Drei Fragen
„Dies wird Menschen besser schützen“
Erstmalig werde man deutschlandweit bis auf den Meter genau vor Starkregengefahren warnen können, sagt der Präsident des Bundesamtes für Kartographie und Geodäsie, Professor Paul Becker.
Herr Professor Becker, welche Besonderheiten hat die neue Starkregenkarte für Deutschland, die Sie erstellt haben?
Es sind drei kartographische Eigenschaften, die wir hier zusammengeführt haben. Das ist natürlich zum einen die sehr hohe Auflösung auf einen Meter genau. Das klingt banal. Aber nun die zweite Besonderheit: Wir haben ganz Deutschland für alle abrufbar in die Karte auf den Meter genau eingepflegt, und das alles auch noch dreidimensional. Das heißt, mit den angegebenen durchschnittlichen Regenmengen kann man sich vorstellen, wie diese sich verteilen werden, da man die Höhen und Senken des Geländes auf den Meter genau auf der Karte sehen und dann auch nachvollziehen kann.
Dank optischer 4K-Erfassung könnte es auch noch genauer gehen.
Natürlich ist es technisch möglich, wir könnten die 3D-Karte auf zehn Zentimeter hochzoomen, also praktisch jede Bordsteinkante sichtbar machen. Aber das ist mit gigantischen Datenmengen verbunden. Die breite Verfügbarkeit, darum geht es bei der Starkregenkarte, denn jeder kann sie abrufen, würde sehr viel mehr Geld kosten. Dies hätte aber als Hinweiskarte für die Bevölkerung überhaupt keinen Mehrwert. Es geht darum, in welchen Regionen muss ich mit welchen Regenmengen rechnen? An dieser Stelle ein wichtiger Hinweis: Es ist eine Starkregen-Gefahren-Hinweiskarte. Ein Wortungetüm. Es macht aber deutlich: Es ist keine Wettervorhersage, sondern basiert auf Klimadaten und warnt vor möglichen Starkregenereignissen im abgefragten Gebiet.
Ist es denkbar, diese 3D-Starkregen-Gefahren-Hinweiskarte tatsächlich mal zu einer aktuellen Starkregen-Warnkarte auszubauen?
Also vieles ist möglich, aber es sind eben gigantische Datenmengen und diese zu verwalten kostet Geld und ist auch personalintensiv. Kleiner Spoiler: Wir sind eine Bundesbehörde. Denn so eine Karte müsste viel öfter aktualisiert werden. Nun verändert sich nicht die Topographie eines Geländes, aber am Boden kommt es recht schnell zu baulichen Veränderungen, die müssten dann bei einer Warnkarte viel öfter eingepflegt werden. Wobei wir bei unserer Starkregen-Gefahren-Hinweiskarte Veränderungen im Gelände auch berücksichtigen werden. Interview: Sven Bargel

200 neue Pflegeheime pro Jahr
In den vergangenen zwei Jahren mussten in Deutschland 1.200 Pflegeeinrichtungen Insolvenz anmelden oder gleich ganz schließen. Dies geht aus dem aktuellen „Heimsterben-Monitoring“ des Arbeitgeberverbandes Pflege (AGVP) hervor. Auch in diesem Jahr wird das Heimsterben weitergehen, sagt AGVP-Präsident Thomas Greiner. „Niemand in der Gesundheitspolitik kann noch behaupten, nichts vom Heimsterben zu wissen, doch auch im Koalitionsvertrag von Union und SPD findet sich nicht ein Ansatz, um das Pflegeheimsterben zu stoppen.“ Für den AGVP-Präsidenten kommt das einer Arbeitsverweigerung gleich. Zu den „drei Affen, die nichts sehen, nichts hören, nichts sagen, scheint jetzt endgültig ein vierter Affe dazugekommen: der des Nichtstuns“. Pflegekassen und Sozialhilfeträger lassen Einrichtungen auf Millionenbeträgen sitzen, bürokratische Vorgaben ersticken jede betriebswirtschaftliche Vernunft, kritisiert Greiner. „Dabei müssen ab sofort jährlich mindestens 200 Pflegeheime pro Jahr neu eröffnet werden, um den Heimnotstand in den Griff zu bekommen“, fordert der Präsident des Arbeitgeberverbands Pflege.
