Drei Fragen
„Über Gregor Gysi habe ich mich geärgert“
Der Satz, DDR-Bürger hätten durch die Deutsche Einheit an Freiheit dazugewonnen, war eines Alterspräsidenten des Bundestages unwürdig, sagt Evelyn Zupke, SED-Opferbeauftragte des Bundestages.
Frau Zupke, vor 35 Jahren wurde erstmalig eine SED-Opferbeauftragte vom Bundestag ernannt. Warum sind bis zum heutigen Tag immer noch nicht alle Opfer erfasst?
Zur Wahrheit gehört dazu, dass wir vermutlich nie alle Opfer der SED-Diktatur in der DDR erfassen werden können, da es allein schon durch die Machenschaften der Stasi ein Dunkelfeld gibt. Und es gab bis dahin in Deutschland keine Blaupause für die Aufarbeitung einer Diktatur. Allein Anfang dieses Jahres hat der Bundestag das umfassendste Paket für die Opfer der SED-Diktatur verabschiedet. Also fast 36 Jahre nach dem Zusammenbruch des SED-Staates bin ich als SED-Opferbeauftragte weiterhin gefordert.
Wie wirkt es auf Sie, wenn nun gerade wieder in den ehemals neuen Bundesländern eine Partei mit klar antidemokratischen Parolen stärkste Kraft werden kann?
Darauf habe ich eigentlich keine Antwort. Also keine einfache, weil es so schwer zu begreifen ist. Offenbar sind Menschen, deren Familien noch geprägt sind von der jahrzehntelangen SED-Diktatur, anfälliger. Vielleicht haben wir es auch zu sehr versäumt, die Brüche vieler Menschen nach der Wiedervereinigung aufzuarbeiten. Ich warne aber, es gibt nicht „den“ Ostdeutschen, da ist der politische Häftling, aber auch der SED-Funktionär. Also da sind so viele Implikationen drin, die es sehr komplex machen. Nichtsdestotrotz, ja, wir haben ein Problem, ich stehe da auch fassungslos davor.
Wie sehr hat es Sie geärgert, dass der Alterspräsident des Bundestages, Gregor Gysi, sagte, die Ostdeutschen hätten an Freiheit dazugewonnen?
Es war eines Alterspräsidenten des Bundestages unwürdig. Die ehemaligen Bürger der DDR haben nicht an Freiheit dazugewonnen, sondern sie haben sich die Freiheit in Jahrzehnten überhaupt erkämpft. Was mich an Gysi am meisten ärgert, gerade er müsste es besser wissen. Gleichzeitig bestätigte er meine Befürchtung, viele Menschen in ganz Deutschland wissen zu wenig über die SED-Diktatur, darum ist Ostalgie in Teilen salonfähig. Damit gehören Gedenkstätten zur SED-Diktatur zur kritischen Infrastruktur der Demokratie. Vielleicht ein Baustein gegen die Demokratiefeinde, die in Ostdeutschland derzeit wieder Wahlerfolge erzielen. Interview: Sven Bargel

Teures Jahr für Kfz-Versicherer
Im vergangenen Jahr haben Sturm, Hagel und Überschwemmungen bei den Kfz-Versicherern einen Schaden von rund 1,3 Milliarden Euro angerichtet. „Durch Unwetter wurden 2024 rund 340.000 kaskoversicherte Fahrzeuge beschädigt. Die Kfz-Versicherer zahlten dafür 1,3 Milliarden Euro“, so der Geschäftsführer des Gesamtverbandes der Versicherungswirtschaft, Jörg Asmussen. Die Unwetterschäden reichten dabei von kleinen Dellen und Kratzern durch Hagel bis hin zum Totalschaden durch vom Sturm umgerissene Bäume oder Überschwemmungen. Dabei gibt es starke regionale Unterschiede. Besonders betroffen waren im vergangenen Jahr Bayern, Baden-Württemberg und Thüringen. In diesen drei Ländern waren die Schäden nicht nur häufiger, sondern mit einer durchschnittlichen Höhe von mehr als 4.000 Euro Kosten pro Fahrzeug auch gravierender. Wird ein Kraftfahrzeug durch Unwetter beschädigt, kommt die Voll- beziehungsweise Teilkaskoversicherung dafür auf. Auf den persönlichen Schadenfreiheitsrabatt hat ein solcher Schaden keinen Einfluss.
