten, während Sessa und der wieder fit gemeldete Michal Karbownik als „Doppel-6“ vor der Abwehr für zusätzliche Stabilität sorgen sollten. In der kommenden Partie, wenn Zeefuik wieder zur Verfügung steht, dürfte Fiél aber wieder zur Viererkette zurückkehren. Dann steht für Hertha BSC das „Freundschaftsspiel“ beim Karlsruher SC an (Samstag, 13 Uhr) – bekanntlich sind sich beide blau-weißen Fanlager schon seit Jahrzehnten wohl gesonnen.
Zuletzt gab es allerdings aufgrund unterschiedlicher Klassenzugehörigkeit selten Gelegenheit, die gemeinsame Verbindung bei einem Pflichtspiel zu zelebrieren. Vor dem letzten Aufeinandertreffen in der Fächerstadt im April 2024 mussten die Anhänger jedenfalls 13 Jahre darauf warten – vor sechs Monaten ruhte dabei während der 90 Minuten auf dem Rasen die Freundschaft, denn am Ende hatten die Karlsruher knapp mit 3:2 die Nase vorn. Da die Mannschaft von Trainer Christian Eichner zuletzt hier und da Punkte liegen gelassen hat, dürfte es jedenfalls erneut einen spannenden Wettstreit geben. Denn die Gastgeber stehen in der Tabellenregion, zu der Hertha BSC auch gern gehören würde – insofern ist es für beide Vereine ein richtungsweisendes Duell.