Harte Strafen für Meta und X
In der Messenger-App Whatsapp des US-Konzerns Meta tauchte kürzlich ein blauer Kreis auf. Ungefragt flanschte Whatsapp eine KI an. Dies könnte Konsequenzen haben, vor allem, wenn der Konzern versucht, über diesen Umweg seine KI mit Daten aus privaten Whatsapp-Nachrichten zu füttern. Die EU-Kommission beschäftigt sich daher bereits mit einer diesbezüglichen Anfrage einer tschechischen Abgeordneten. Die KI, die seit 2023 bereits auf US-amerikanischen Handys im Einsatz ist, kommt in Europa in eingeschränkter Form daher. Sie darf sich nur mit Text beschäftigen und keine Fotos bearbeiten. Laut Meta soll die KI Fragen der User beantworten, ohne dass sie das Umfeld von Whatsapp verlassen müssen. Sie kann jedoch stummgeschaltet werden. Wettbewerbskommissarin Henna Virkkunen jedoch will harte Strafen gegen Konzerne wie Meta, X und Apple verhängen. Bereits laufende Verfahren gegen die US-Konzerne wegen Wettbewerbsverstößen und dem zu laxen Umgang mit illegalen Inhalten sollen laut Virkkunen kurz vor dem Abschluss stehen. Grundlage ist der europäische Digital Service Act, dem sich alle Firmen, europäische wie auch amerikanische, beugen müssen.
Steuererklärung leicht gemacht
Bürokratieabbau dank Digitalisierung ist ein allgegenwärtiges Zauberwort. Deutschland hat dabei bekanntlich noch viel Luft nach oben. Luxemburg testet derzeit bei der Steuererklärung eine deutliche Erleichterung, indem ausgewählten Steuerpflichtigen eine bereits vorausgefüllte Steuerklärung zugesandt wird, die dann lediglich noch kontrolliert werden muss. Allerdings gilt das erst mal nur für eine überschaubare Anzahl von rund 20.000 Personen, bei denen nur Lohn- oder Renteneinkünfte anfallen. Andere Einkunftsarten (aus Kapital oder Immobilien) sind nicht erfasst. Die Formulare sind auf der Basis der Vorjahreseinkünfte vorausgefüllt. Wer das akzeptiert, kann mit schneller Bearbeitung rechnen.
Getreideprodukte könnten wieder teurer werden

Die Weltwetterorganisation (WMO) warnt vor drohenden Engpässen bei der weltweiten Getreideversorgung spätestens im Spätsommer dieses Jahres. Grund dafür sind infolge andauernder Dürre die drohenden Missernten in Polen, Belarus und der Ukraine. Die drei Staaten zählen zu den größten Getreideproduzenten der Welt. Die Böden seien bereits extrem trocken in den Winter gegangen, dieser war wiederum viel zu trocken, teilweise fehlte die gewohnte geschlossene Schneedecke ganz. Auch das Frühjahr ist weiterhin viel zu trocken.
Da es möglicherweise im Sommer in Zentraleuropa ebenfalls wenig regnet, könnte es zu einer Missernte ungekannten Ausmaßes kommen, sagt die WMO voraus. Betroffen davon wären vor allem die Länder des globalen Südens, weil durch die Missernten automatisch die Weltmarktpreise für die Tonne Weizen massiv ansteigen werden. Bereits Anfang April lag der Durchschnittspreis für Weizen oder Hafer um bis zu zehn Prozent über denen des Vorjahres.

Verkehr
Maut nur für Straßenbau
Die neue Bundesregierung beabsichtigt offensichtlich die Einnahmen aus der Lkw-Maut wieder ausschließlich für Baumaßnahmen auf Bundesfernstraßen einzusetzen. Vor diesem geschlossenen Finanzierungskreislauf warnt selbst das Verkehrsministerium. Die künftige Bundesregierung plant die Erträge aus der Lkw-Maut nicht mehr für die Infrastruktur klimafreundlicher Verkehrsträger wie etwa Schiene oder Binnenschifffahrt zu verwenden. Der Geschäftsführer der Bahn-Lobby-Organisation Allianz pro Schiene, Dirk Flege, spricht von einer Rolle rückwärts bei der Förderung von umweltverträglichen Verkehrsträgern. „Der CO2-Aufschlag wurde eingeführt, um die schädlichen Treibhausgase im Verkehrssektor zu reduzieren und die Klimaziele zu erreichen, darum muss die bisherige Regelung bestehen bleiben, sonst rücken die Klimaziele beim Verkehr in noch weitere Ferne“, sagte Flege.
