Drei Fragen
„Wir freuen uns auf Friedrich Merz“
Erste Treffen zwischen Präsident Macron und Friedrich Merz haben bereits stattgefunden, die Pariser Regierung sei positiv gestimmt, so der Französische Botschaftsrat und Leiter des Institut Français Deutschland, Thomas Michelon.
Herr Botschaftsrat Michelon, was erwarten Sie von der neuen Bundesregierung? Darf man das überhaupt so fragen?
(lacht) Ja, natürlich dürfen Sie das so fragen, Deutschland und Frankreich sind eng befreundete Nationen und wir haben in den letzten Jahrzehnten immer gute Beziehungen gehabt. Gerade jetzt in den turbulenten Monaten nach dem Regierungswechsel in Washington hat sich gezeigt, auch wenn genau in dieser Zeit hier bei ihnen in Deutschland, erst Wahlkampf war, jetzt die Bildung einer neuen Regierung, die Absprachen zwischen Berlin und Paris funktionieren weiter hervorragend. Also wir freuen uns auf die neue Regierung und auf Friedrich Merz.
Gibt es denn schon persönliche Kontakte zwischen Präsident Macron und Friedrich Merz?
Die gibt es tatsächlich, und da haben wir schon gesehen, wie Herr Merz und unser Präsident Macron sehr eng verbunden sind. Sie haben bereits angefangen zusammen Themen abzustecken, und Präsident Macron war kürzlich noch in Berlin, um mit Friedrich Merz zu sprechen, also noch keine Konsultationen, aber schon mal Abstimmungen für die Zukunft. Das sieht also sehr positiv aus, und ich denke, in den wichtigen Punkten, die wir zusammen haben, zum Beispiel unserer Positionen beim Krieg in der Ukraine, Souveränität, wirtschaftliche Entwicklung, haben wir ähnliche Überzeugungen, die sich weiterentwickeln werden.
Sie sind Botschaftsrat für Kultur und Bildung, welche Projekte stehen für Sie bei den zukünftigen deutsch-französischen Beziehungen im Vordergrund?
Oh, da gibt es viele Projekte, zum Beispiel die gemeinsame Sprachstrategie, die bereits vor zwei Jahren mit dem Aachener Traité de la Chapelle gegründet wurde, und das wollen wir nicht nur weiter fortführen, sondern auch ausbauen. Gemeinsame Sprache heißt, mehr gemeinsames Verständnis füreinander. Ein Schwerpunkt wird die Initiative zu Projekten im Bereich der Kultur und der Wirtschaftskultur sein. Es gibt viele Ideen, die wollen wir in den kommenden Jahren zusammen entwickeln und ich bin sehr optimistisch. Ich denke da zum Beispiel an Europe Creative, um die Zukunft Europas mit Kunstprojekten im audiovisuellen Bereich zu fördern. Interview: Sven Bargel

Mehr Konfessionslose als Christen in Deutschland
Erstmalig in der Geschichte der Bundesrepublik leben mehr konfessionslose Menschen in Deutschland als Mitglieder der beiden großen christlichen Kirchen. Im vergangenen Jahr wurden nur noch 38 Millionen Menschen gezählt, die der katholischen oder protestantischen Kirche angehören. 39 Millionen Menschen in Deutschland gelten damit als konfessionslos, so die Daten der Forschungsgruppe Weltanschauungen. Allein im vergangenen Jahr verloren die beiden großen christlichen Kirchen in Deutschland zusammen mehr als eine Million Mitglieder. Dies geht aus den Zahlen der Steuerverwaltungen hervor, ansonsten sind Kirchenaustritte nicht verlässlich messbar. Damit sind die Zahlen der Forschungsgruppe mit Vorsicht zu genießen. Es gibt zum Beispiel Glaubensgemeinschaften mit christlichen Wurzeln, die sich allerdings von den traditionellen beiden Weltkirchen losgesagt haben. Die Daten der Forschungsgruppe Weltanschauungen geht unter anderem auf Befragungen in den Gemeinden zurück und können demnach nicht überprüft werden.
