Der Jahresbeginn ist im politischen Geschäft die Zeit der Klausuren und Treffen. Klöster und noble Einsiedeleien dienen als Kulissen für Einkehrtage der besonderen Art. Es geht um die politische Agenda fürs neue Jahr– und natürlich darum, schöne Bilder fürs Fernsehen und zum Posten zu produzieren. Schließlich soll die Welt was davon haben.
So weit, so gewohnt normal. Nur ist dieser Jahresstart alles andere als normal. In ein paar Wochen findet bekanntlich die vorgezogene Bundestagswahl statt. Was manchen dazu verführte, auch gleich den politischen Aschermittwoch auf den Jahresanfang vorzuverlegen. Da wurde kräftig gekeilt und ausgeteilt– und auch schon mal verteilt. Von Süd bis Nord zerrten die christlichen Parteischwestern an dem berühmten Fell des Bären, als wäre der schon erlegt und als ginge es nur noch darum, ob SPD oder Grüne am Koalitionskatzentisch mitmachen dürfen.
Dass wir Wählerinnen und Wähler uns noch was anderes in den nächsten Wochen überlegen könnten, als es uns die Umfragen zutrauen, auf die Idee scheint keiner zu kommen. Das ist wenig respektvoll, schließlich sind wir der Souverän.
Dafür wollen die Parteien wenigstens respektvoll im Wahlkampf miteinander umgehen. Na gut, nicht alle, denn AfD und BSW haben das „Fairnessabkommen“ erst gar nicht unterzeichnet. Was auch eine klare Ansage ist.
Dass alle anderen sich erst mal gegenseitig versichern müssen, fair miteinander umzugehen, einander nicht persönlich runterzumachen, keine bewussten Falschaussagen zu tätigen und keine Deepfakes zu verwenden, also mithilfe von KI erzeugtes und täuschend echt wirkendes Material, das sagt vor allem etwas darüber aus, wie weit wir gekommen sind mit eigentlich selbstverständlichen Anstandsregeln.
Kaum ist die Tinte (falls noch mit Tinte geschrieben wird) trocken, zeigen schon erste Beispiele, wie viel das wert ist. Zugegeben, es sind (bislang) Einzelfälle. Aber genau die prägen dann das Bild der ganzen politischen Zunft und ziehen die in Mitleidenschaft, die tatsächlich aufrichtig Politik gestalten wollen, damit es besser wird in diesem Land.
Ich halte üblicherweise nicht allzu viel von Machtworten, aber da wäre mal eines von denen angebracht, die sich jetzt mit einem Führungsanspruch zur Wahl stellen.