Am Ostermontag starb Papst Franziskus. Er galt als Fürsprecher der Benachteiligten, Kämpfer für die Bewahrung der Schöpfung und unerschrockener Erneurer, auch wenn viele Reformen unvollendet blieben.
Kein Tod kam nicht unerwartet, und trotzdem hat er am Ostermontag überrascht. So wie dieser Papst in seiner Amtszeit (Pontifikat) immer wieder für Überraschungen gut war.
Dabei war schon die Wahl eines Papstes, der nicht aus Europa kommt wie die 265 Päpste zuvor, der zudem Jesuit ist, eine ziemliche Sensation. Als Papst Franziskus dann noch beschloss, dass ihm eine Wohnung im Gästehaus des Vatikans statt einer im Vatikanischen Palast reichen würde, und es auch ein Kleinwagen tut, um zu Terminen zu kommen, schwante einigen, dass es der Mann aus Argentinien ernst meint mit seiner Vorstellung von Kirche.
„Die erste Reform muss die der Einstellung sein“, forderte er schon gleich nach seiner Wahl am 13. März 2013. Ein Satz, der sich in vielen Varianten durch seine ganze Amtszeit zog, und mit dem er die Messlatte an Erwartungen ziemlich hoch legte. Für die einen verbunden mit großen Hoffnungen auf Reformen, für die anderen mit womöglich noch größerer Besorgnis genau deswegen.
Franziskus hatte die Leitung einer Kirche übernommen, die damals vor allem für negative Schlagzeilen sorgte wegen des Umgangs mit den Missbrauchsskandalen und eigenen Finanzskandalen. Die Spannungen der Amtszeit lassen sich schon an den Veröffentlichungen des Journalisten und Autors Andreas Englisch, der seit Jahrzehnten aus dem Inneren des Vatikans berichtet, ablesen. 2013, also zu Beginn erschien das Buch „Zeichen der Hoffnung“, knapp zehn Jahre später: „Der Pakt gegen den Papst“.
Franziskus hat in einer Art und Weise versucht, klar Schiff zu machen, wie es sich auch Insider vorher nur schwer vorstellen konnten. Das gilt vor allem für den Teil, wo ein Papst schlicht auch Oberhaupt eines Staates ist, eines kleinen Staates mit weltweiten Connections, Machtkämpfen, Intrigen, Skandalen.
Auch wenn er längst nicht alle Kämpfe gewonnen hat, hat er den Vatikan ziemlich umgekrempelt. So zieht sich durch die internationalen Kommentare die Einschätzung: Franziskus war ein „Reformpapst“, einer, „der die richtigen Kämpfe geführt hat“.
„Verbeulte Kirche“
Mit den „richtigen Kämpfen“ sind auch seine inhaltlichen Akzente gemeint, bei denen er nichts an Deutlichkeit vermissen ließ. Eine „Kirche der Armen“ verstand er ziemlich weit gefasst. So weit, dass er von so manchem konservativen Theologen angefeindet wurde, er würde seinem „Gutmenschentum“ theologische Positionen opfern. Seine gepredigte (und gelebte) „pastorale Milde“ wurde ihm von seinen Kritikern als Schwäche ausgelegt.
Dabei war für ihn Barmherzigkeit das Schlüsselwort der Heiligen Schrift, und somit „Gottes Logik“. Was er damit meinte, kam über seine Symbolik und seine Enzykliken („Laudato sí“, „Evangelii Gaudium“) auch in der Welt an. Prägend waren Ausführungen wie: „Ich wiederhole hier für die ganze Kirche, was ich viele Male den Priestern und Laien von Buenos Aires gesagt habe: Mir ist eine ‚verbeulte‘ Kirche, die verletzt und beschmutzt ist, weil sie auf die Straßen hinausgegangen ist, lieber, als eine Kirche, die aufgrund ihrer Verschlossenheit und ihrer Bequemlichkeit, sich an die eigenen Sicherheiten zu klammern, krank ist. Ich will keine Kirche, die darum besorgt ist, der Mittelpunkt zu sein, und schließlich in einer Anhäufung von fixen Ideen und Streitigkeiten verstrickt ist“.

