Drei Fragen
Schwierige Friedensfindung für Ukraine
Die Ukrainer müssen am Ende über einen Friedensplan entscheiden, es muss ihre Entscheidung sein, betont der Leiter des Kommissariats der deutschen Bischöfe, Prälat Dr. Karl Jüsten.
Prälat Dr. Jüsten, die USA wollen einen Friedensplan für die Ukraine umsetzen, laut dem das überfallende Land Gebiete an Russland abtreten soll, kann so ein Frieden funktionieren?
Es ist schwierig, dass wir als katholische Christen in Deutschland den Ukrainern Ratschläge geben, auf was sie verzichten sollen und auf was nicht. Wir stehen an der Seite der Ukraine, doch es ist ihre Entscheidung, was sie möchte und kann. Wir haben alles dazu getan, dass die Ukraine in die Lage versetzt wird, ihre territoriale Unversehrtheit zu bewahren. Wenn das am Ende nicht gelingt, dann muss die Ukraine für sich selber sagen, ob sie bereit ist, Niederlagen hinzunehmen, Kompromisse mit Verzichten einzugehen oder wie das dann auch immer genannt wird. Jedenfalls kann es nicht sein, dass wir hinterher eine Situation haben, wo die Menschen, die da ein Recht auf Leben haben, dies nur noch unter menschenrechtswidrigen Umständen tun können.
Aber diese Abwägung ist nicht nur für Sie als Christ extrem herausfordernd, sondern gerade für die Politik, was würden sie dem zukünftigen Bundeskanzler raten?
Wer immer Bundeskanzler wird, sollte im Grunde genommen alles dafür tun, dass Friedensverhandlungen sehr schnell möglich sind. Und vor allen Dingen wird zukünftig auch die Frage aufgeworfen sein, wie kann man der Ukraine wieder aufhelfen, dass sie in die Lage versetzt wird, auch ein ökonomisch erfolgreiches Land zu sein. Wie können wir die Ukraine in die Lage versetzen, die Westbindung, die das Land möchte, auch mit Leben zu erfüllen.
Aber ist es nicht verständlich, wenn gefordert wird, Frieden so schnell wie möglich, auch wenn dies nur durch schmerzliche Kompromisse möglich ist?
Für uns als Christen ist es selbstverständlich, dass wir für den Frieden eintreten, ob es um den Frieden in der Ukraine geht oder im Heiligen Land. Die Menschen haben eine große Friedenssehnsucht, und das ist auch eigentlich sehr positiv. Nur leider ist die Welt nicht so friedvoll, wie wir das gern hätten. Im Krieg der Ukraine, da hat die Ukraine alles Recht auf Selbstverteidigung. In Israel ist es im Grunde genommen genauso. Auch die Israelis haben das Recht auf Selbstverteidigung. Die große Sehnsucht ist und bleibt Frieden. Aber wir müssen leider auch zur Kenntnis nehmen, im politischen Alltagsgeschäft ist diese Sehnsucht oft schwierig zu realisieren. Interview: Sven Bargel
Ruf nach Böllerverbot wird lauter
Die vergangene Silvester-Nacht hat deutschlandweit fünf Menschen das Leben gekostet, Tausende wurden zum Teil schwer durch Feuerwerk verletzt, genaue Zahlen gibt es nicht, weil die Kliniken keine expliziten Statistiken zu Verletzungen durch Feuerwerk führen. Vor allem in Berlin und Brandenburg kam es zu schweren Zwischenfällen durch „Kugelbomben“, zum Teil selbst gebaut, teils in Polen oder Tschechien gekauft. Ein siebenjähriger Junge wurde lebensgefährlich verletzt. Im Berliner Bezirk Schöneberg wurden durch die Detonation einer Kugelbombe 35 Wohnungen unbewohnbar, die Fassaden von fünf Mietshäusern erheblich ramponiert. Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) startete nun eine Unterschriftenkampagne zum Feuerwerksverbot und übergab Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) sechs Tage nach Silvester eine Online-Petition für ein Böllerverbot mit mehr als 1,4 Millionen Unterschriften. Doch Faeser verneint bislang ein flächendeckendes Feuerwerksverbot, auch Bundeskanzler Scholz (SPD) lehnt ein Verkaufsverbot von Feuerwerk an Privatpersonen ab. Er begründet dies mit den vernünftigen Regelungen zur Herstellung von Feuerwerk in Deutschland. Darum sei die Debatte für Olaf Scholz, so wörtlich, „irgendwie komisch“.
Rechtsruck
In Österreich sind die Koalitionsverhandlungen von ÖVP (Konservative), SPÖ (Sozialdemokraten) und Neos (Liberale) und damit der Versuch, ein Bündnis gegen die FPÖ zu bilden, gescheitert. Nun hat Bundespräsident Van der Bellen die FPÖ mit der Regierungsbildung beauftragt, betonte dabei, er habe sich „die Entscheidung nicht leicht gemacht“. Die ÖVP hat inzwischen, obwohl sie sich im Wahlkampf anders geäußert hat, die Bereitschaft zu Koalitionsverhandlungen signalisiert. Damit könnte Österreich erstmals eine FPÖ-geführte Bundesregierung bekommen. Die FPÖ war bei der Wahl im letzten September mit knapp 29 Prozent stärkste Partei geworden, aber zunächst wollte keine andere Partei mit den Rechtspopulisten zusammenarbeiten.
