So also sieht sie aus, die Woche, die von vielen Kommentatoren als „historisch“ eingeordnet wird. Ich rate in der Regel zur Zurückhaltung mit solchen Adjektiven. In diesem Fall ist es anders. Ich habe selten Tage erlebt, an denen so viele Menschen das politische Geschehen so intensiv verfolgt haben, als ginge es um ein wichtiges Sportereignis. Und noch seltener habe ich erlebt, was danach passiert.
So mancher Kommentator freut sich, dass „der Wahlkampf nun endlich ein Thema hat“. Für die einen ist es das Migrationsthema, für andere der „Dammbruch“ und für wieder andere die Frage, ob der Kanzlerkandidat der Union ein „Zocker“ oder ein „Macher“ ist. Hunderttausende zeigen ihre Ansicht dazu bei zahlreichen Kundgebungen. Das ist okay. Im Gegensatz zu der Reihe gewalttätiger Aktionen, Straftaten, die die Eskalation nur noch mehr befeuern.
Das alles begleitet von prominenten Austritten. Michel Friedman verlässt aus Protest die CDU und Annegret Kramp-Karrenbauer das Zentralkomitee der Deutschen Katholiken, weil sich die Katholische Laienvertretung unter der Überschrift: „Die Union überschreitet Grenzen der politischen Kultur“ eingemischt hat. Und im wahlkämpfenden politischen Raum ist die Szene beherrscht von gegenseitigen Vorwürfen. So weit, so gewohnt.
Natürlich spiegelt sich das alles auch in den Alltagsgesprächen wider. Aber es ist nur ein Teil. Der andere, den ich wahrnehme, sind Gespräche mit tiefem Ernst aus dem Empfinden, dass sich gerade etwas sehr Grundsätzliches ändert in diesem Land, dass etwas ins Rutschen gekommen ist, was richtiggehend Angst macht. Etwas, das viel tiefer geht als der Parteienstreit um irgendwelche Deutungshoheiten. Ein Gefühl, dass es ans Eingemachte geht, das eher leise und nachdenklich werden und frühere Ärgernisse, Frustrationen und Enttäuschungen etwas in den Hintergrund treten lässt.
Schwer in Worte zu fassen und für Schlagzeilen gänzlich untauglich. Vermutlich auch schwer in der Flut von „Sonntagsfragen“ zu fassen.
Der Wahl in zwei Wochen würde eine solche „neue Nachdenklichkeit“ sicher nicht schaden.