Die Berliner Modewoche soll in Zukunft nachhaltiger werden, so der Plan der Veranstalter. Die Idee stammt aus Kopenhagen. Weitere Länder dürfen folgen. Erste Schritte sind getan.
Was in Kopenhagen bereits seit einigen Saisons üblich ist, soll bald auch in Berlin zum Standard gehören: Es dürfen nur noch Labels ihre Kollektionen präsentieren, die sich an die Mindeststandards in Sachen Nachhaltigkeit halten. Alle anderen müssen draußen bleiben und das im wahrsten Sinne des Wortes. Ein Anfang, damit Mode endlich ihr Image des größten Umweltsünders verliert und die Kunden guten Gewissens konsumieren können. Ein Ansatz, der Nachahmer auf den Plan ruft und die befinden sich in Berlin. Hier findet Saison für Saison neben Mailand, Paris, New York und London eine der bekanntesten Fashion Weeks der Welt statt. Eine willkommene Möglichkeit, mit gutem Beispiel voranzugehen, das dachten sich zumindest die Verantwortlichen hinter der Planung des Mega-Modeevents und haben dafür auch gleich einen guten Vorreiter ausfindig gemacht: Die Copenhagen Fashion Week (CPHFW).
Was läge da näher, als sich kurzerhand zusammenzutun, um noch Größeres zu bewirken? Das bedeutet konkret, sogenannte Sustainability Requirements werden etabliert, also Mindeststandards wie Upcycling, Ressourcenschonung und Recycling für alle beteiligten Labels. Damit die Umsetzung funktioniert, gibt es professionelle Hilfe von Fashion Council Germany und Studio MM04, einer Beratungsagentur, die sich auf nachhaltige Mode spezialisiert hat. Gefördert wird das Projekt von der Berliner Senatsverwaltung für Wirtschaft, Energie und Betriebe. Bereits im Februar 2026 soll die Einführungs- und Pilotphase abgeschlossen sein. Dann sollen nur noch solche Marken ihre Mode präsentieren dürfen, die die geforderten Mindeststandards einhalten. Diese Regelung wird dann in Kopenhagen und Berlin gleichermaßen greifen. Davon sind, laut Berliner Fashion Week Kalender, aktuell 35 Labels betroffen. Günstig sind die Maßnahmen nicht, wie der Berliner Staatssekretär für Wirtschaft, Michael Biel, erklärt: „Durch die Einführung der Sustainability Requirements wird Berlin zu einem der international führenden Standorte einer verantwortungsbewussten und innovativen Modeindustrie. Mit der finanziellen Unterstützung von insgesamt 180.000 Euro bis 2025 investieren wir einmal mehr in die Zukunft Berlins als Vorreiterin in Sachen Nachhaltigkeit. Durch nachhaltige Praktiken wie Upcycling und die Verwendung recycelter Materialien gehen bei der Mode made in Berlin und Germany soziale und ökologische Verantwortung Hand in Hand. Mit diesen Standards wird Berlin beispielgebend im Vergleich mit anderen globalen Modemetropolen sein.“
Zusammenarbeit für den Wandel
Die Zusammenarbeit mit den Verantwortlichen in Kopenhagen sei dabei besonders zielführend, da sich das gemeinsame Fachwissen und die Ressourcen bündeln ließen, um Innovationen fördern zu können und dabei alle Labels zu ermutigen, den Erwartungen der Gesellschaft und den Anforderungen der Modebranche gerecht zu werden, betont der CEO des Fashion Councils Germany, Scott Lipinski. Auch Cecile Thorsmark, CEO der Copenhagen Fashion Week, findet lobende Worte: „Wir freuen uns, durch die Partnerschaft mit der Berlin Fashion Week nun ein wachsendes Alignment der Branche zu erreichen. Die Zusammenarbeit leitet nicht nur die dringend benötigte gemeinsame Ausrichtung ein, sondern hebt auch die Möglichkeiten der Fashion Weeks und -Councils hervor, die Branche zum Besseren zu verändern. Es ist ein bedeutender Meilenstein für uns, dass die Sustainability Requirements weltweit Anerkennung finden. Wir sind zuversichtlich, dass wir weitere Akteure zur Zusammenarbeit inspirieren werden.“
In Kopenhagen starteten diese Richtlinien im Januar 2020. Dafür holte man sich Hilfe bei Dansk Fashion & Textile und In Futurum. Der Rahmen für die Zukunft wurde damit gesetzt. Doch er ist nicht in Beton gegossen. Deshalb erfolgte 2024 eine Überprüfung durch ein internationales Expertengremium und dem eigens eingeführten Advisory Board. Das Ergebnis dieser Bemühungen war ein Update als Antwort auf die Entwicklungen innerhalb der Branche und den allgemeinen Veränderungen in der europäischen Politiklandschaft. Um also einen ganzheitlichen Wandel zu erreichen, ist es notwendig, immer wieder innezuhalten und alle Faktoren zu überprüfen, um so die Modeindustrie in eine klimafreundliche Richtung zu schieben. Irgendwann, sind sich die Branchenexperten sicher, machen alle mit, egal, ob Paris, New York oder Mailand. Im Norden Europas gibt es bereits erste Umsetzungen der Sustainability Requirements, wenngleich im kleineren Rahmen. Sowohl die Oslo Runway als auch der Norwegian Fashion Hub und die Copenhagen International Fashion Fair haben die Guidelines adaptiert.