Vor allem Kommunen entlasten
Mit einem Investitionsbooster will die Bundesregierung vor allem Unternehmen bis 2029 in Höhe von 46 Milliarden Euro steuerlich entlasten. Generell finden die Länder dies gut, allerdings sorgt die steuerliche Entlastung auf der einen Seite für staatliche Steuerausfälle auf der anderen Seite. Kritisiert wird die Verteilung: Ein Drittel, gut 18 Milliarden, gehen zu Lasten des Bundes, zwei Drittel, 30 Milliarden Euro, zu Lasten der Länder. Nun ist Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) den Ländern entgegengekommen und will vor allem die kommunalen Steuerausfälle von geschätzt 13,5 Milliarden Euro kompensieren. Ein Weg könnte dabei die Absenkung der Gewerbesteuerumlage sein. Das heißt, die Gemeinden müssen von ihrer erhobenen Gewerbesteuer weniger an Länder und Bund abgeben, so der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Landkreistages, Hans-Günter Henneke. „Das wäre ein einfacher, wirksamer und zielgenauer Weg“, so Henneke. Das Unternehmens-Investitionsprogramm der Bundesregierung soll noch vor der parlamentarischen Sommerpause verabschiedet werden.
Kein Greenwashing-Verbot
Überraschend will die EU ein Verbot von sogenanntem Greenwashing nun doch nicht in die Tat umsetzen. Die konservative EVP-Fraktion im Parlament hatte die Kommission aufgefordert, den Gesetzesvorschlag zurückzuziehen, weil dies unverhältnismäßig viel Bürokratie für Unternehmen bedeutet hätte. Dem Vorschlag wird die Kommission voraussichtlich folgen. Bei Greenwashing handelt es sich um Umweltversprechen von Unternehmen, die irreführend sind. Im April wurde zum Beispiel die Deutsche-Bank-Tochter DWS wegen Greenwashing zu einer Strafe von 25 Millionen Euro verurteilt. Sie hatte einige Wertpapiere als nachhaltige Anlage beworben. Dagegen nahm die Staatsanwaltschaft Frankfurt Ermittlungen auf. Das Gericht sah es nun als erwiesen an, dass DWS in ihren Marketingversprechen übertrieben hatte.
Blackout in Spanien und Portugal aufgeklärt

Es war der größte anzunehmende Zwischenfall der europäischen Stromversorger in den vergangenen Jahrzehnten. Ende April dieses Jahres fiel stundenlang der Strom auf dem spanischen und portugiesischen Festland komplett aus. Nur die Inseln der beiden Länder waren nicht betroffen, weil ihre Stromversorgung autark vom Festland läuft. Erste Vermutungen, dass dieser Blackout von kriminellen Hackern verursacht wurde, haben sich nun endgültig nicht bestätigt, so die spanische Umweltministerin Sara Aagesen Munoz, die auch für die Stromversorgung des Landes zuständig ist. Eine Überspannung, also zu viel Spannung im Netz, sorgte für den gigantischen Stromausfall. Diese führte dann zu einer beinahe unkontrollierten Kettenreaktion von Schutzabschaltungen, was in Spanien und Portugal um kurz nach halb eins am Mittag des 28. April alle Stromnetze ausfallen ließ, so die spanische Umweltministerin Aagesen. Diese Überspannung im spanischen Stromnetz sei durch mehrere Faktoren ausgelöst worden: unsachgemäße Planung und mangelnde Koordination von Kraftwerken und Energienetzbetreibern.

Geheimdienst
Diplomat wird BND-Chef
Martin Jäger hat eine echte Beamten-Bilderbuchkarriere hinter sich und wird nun, kurz vor seinem 61. Geburtstag, Chef des deutschen Auslandsgeheimdienstes BND. Jäger ist derzeit noch Botschafter in der Ukraine, zuvor leitete er, neben vielen anderen Aufgaben, die diplomatischen Vertretungen Deutschlands in Afghanistan und Syrien, war aber auch Sprecher von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, als dieser Außenminister war. Der derzeitige BND-Chef Bruno Kahl geht beruflich den umgekehrten Weg, vom Geheimdienstchef in den diplomatischen Dienst als deutscher Vertreter im Vatikan. Eine weitere Entscheidung des Bundeskabinetts in Sachen Diplomatie: Der derzeitige deutsche Botschafter in Äthiopien, Jens Hanefeld, wechselt in seiner Funktion nach Washington. Für Hanefeld ein Karrieresprung und zugleich auch große Herausforderung. Er ist damit für das Bundeskanzleramt der politische Seismograf in den seit dem Amtsantritt von US-Präsident Trump angespannten deutsch-amerikanischen Beziehungen.