Kostspieliger Tarifabschluss

Bundesweit können die Bürger in Deutschland aufatmen: In den kommenden zwei Jahren wird es in Deutschland keine Streiks bei den Bürgerämtern, den staatlichen Kitas, der Müllabfuhr oder den Wasserwerken mehr geben. Der öffentliche Dienst, Beamtenbund und Verdi haben sich auf einen Tarifvertrag geeinigt. Doch was des Bürgers Freud ist der Länder Leid: Die Kosten für die erhöhten Gehälter werden beim Bund mit zwei Milliarden Euro zu Buche schlagen, bei den Ländern mit zehn Milliarden Euro. Die Länder müssen die Mehrkosten aus ihren Haushalten finanzieren. Hilfe ist jedoch unterwegs, die kommenden Milliardenausgaben des Bundes sollen auch Ländern und Kommunen zugute kommen. Wie dies bei Altschulden helfen kann, ist noch unklar.
Luxemburg kritisiert Migrationspolitik
Die im Koalitionsvertrag von Union und SPD vereinbarten Änderungen in der Migrationspolitik stoßen bei den Nachbarn auf Kritik. Luxemburgs Innenminister Léon Gloden hat die geplanten Grenzkontrollen und Zurückweisungen einmal mehr und deutlich zurückgewiesen. „Es verstößt gegen EU-Recht, dass man einfach unilateral illegale Einwanderer zurückstößt, da bin ich mir ganz sicher“, sagte Gloden gegenüber „Euractiv“ (europäisches Mediennetzwerk). Auch Binnengrenzkontrollen „erfüllen die juristischen Kriterien nicht“. Gloden hält auch die Begründungen einer Gefahrenabwehr von Gewalttaten durch illegale Migration für nicht tragfähig. Die Täter seien länger im Land gewesen und nicht „montagmorgens über die Schengener Autobahn nach Deutschland gereist und nachmittags haben die ein Attentat verübt“. Letztlich, so vermutet Gloden, sei die Absicht: „Man setzt vor allem auf Grenzkontrollen, um den Leuten zu verstehen zu geben, dass Deutschland etwas tut.“
Besser hören
Mit steigendem Lebensalter nimmt das Risiko für Hörstörungen deutlich zu. Doch auch jüngere Menschen sind zunehmend betroffen – sei es durch laute Musik, Lärm am Arbeitsplatz oder Infektionen. In Deutschland leben schätzungsweise rund 16 Millionen Menschen mit einer Hörminderung. Oft bleibt sie zunächst unbemerkt. Dabei ist Vorbeugung ebenso wichtig wie rechtzeitige Diagnostik und moderne Behandlungsmöglichkeiten. Die Klinik für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde des Caritas Klinikums Saarbrücken St. Theresia lädt deshalb am Dienstag, 29. April, um 18 Uhr zu einer kostenlosen Informationsveranstaltung unter dem Titel „Ich verstehe Dich nicht! Hörstörungen und was wir dagegen tun können“ ein. Die Veranstaltung findet im Caritas Klinikum Saarbrücken, Rheinstraße 2, im Eingangsgebäude, viertes Obergeschoss, Raum 4, statt. Im Anschluss besteht die Möglichkeit, individuelle Fragen zu stellen – auch im persönlichen Einzelgespräch.