Nun folgt Deutschland, genauer Berlin. Hier wird es allerdings einige spezifische Anpassungen geben. Das liegt vor allem daran, dass sich die Berliner Fashion Week laut eigenem Slogan für Werte wie Inklusion, Freiheit und Kreativität einsetzt. Dementsprechend groß werden hier die Schlüsselthemen (Diversity, Equity, Inclusion, Belonging) auch geschrieben. Darüber hinaus möchten die Verantwortlichen sicherstellen, dass die gesamte Wertschöpfungskette eines Kleidungsstücks oder Accessoires transparent ist, sich also zurückverfolgen lässt für den Kunden. Hierzu gibt es das Lieferkettengesetz (LkSG). Dieses wurde vom Bundestag verabschiedet, um die Menschenrechte und die Umwelt innerhalb der globalen Lieferketten zu schützen.
Circular Fashion als Zukunft
Das „Gesetz über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten zur Vermeidung von Menschenrechtsverletzungen in Lieferketten“, wie es im ausführlichen Wortlaut heißt, ist ein Vorstoß, die deutschen Standards weltweit umzusetzen. Dazu gehört das Verbot von Kinderarbeit und Zwangsarbeit ebenso wie die Verunreinigung von Trinkwasser und weitere zentrale Umweltstandards. Die Umsetzung obliegt den Unternehmen. Es ist an ihnen, sich an das Gesetz zu halten und dafür zu sorgen, dass auf sämtlichen Lieferketten die Standards für den Umweltschutz und die Menschenrechte eingehalten werden. Doch das soll noch nicht alles sein. Die Rolle des Umweltsünders möchte man endlich ablegen. Schlimm genug, dass Mode nach wie vor Wegwerfware ist. 40 Prozent von den 5,2 Milliarden Kleidungsstücken, die Jahr für Jahr im Schrank hängen, werden nie oder kaum getragen. Irgendwann landen sie auf dem Müll. Ein Umstand, den Designer ändern möchten. Nicht umsonst gilt Berlin als grüne Modehauptstadt. Hier lebt man den Trend der Circular Fashion, also „Kleidung die im Umlauf bleibt“. Eben mit Kollektionen, die fair produziert werden in hoher Qualität und dabei so neutral und schick gehalten sind, dass sie die Jahre als neu gewonnene Lieblingsstücke überdauern können. Die Geschichte dieser Bewegung in der deutschen Metropole geht lange zurück. Bereits 2019 gab es eine Messe für nachhaltige zukunftsorientierte Mode namens Neonyt, eine Fusion der beiden Fachmessen Ethical Fashion Show Berlin und Greenshowroom. Diese verschwand aber kurze Zeit später wieder aus der Hauptstadt. Dafür kam 2021 „202030 – The Berlin Fashion Summit“. Dabei handelt es sich um eine Plattform, die disziplinübergreifend kritische und kreative Branchenakteure miteinander vernetzt.
Das Ziel dieser unterschiedlichen Kooperationen und Diskussionen ist es, Lösungen zu finden für mehr Nachhaltigkeit in der Modeindustrie. Erste Ergebnisse der Bemühungen gab es bereits im „Fashion Open Studio/ Fashion Revolution“ in Kooperation mit der Mercedes Benz Fashion Week. Das Ziel für die Zukunft ist klar gesteckt: Berlin will Modehauptstadt bleiben, aber nicht einfach irgendeine. Es soll DER Standort für Sustainable Fashion sein und zwar auf nationaler und internationaler Ebene. Das Spielfeld für Innovationen, Entwicklungen und Projekte bietet die Fashion Week. Derweil bilden Designer den Nachwuchs an Modeschulen darin aus, ebenfalls nachhaltig zu arbeiten. Hier entstehen bereits jetzt breite Netzwerke, die Modeschaffende, Retailer und Textilhersteller miteinander verbinden.