Bezahlkarte für Geflüchtete
Mit etwas Verzögerung hat auch im Saarland die Ausgabe von Bezahlkarten an Geflüchtete begonnen. Zunächst wird die Bezahlkarte an Geflüchtete in der Aufnahmstelle Lebach ausgegeben, danach in den Kommunen. Nach Angaben des Innenministeriums ist die Karte mit einer sogenannten „Whitelist“ programmiert, Zahlungsempfängern wie ÖPNV, Kommunikationsanbietern und Energieversorgern. Die kommunalen Leistungsbehörden können diese dann jeweils eigenständig ergänzen. Auslandsüberweisungen an zum Beispiel Familienangehörige sind nicht möglich. Damit setzt das Saarland einen Beschluss der Ministerpräsidentenkonferenz um. Das Innenministerium verweist darauf, dass im Saarland bereits in der Vergangenheit nur ein Teil der Leistungen in bar als Taschengeld ausgezahlt wurde. Lebensmittel, Hygieneartikel oder Bekleidung werden als Sachleistungen zentral bereitgestellt. Ausgenommen von der Neuregelung sind ukrainische Flüchtlinge, da sie nach kurzer Zeit bereits unter die Regelungen des Sozialgesetzbuchs (SGB) fallen.
Getrübte Stimmung in Luxemburg
Die Diskussion um eine Rentenreform in Luxemburg führt offenbar zu großer Besorgnis. Im aktuellen Politmonitor im Auftrag des „Luxemburger Wortes“ und von RTL Lëtzebuerg sagt über die Hälfte der Luxemburger (53 Prozent), sie würden sich große Sorgen um die Altersversorgung machen. Vor einem Jahr waren es nur 44 Prozent. Damit ist das Rententhema auf Platz drei der wichtigsten Sorgen gestiegen, nach den Themen bezahlbarer Wohnraum und der Sorge um die globale Sicherheit (jeweils zwei Drittel). In Luxemburg wird unter anderem über eine Verlängerung der Beitragsjahre und eine Einbeziehung der Beamten diskutiert. Insgesamt hat das Ansehen der Regierung unter Premierminister Luc Frieden seit einem guten halben Jahr ziemlich gelitten. Nur noch knapp die Hälfte bewertet die Regierungsarbeit als sehr gut oder gut. Im vergangenen November waren es noch 61 Prozent.
Ortung bei Notruf
Im Saarland können künftig Standortdaten bei Notrufen an die 110 automatisch abgerufen werden. Mit einer entsprechenden Änderung des Saarländischen Polizeigesetzes werde eine wichtige Lücke in der Notrufinfrastruktur geschlossen, erklärten SPD- und CDU-Fraktion, die den Antrag zur Änderung gemeinsam getragen haben.
Beim „Advanced Mobile Location“ (AML)-Verfahren erfolgt die Standortübermittlung automatisch beim Absetzen eines Notrufs, ohne dass die anrufende Person aktiv handeln muss. Bislang war das bereits bei der europaweiten Notrufnummer 112 der Fall, nicht aber bei der 110 (Polizei), wie sich durch eine Anfrage der CDU herausgestellt hat. Die Standortdaten dürfen ausschließlich zur Gefahrenabwehr verwendet und nur für 60 Minuten in anonymisierter Form gespeichert werden. Für Anbieter entstehen keine neuen Kosten.
Wohnungen auf dem Supermarktdach

Bundesbauministerin Verena Hubertz (SPD) hat ein schweres Amt von ihrer Parteifreundin Klara Geywitz übernommen und steht unter erheblichem Erfolgsdruck. Die Ampelregierung hatte 400.000 neue Wohnungen versprochen, im letzten Geywitz-Amtsjahr waren es nur gut 250.000.
Nun hat ihre Nachfolgerin Hubertz den Bau-Turbo gezündet und schon mal einen Fehler nicht gemacht: Sie hat keine Zahlen zum zukünftigen jährlichen Wohnungsneubau genannt. „Es sollen so viele so schnell entstehen wie möglich“, so Hubertz. Demnach soll wesentlich schneller geplant, genehmigt und gebaut werden. Dazu gehört zum Beispiel die erleichterte Nachverdichtung in Wohnsiedlungen durch Umwidmungen. So könnte aus Büros oder Fabrikgebäuden Wohnraum entstehen, auch zum Beispiel auf Supermarktdächern.
Der Verband der Immobilienwirtschaft hört das gern und lobt den größeren Spielraum beim Planen, fordert aber jetzt auch gleich einen zweiten Schritt: Die hohen Baustandards müssten sinken und die Grunderwerbssteuern gleich mit, was allerdings Entscheidungshoheit der Länder ist.