Für deutsche Parteien, die mitten im Wahlkampf stehen, ist das ein warnendes Zeichen, was passiert, wenn Parteien der Mitte untereinander nicht koalitionsfähig sind. Das stärke dann die politischen Ränder, warnten Vertreter von CSU bis zu den Grünen.
Verband fordert ÖPNV-Ausbau auf dem Land
Der weitere Erfolg des Deutschlandtickets hänge vor allem davon ab, dass in den kommenden Monaten die ländlichen Räume beim Nahverkehr massiv ausgebaut werden, sagt die Allianz Pro Schiene und fordert eine Ausbau-Offensive, damit die Menschen in ländlichen Regionen besser an Bus und Bahn angebunden werden und vom Deutschlandticket profitieren können. „Wenn wir mehr Menschen für die umweltfreundliche Mobilität begeistern wollen, müssen wir ihnen auch entsprechende Angebote machen“, fordert der Geschäftsführer der Allianz Pro Schiene, Dirk Flege. Derzeit verfügen mehr als 13 Millionen Menschen über das Ticket, allerdings gibt es bei den Abos ein extremes Ungleichgewicht zwischen Stadt und Land. Das führt unter anderem dazu, dass die Ministerpräsidenten aus den Flächenländern die Fortführung des nunmehr 58-Euro-Tickets immer wieder infrage stellen.
Rentendebatte geht weiter
Nicht nur in Deutschland stellt die demografische Entwicklung das Rentensystem vor Herausforderungen. Auch in Luxemburg nimmt die Zahl der Rentner deutlicher zu als die Zahl der Beschäftigten, die Beiträge zahlen. Prognosen zufolge werden in zwei Jahren eingezahlte Beiträge nicht mehr ausreichen, um die Renten auszuzahlen, heißt es in übereinstimmenden Medienberichten, die sich auf Angaben der Regierung beziehen. Folglich wird schon jetzt über Maßnahmen diskutiert, das Rentensystem zukunftsfest zu machen, etwa durch Beitragserhöhungen, Leistungskürzungen oder die Erschließung neuer Finanzierungsquellen. Der Beitragssatz von 24 Prozent wird zu je einem Drittel von Arbeitnehmern und Arbeitgebern sowie vom Staat getragen. Die Diskussion betrifft die Renten von Menschen aus dem Privatsektor („Régime général“). Für Staatsbedienstete gelten andere Regeln, die Bezüge liegen deutlich höher. Allerdings gibt es nach einer Reform eine über viele Jahre angelegte allmähliche Angleichung.
Enttäuschung bei AfD-Verbots-Aktivisten
Die Kampagne „Menschenwürde verteidigen – AfD-Verbot jetzt!“ kritisiert das anhaltende Zögern der Abgeordneten des Bundestages, das Verbotsverfahren gegen die AfD im Parlament einzuleiten. Während fast wöchentlich neue Verstrickungen der AfD in der rechtsextremen Szene aufgedeckt werden, zögern die Fraktionsspitzen weiter beim AfD-Verbot. Die nötigen Fakten und der Verbotsantrag liegen auf dem Tisch. „Es ist unwahrscheinlich, dass die Mehrheitsverhältnisse in der kommenden Legislaturperiode noch einmal die Einleitung des Verfahrens ermöglichen werden“, warnt die Sprecherin der Anti-AfD-Kampagne Julia Dück. Mehr als 120 Bundestagsabgeordnete aus fünf verschiedenen Parteien hatten sich bereits im November für einen AfD-Verbotsantrag ausgesprochen, doch fanden sie in ihren Fraktionen keine Mehrheit, sodass kein entsprechender Antrag gestellt wird. Die Zurückhaltung wird damit begründet, dass nicht genügend gesichertes Material vorliege und ein entsprechendes Prüfverfahren beim Bundesverfassungsgericht negativ beschieden werden könnte.