Erneuter Hilferuf der Kommunen
Nun liegen die offiziellen Zahlen der deutschen Kommunen für das Haushaltsjahr 2024 vor: Im vergangenen Jahr haben die Kommunen ein Defizit von 24,3 Milliarden Euro eingefahren. Zwar wurden 3,5 Prozent mehr Steuern eingenommen, doch dem gegenüber standen satte 8,8 Prozent mehr Ausgaben. Damit hat sich das negative Finanzierungssaldo in den Gemeinden und Kreisen gegenüber 2023 fast vervierfacht, so der Städte- und Gemeindebund. Was die Kämmerer in Stadt und Land besonders besorgt: Das Rekorddefizit von fast 25 Milliarden im vergangenen Jahr sei keinen Sondereffekten wie zum Beispiel erhöhte Flüchtlingszahlen geschuldet. Laut Städte- und Gemeindebund sind die strukturellen Probleme durch eine nicht von den Kommunen verantwortete Aufgaben- und Ausgabenflut seitens des Bundes begründet. In diesem Jahr kommt der Abschluss der Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst hinzu. Sollte der Vorschlag der Schlichter angenommen werden, würde das Mehrausgaben für die Kommunen von jährlich rund zehn Milliarden Euro bedeuten, heißt es.
Deutliche Einbußen erwartet
Der deutschen Wirtschaft drohen erhebliche Exporteinbußen in die USA, sollte US-Präsident Donald Trump bei den verhängten Zöllen bleiben. „Das würde ganz erhebliche Auswirkungen haben, da darf man nicht naiv sein“, sagte der geschäftsführende Finanzminister Jörg Kukies im ZDF. Nach Berechnungen des Ifo-Instituts würden laut Kukies die deutschen Exporte in die USA um rund 15 Prozent sinken. Die Wachstumsaussichten würden sinken, die Rezessionsgefahr würde steigen. Kukies sieht in dem durch die US-Zölle ausgelösten Handelskonflikt keine Gewinner. Alles, was man an Reaktionen bei US-Unternehmen sehe, zeige, dass auch die Rezessionsgefahr in den USA steige. Spielräume für versprochene Steuersenkungen würden so sinken. Trump hatte bereits durchblicken lassen, er werde auf keinen Einigungsversuch der EU eingehen.
Stadtzentren im Osten lebendiger

Da hat es seit der Wiedervereinigung offenbar eine echte Standortverschiebung gegeben: Die Innenstadtzentren in den ostdeutschen Städten sind laut einer Umfrage lebendiger als die im Westen. Das soll daran liegen, dass in den Stadtzentren der ostdeutschen Bundesländer eine ausgewogenere Mischung als im Westen vorherrsche, dies bringe mehr Menschen in die Innenstädte. Im Osten gibt es demnach mehr öffentliche Einrichtungen, Arbeitsplätze, Bildungsinstitutionen und Dienstleistungen, so Susann Liepe, Vizepräsidentin des City-Management-Verbandes Ost, der diese Umfrage geleitet hat. Gleiches bestätigt der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Handelsverbandes Stefan Genth: „Das zeigt ganz deutlich die Deutschlandstudie: Im Westen gehen die Menschen vor allem zum Einkaufen in die Fußgängerzone, im Osten sind die Beweggründe weit vielfältiger“, so Genth. Laut Studie unter 5.000 Befragten besuchen 18 Prozent der Bewohner im Einzugsgebiet täglich ihre City, im Westen sind es dagegen nur zehn Prozent.