Sprüche wie: „Diese Wirtschaft tötet“, oder: „Geld soll dienen, nicht regieren“, sind regelmäßig und gern auch von linken Politikerinnen und Politikern, die sonst wenig mit katholischer Kirche am Hut haben, zitiert worden. Franziskus also ein „linker Papst“? Wenn die konkrete Ausformulierung von „Barmherzigkeit“ als „links“ angesehen wird, wäre die Beschreibung nicht ganz von der Hand zu weisen.
Wer damit aber andere Fortschritte verbindet, etwa in Sachen Gleichstellung von Frauen innerhalb der Kirche, wird nur sehr bedingt Fortschrittliches sehen. Obwohl Franziskus auch da zuletzt noch ein ziemliches Signal setzte. Anfang dieses Jahres berief er erstmals eine Frau an die Spitze eines Dikasteriums, der vatikanischen Entsprechung eines Ministeriums. Zuvor hatte der Papst bereits in einer Reform zugelassen, dass auch Laien an diesen Stellen Verantwortung übernehmen können.
Für diejenigen, die das Priesteramt auch für Frauen öffnen wollen, ist das allerdings noch wenig befriedigend. Wie überhaupt der Papst bei reformorientierten Schritten in Deutschland eher als Bremser dastand. Zum „Synodalen Weg“ meinte Franziskus warnend, es gebe bereits „eine gute evangelische Kirche in Deutschland“. Und eine geplante weitgreifende Strukturveränderung auf der Grundlage einer Bistumssynode im Bistum Trier wurde erst einmal aus dem Vatikan gebremst und musste überarbeitet werden.
„Die richtigen Kämpfe geführt“
Viele Europäer sehen die Reformen in Rom als zu langsam, zu halbherzig, unzureichend. Damit, so Kritiker, lasse sich der permanente Schrumpfungsprozess nicht aufhalten. Allerdings schrumpft die Zahl der Katholiken nur in Europa, in allen anderen Kontinenten nimmt sie seit Jahren kontinuierlich zu. Mit inzwischen rund 1,4 Milliarden Mitgliedern ist die Katholische Kirche die größte religiöse Institution.
Folglich richtet sich der Blick des Papstes nicht nur auf eine schrumpfende und in weiten Teilen auf Reformen drängende europäische Situation, sondern ebenso auch wachsende Entwicklungen in den meisten anderen Teilen der Welt. Und die sind in der Regel eher von konservativen Strömungen getragen.
Aber auch dort zeigt sich, dass sich die altehrwürdige katholische Kirche entwickeln muss und kann. Die „Amazonas-Konferenz“ ist ein Beispiel dafür. Dabei ging es um den Schutz der Regenwälder, den Umgang mit Indigenen, und – was für Diskussion gesorgt hat – verheiratete Männer als Priester und neue Ämter für Frauen. 2023 setzte der Papst einen weiteren Akzent, indem bei den Bischofssynoden auch Laien und Frauen ein Stimmrecht bekamen.
Franziskus war ein Papst, für den die Grundbotschaft des Evangeliums im Mittelpunkt stand, der sie ins Konkrete übersetzt hat, indem er die Fragen sozialer Gerechtigkeit (Wirtschaft) und Bewahrung der Schöpfung (Klima, Umwelt) in den Mittelpunkt gerückt hat, der seine Idee von Kirche gelebt hat, menschenzugewandt und immer mit einem sanften Lächeln. Und der zugleich gezeigt, dass zu alledem gehört: Mut und die Bereitschaft, nötige Kämpfe aufzunehmen, wissend um die Widerstände.
Viele der 135 wahlberechtigten Kardinäle, die demnächst im Konklave über die Nachfolge entscheiden, hat er selbst berufen. Bei ihrer Wahl geht es um nicht weniger als die Frage, wohin die katholische Kirche steuern wird. Wie bei jeder Papstwahl.