FDP
Rekordspenden
In den aktuellen Umfragen läuft es für die FDP mit drei bis fünf Prozent momentan eher verhalten. Dafür freut sich der designierte FDP-Generalssekretär Marco Buschmann über ein erstaunlich hohes Spendenaufkommen für die Liberalen. „Mit jetzt bald fünf Millionen Euro haben wir noch nie in so kurzer Zeit so viele Klein- und Großspenden erhalten. Wenn der Trend anhält, ist ein Spendenrekord möglich“, freut sich Marco Buschmann. „Das ist auch nötig, damit wir in diesem harten und kurzen Wahlkampf auf Augenhöhe mit den großen Parteien und ihren massiven Werbebudgets sichtbar sind.“ Auch FDP-Chef und Spitzenkandidat Christian Lindner übt sich in Optimismus. „Bei meiner ersten Spitzenkandidatur 2012 standen wir 60 Tage vor der Wahl bei zwei Prozent. Und nach 60 Tagen Wahlkampf haben wir mit 8,6 Prozent abgeschnitten“, resümiert Lindner und schaut betont entspannt auf den Wahltermin am 23. Februar: „Das zeigt, was möglich ist. Jetzt haben wir mehr Zeit und starten mit besseren Umfragen.“
Letzte Chance für Tempolimit
Die Deutsche Umwelthilfe, die Gewerkschaft der Polizei und der Sozialverband VdK fordern ein Tempolimit noch vor den Neuwahlen von der noch amtierenden rot-grünen Bundesregierung. Dies ginge auch per Verordnung, dazu bedürfte es keiner Bundestagsmehrheit, so der VdK. Laut einer neuen Studie des Umweltbundesamtes könnte das Land durch ein Tempolimit von 100 auf Autobahnen und 80 auf Landstraßen bis zu zwölf Millionen Tonnen CO2 pro Jahr einsparen. Weiterer positiver Effekt durch ein Tempolimit: Damit würde außerdem drastisch die Zahl verletzter und getöteter Menschen im Straßenverkehr gesenkt werden, so die Gewerkschaft der Polizei. „Die Zeit der Ausreden ist vorbei. Die neue UBA-Studie zeigt eindrucksvoll, dass das Einsparpotenzial eines Tempolimits sogar noch höher ist als bisher angenommen. Mit einem solchen umfassenden Tempolimit kann der Verkehrssektor seine letztjährige Klimalücke beinahe schließen. SPD und Grüne sollten jetzt zeigen, dass sie es mit dem Klimaschutz ernst meinen, ansonsten werden wir es mit unseren laufenden Klimaklagen durchsetzen“, kündigte der Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe Jürgen Resch an.
Koalition
Anders Regieren
Ein Grundkonstruktionsfehler der Ampelregierung sei der Umstand gewesen, dass der ausgehandelte Koalitionsvertrag bereits acht Wochen nach den Unterschriften durch die völlig veränderte Lage, den Krieg Russlands gegen die Ukraine, hinfällig war, so CSU-Landesgruppenchef im Bundestag Alexander Dobrindt. „Es braucht schlichtweg einen anderen Arbeitsstil. Wir müssen neue Wege auch in der Regierungsarbeit gehen und das geht nur, wenn der Koalitionsausschuss in der zukünftigen Regierungsarbeit eine zentralere Rolle spielt“, kündigt Dobrindt an. Er stellt sich einen schlanken Koalitionsvertrag vor, in dem im Wesentlichen der Politikwechsel festgeschrieben wird. „Der Koalitionsausschuss wird ein eigenes Machtinstrument werden müssen, um Streitigkeiten zu lösen, um Kompromisse zu schließen“, fordert Dobrindt. „Das hat auch was mit Disziplinierung von Ministerien zu tun.“ Das Gremium dürfe laut dem CSU-Landesgruppenchef nicht nur im Krisenmodus tagen, sondern müsse im Funktionsmodus und damit regelmäßig arbeiten, um so auch „mit den Dingen befasst zu werden, wo die Ministerien nicht weiterkommen“.
Wiegand will's wissen
Blickpunkt Europa
„Durchsetzungsstark und entschlossen.“ So beschreiben Insider die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Sie zögert nicht, boxt unbequeme Entscheidungen durch. Nach einem turbulenten Jahr wird dieser Charakterzug auch 2025 prägend sein. Es gibt diverse Themen, bei denen die deutsche Christdemokratin ihren eisernen Willen einsetzen dürfte. Etwa beim Klimaschutz: Der grüne Turbo für Europa soll wirtschaftsfreundlicher werden. Dafür muss von der Leyen in der Ökoszene Granit durchbeißen.
Handelspolitisch ist von der Leyen auf Aufholjagd gegen die USA und China. Kurz vor Weihnachten besiegelte sie gegen Emmanuel Macrons erbitterten Widerstand den Freihandel mit Südamerikas Mercosur-Zone. Nun muss sie Peking zähmen und den künftigen US-Präsidenten Donald Trump einhegen. Das klappt nur mit gutem Nervenkostüm.
Härte braucht von der Leyen auch für mehr europäische Souveränität bei KI und Digitalisierung. 2025 soll der EU-Technologiesprung gelingen– mit milliardenschweren Förderprogrammen und globalen KI-Regeln.
Nicht weniger fordernd: Das Reizthema Migration. Eine faire EU-Verteilung lässt auf sich warten, Drittstaaten sollen ins Boot und neue Konflikte könnten wieder alles neu würfeln. Umwälzungen wie in Syrien sind auch anderswo denkbar. Und das Thema Verteidigung? Die Verzwicktheit dieses Themas schildere ich an anderer Stelle.
Klar ist: Von der Leyen wird auch 2025 nicht jedem gefallen. Europa ist buntscheckig und meinungsfreudig. Doch in diesen Zeiten braucht es eher Leyen’sches Bissvermögen als Merkel’sche Sanftmut. Wir werden sehen.
Wolf Achim Wiegand ist freier Journalist mit EU-Spezialisierung.