Kredite
Mehr Transparenz
Wer einen Kredit beantragt oder eine Wohnung mieten will, muss in der Regel eine Schufa-Abfrage über sich ergehen lassen. Doch wie diese Bewertung der Bonitätsprüfung zustande kommt, steht seit Jahrzehnten in der Kritik. Und überprüfen können das die Betroffenen bisher nicht. Die Schufa will nun deutlich transparenter werden. Verbraucher sollen künftig nachvollziehen können, wie die Auskunftei zu ihren Bonitätseinschätzungen kommt, so das Unternehmen. Statt auf bislang 250 möglichen Kriterien basiere die Berechnung der Kreditwürdigkeit künftig nur noch auf zwölf Eckwerten, darunter Daten zum Kredit mit der längsten Laufzeit, zu aufgenommenen Ratenzahlungen aus den vergangenen zwölf Monaten oder möglichen Zahlungsstörungen. Je Kriterium werden 100 bis 999 Punkte vergeben und addiert. Je höher der Score, desto wahrscheinlicher ist es, dass Verbraucher ihre Rechnungen oder Kredite fristgerecht bezahlen, damit steige dann auch die Kreditwürdigkeit, so die Schufa.
Reichinnek im Saarland
Mehr als 500 Besucherinnen und Besucher verzeichnete die saarländische Linke nach Parteiangaben beim Besuch ihrer künftigen Bundestags-Fraktionschefin, Heidi Reichinnek. Darunter waren zahlreiche zumeist junge Menschen. Im Saarrondo sprach die Politikerin mit Anhängern und Parteimitgliedern über Klimawandel, soziale Themen, Gerechtigkeit und ihre künftige Arbeit in der Opposition. Den Hype um ihre Person wegen ihrer temperamentvollen Bundestagsauftritte lehne sie ab, vielmehr ginge es in ihrer Arbeit um die Rechte aller Menschen und gerechte Vermögensverteilung, so Reichinnek. Gastgeberin Barbara Spaniol, Landesvorsitzende der Linken im Saarland, sprach von einem Comeback der „totgeglaubten“ Linken. Unter Jugendlichen im Alter von 18 bis 24 Jahren hatte die Linke bei der vergangenen Bundestagswahl am besten von allen Parteien abgeschnitten.
Nicht zum Jubeln
Die saarländische Stahlindustrie kämpft mit Kurzarbeit und schwieriger Auftragslage mitten in der technologischen Transformation. Nun haben sich Gewerkschaft und die Saarstahl AG auf Eckpunkte für einen Tarifvertrag verständigt. Demnach werde die bereits vereinbarte Tariferhöhung von 5,5 Prozent mit der April-Abrechnung ausgezahlt, das Weihnachts- und Urlaubsgeld bleibt unangetastet. Auszubildende werden unbefristet übernommen. Beschäftigte, die zum 1. Mai 2025 Mitglied der IG Metall sind, erhalten 2027 und bis zum Ende der Laufzeit drei zusätzliche Urlaubstage. Sie sollen zudem weniger arbeiten und entsprechend weniger verdienen: in diesem Jahr 32 Stunden, ab 2026 33 Stunden und 2027 34 Stunden pro Woche. Für Jörg Köhlinger, Bezirksleiter der IG Metall Mitte und Verhandlungsführer, ein „schmerzhafter Kompromiss“ und „kein Grund zum Jubeln“, man sei dem Unternehmen weit entgegengekommen. Über die Bedingungen sollen die Gewerkschaftsmitglieder am 14. April abstimmen. Die Tarifkommission hat der Kompromisslösung bereits zugestimmt.