Arbeitgeberverband
Kritik an Tariftreuegesetz
Es ist eines ihrer größeren Gesetzesvorhaben, das Bundesarbeitsministerin Bärbel Bas (SPD) zügig auf den Weg bringen will: das Tariftreuegesetz. Laut dem Gesetz sollen öffentliche Aufträge ab einem Wert von 50.000 Euro nur noch an Unternehmen mit Tarifbindung vergeben werden, was laut Wirtschaftsministerium etwa 70 Prozent der Aufträge ausmachen würde. Scharfe Kritik an dem Gesetz kommt erwartungsgemäß vom Hauptgeschäftsführer der deutschen Arbeitgeberverbände, Steffen Kampeter. „Was als sozialpolitisches Instrument verkauft wird, entpuppt sich als bürokratisches Monstrum mit teuren Folgen“, so Kampeter. Auch beim Koalitionspartner CDU/CSU nimmt die Skepsis an dem Tariftreuegesetz zu, da die Auftragsvergabe mit neuen Berichtspflichten für Unternehmen einhergehen wird. „Im schlimmsten Fall führt das Gesetz dazu, dass Unternehmen sich gar nicht mehr an Ausschreibungen beteiligen und der ganze Planungsprozess verlangsamt wird“, so das CDU-Präsidiumsmitglied Sven Schulze.
Digitalisierung
Verwaltung modernisiert

Ein Jahr nach dem Startschuss für eine umfassende Verwaltungsmodernisierung hat Ministerpräsidentin Anke Rehlinger auf erste Erfolge verwiesen. Nach vielen Ankündigungen der Vergangenheit habe die SPD-Landesregierung nun die Landesbauordnung reformiert. Damit werde Bauen einfacher und günstiger. Zudem sei das Land mit der landesweiten digitalen Medienausleihe Vorreiter und habe digital gestützte Bildung gesetzlich verankert. Außerdem habe die Landesregierung durch eine einheitliche digitale Governance „dem Rückstand von zehn bis 15 Jahren bei der Digitalisierung den Kampf angesagt“. Mit einer neuen, einheitlichen digitalen Steuerung wurde die Grundlage für moderne Software-Lösungen in der gesamten Landesverwaltung geschaffen. Das „papierlose Kabinett“, von dem einst Ministerpräsident Peter Müller vor fast einem Vierteljahrhundert gesprochen habe, sei nun Realität. Aktuelle Projekte seien ein zentrales Liegenschaftsmanagement und die Modernisierung der Zentralen Ausländerbehörde. „Es geht an vielen Stellen voran, auch wenn es Geduld braucht“, betonte Rehlinger.
Wiegand will's wissen
Blickpunkt Europa
Die EU steht vor einer digitalen Zeitenwende – und muss sie jetzt nutzen. Die Generalanwältin am Europäischen Gerichtshof (EuGH) hat empfohlen, den US-Suchmaschinenanbieter Google zu einer Strafe über 4,1 Milliarden Euro zu verdonnern. Das ist mehr als ein juristisches Detail im Brüsseler Wettbewerbsrecht.
Dies ist ein Weckruf. Er bedeutet: Wer Europas digitale Souveränität sichern will, muss konsequent gegen marktbeherrschende US-Giganten vorgehen. Gleichzeitig muss der Aufbau eigener Champions gefördert werden.
Google ist kein armes Opfer. Der Internet-Riese, den wir alle nutzen, hat jahrelang seine Marktstellung mit unfairen Mitteln zementiert. Die Milliardenstrafe ist daher kein Zeichen von Tech-Feindlichkeit, sondern ein Akt der Selbstbehauptung. Es geht um Chancengleichheit und Nutzerfreiheit. Und letztlich darum, ob Europa im digitalen Zeitalter eine Rolle spielen will oder Zuschauer bleibt.
Doch Sanktionen allein reichen nicht. Die EU braucht Mut, ihre Industriepolitik grundsätzlich neu zu denken. Es geht um gezielte Förderung europäischer Plattformen, entschlossene Kapitalbündelung für Zukunftstechnologien und einen Binnenmarkt mit digitalem Selbstbewusstsein.
Nicht jedes Start-up wird zum nächsten Google. Und eine Datenkrake nach EU-Gusto baut man nicht über Nacht. Aber ohne politischen Willen entsteht – gar nichts. Erst recht kein Tech-Gigant. Die USA hatten den Willen, China sowieso.
Europas Chance liegt in kluger Kombination aus Regulierung und Innovation. Noch mal: Die Google-Strafe ist richtig. Aber jetzt muss der nächste Schritt folgen. Der heißt: Europas digitale Unabhängigkeit.
Wolf Achim Wiegand ist freier Journalist mit EU-Spezialisierung.