Extremwetter
Neue Gefahrenkarte
Extreme Starkregen- und Hochwassereignisse wie das Pfingsthochwasser im vergangenen Jahr werden allen Prognosen zufolge häufiger vorkommen. Um besser damit umgehen zu können, gibt es nun eine neue Gefahrenkarte, die nach den Worten von Umweltministerin Petra Berg eine Lücke zwischen Vorsorge und Gefahrenabwehr schließen soll. Die Karte zeigt in dynamischen Modellierungen nicht nur, welche Gebiete von einer Überflutung betroffen wären, sondern beinhaltet auch Daten über Wassertiefe und Fließgeschwindigkeit, also wichtige Informationen auch für Rettungsdienste, um zu wissen, welche Straßen, Wege oder Zufahrten passierbar sind oder wo es zu riskant wäre. Die Karte ist ein Ergebnis des Forschungsprojekts „Starkregen- und Erosionsgefahrenkarten des Saarlandes“ von Prof. Dr. Alpaslan Yörük und seinem Team an der Hochschule für Technik und Wirtschaft Saar. In einem zweiten Schritt soll nun auch eine Erosionskarte erstellt werden, die Auskunft gibt, wo Starkregen Böden erodiert, wie das Material transportiert wird und sich ablagert. Ziel ist, zusammen mit anderen Projekten ein landesweites Frühwarnsystem aufzubauen (s. auch Bericht S. 42).
Kohlendioxid-Deponie in der Nordsee

Zukünftig könnte vor der deutschen Nordseeküste von Schleswig-Holstein eine riesige unterirdische Lagerstätte für das Verpressen von Kohlendioxid entstehen. Drei Jahre hat der Forschungsverbund Geostor, bestehend aus acht verschiedenen Institutionen, die Gesteinsschichten vor der Nordseeküste in bis zu 1.500 Meter Tiefe untersucht. Ergebnis: Es sei prinzipiell möglich, 800 Meter tief unter der Nordsee große Mengen Kohlendioxid (CO2) zu speichern. Als denkbare Deponie für das Treibhausgas ermittelten sie Schichten von porösem Buntsandstein, abgedeckt von Barriere-Gestein. Diese Schichten könnten bis zu 5,5 Milliarden Tonnen CO2 aufnehmen, fast das Zehnfache der derzeitigen deutschen Jahres-Emissionen. Das Verpressen würde allenfalls schwache Erdbeben der Stärke 2 auslösen, so die Wissenschaftler. Den Windkraftanlagen der Nordsee würde das nichts anhaben. Überwachen ließen sich die Speicher mit passiv-seismischen Verfahren, die selbst die dort lebenden lärmempfindlichen Schweinswale nicht stören würden, so die Forscher.
Wiegand will's wissen
Blickpunkt Europa
Handelskrieg, Ukraine-Krieg, Gaza-Krieg – seit dem Zweiten Weltkrieg hatte keine Bundesregierung so viele internationale Konflikte vor der Brust wie jetzt Schwarz-Rot. Dazu kommt: Der seit 1945 als Schutzmacht für Demokratie und Freiheit aufgetretene Partner scheint sich verabschiedet zu haben. Erstmals müssen wir wohl im militärischen Notfall allein handeln – im europäischen Verbund.
Das neue Berliner Kabinett steht vor einer enormen Kraftanstrengung. Es geht nicht nur um einen gewaltigen Finanzbedarf. Sondern zugleich müssen die Menschen darauf vorbereitet werden, dass sich die Konfliktlage weiter zuspitzen kann. Dann, wenn selbst Verhandlungen den Frieden und unsere Freiheit nicht mehr sichern können.
Die entscheidende Frage ist: „Sind wir bereit, die freiheitliche Grundordnung hier zu verteidigen und dafür auch gewisse Härten zu akzeptieren – oder ist uns das zu anstrengend?“ So formuliert es Claudia Major, eine der wichtigsten deutschen Politologinnen. „Sind wir bereit, jeder einzelne, in das Privileg der Freiheit zu investieren?“
Das ist im freien Europa keine theoretische Luxusfrage mehr – sie kann reale Überlebensfrage werden. Wir Deutsche brauchen, wie unsere Verbündeten in EU und NATO, nicht nur mehr Waffen und Material, sondern auch mehr Menschen, die sie bedienen. Deshalb muss die künftige Bundesregierung den gesellschaftlichen Diskurs eröffnen.
Das Thema Militärdienst wird im Koalitionsvertrag zu zaghaft behandelt. Auch anderswo in Europa scheuen Politiker das Thema. Hier überzeugende Lösungen zu finden, ist eine der sensibelsten Aufgaben für Schwarz-Rot.
Wolf Achim Wiegand ist freier Journalist mit EU-Spezialisierung.