Deutschland braucht den Neubau-Turbo

Beim Wohnungsneubau geht es konkret um die Befriedung eines sozialen Sprengstoffes in Deutschland. So hat es der Wohnungsbaugipfel in Berlin in der Woche vor Ostern auf den Punkt gebracht. Mit dabei waren die Chefs der sieben führenden Organisationen, Gewerkschaften und Verbänden der deutschen Bau- und Wohnungswirtschaft. Eine zentrale Frage beherrschte den Wohnbaugipfel: Wie will die sehr wahrscheinliche zukünftige Bundesregierung aus Union und SPD den Neubau-Turbo zünden? Allein die Aussicht eines 500-Milliarden-Sondervermögens für Infrastruktur reiche nicht, das Geld müsse auch schnell ankommen, so die Vertreter aus der Bau- und Wohnungswirtschaft einhellig. Dazu gehöre Plan- und Genehmigungsverfahren zu entbürokratisieren, damit schneller gebaut werden kann. Außerdem müsse Bauen preiswerter werden, überzogene Öko- oder Sicherheitsstandards zurückgenommen werden, fordert vor allem die Wohnungswirtschaft auf dem Gipfel. Sonst könne man Quadratmeterpreise von zehn Euro Kaltmiete nicht erreichen, da dies unternehmerisch weder für private noch öffentliche Bauträger darstellbar sei.

Migration
Gestalten statt verschärfen
Laut Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) leben in Deutschland 25 Millionen Menschen mit Migrationshintergrund. Doch niemand von ihnen sitzt mit am Tisch bei den Koalitionsverhandlungen zu einer neuen Bundesregierung, kritisiert ein Zusammenschluss mehrerer Migrantenorganisationen. Damit verspiele Deutschland seine Zukunft, wenn beinahe ein Drittel der deutschen Bevölkerung bei diesen Verhandlungen mit ihren Anliegen nicht gehört wird, so der Zusammenschluss. In Verantwortung für den gesellschaftlichen Zusammenhalt, die Zukunftsfähigkeit unseres Landes und die Würde aller Menschen fordern die Migrantenorganisationen in der finalen Phase der Koalitionsverhandlungen statt über Verschärfung endlich über die Gestaltung der Einwanderungsgesellschaft zu entscheiden, heißt es in einer gemeinsamen Erklärung.
Wiegand will's wissen
Blickpunkt Europa
Dass Europa unabhängiger von den USA werden muss, ist eine Binsenweisheit. Allerdings richtet sich der Blick meistens auf Handel und Verteidigung. Dabei ist längst ein Wettbewerb hoch über uns entbrannt: im Weltraum.
Jahrzehntelang hat die „Alte Welt“ das All den USA überlassen. Nach Mondlandung und Internationaler Raumstation (ISS) hielt man die Pioniernation für uneinholbar. Auch die Kommerzialisierung mit SpaceX & Co. füllte das Habenkonto der Vereinigten Staaten.
Inzwischen ist klar: Monopole machen verwundbar. Wer keine Trägerraketen bauen kann, um Satelliten und Menschen in den Himmel zu bringen, verliert an Einfluss. Zu wichtig sind inzwischen orbitgestützte Erdsysteme. Dazu gehören Navigation, Wetterbeobachtung oder Bankendienste, die atomgenaue Zeitstempel aus GPS-Satelliten für Finanztransaktionen nutzen.
Die Europäische Weltraumorganisation (Esa, 23 Mitgliedsländer) tat sich lange schwer mit innovativen Projekten. Die Behörde scheiterte am eigenen Verwaltungswesen. Und der Politik mangelte es an Einsicht für Geldfreigaben. Das hat sich gründlich geändert.
Heute, im 50. Jahr des Esa-Bestehens, ist Raumfahrt in Europa als „kritische Infrastruktur“ anerkannt (auch militärisch). Privatlösungen und Start-ups sind Teil des Esa-Programms.
Die politischen Entwicklungen unter US-Präsident Donald Trump begünstigen, dass Europa seine Eigenständigkeit in der Raumfahrt stärkt. Die Bundeswehr soll ihre Satelliten nicht mehr nur mit EU-Gegner Elon Musk ins All bringen können … Somit dient Raumfahrt der Resilienz und Unabhängigkeit Europas und erfährt endlich die notwendige Wertschätzung.
Wolf Achim Wiegand ist freier Journalist mit EU-Spezialisierung.