Drei Fragen
„Reaktivierung schnell in Gang setzen“
Das Sondervermögen Infrastruktur ist eine einmalige Chance: Noch vorhandene Bahnstrecken müssen schnell wieder ans Netz, fordert der Geschäftsführer des Verbandes Deutscher Verkehrsunternehmen (VdV), Martin Henke.
Herr Dr. Henke, regionale Bahninfrastruktur ist vorhanden, wird aber nicht genutzt. Wie kommt das?
Die Strecken sind in den letzten Jahren eingestellt worden, das Gelände gehört aber weiterhin den Schienenwegen, ist damit noch nicht zur Umnutzung freigegeben. Bundesweit sind das beinahe 5.500 Kilometer, die relativ schnell wieder aktiviert werden könnten. Es bedarf keiner Planfeststellungsverfahren, sondern nur des politischen Willens, das jetzt umzusetzen. Das Sondervermögen Infrastruktur der neuen Bundesregierung von 500 Milliarden bietet dazu eine einmalige Chance. 13,5 Millionen Besitzer des Deutschlandtickets sprechen eine deutliche Sprache, wir wollen das jetzt noch steigern, dazu gehört der Ausbau des Regionalverkehrs.
Die Strecken wieder zu ertüchtigen ist das eine, aber dazu braucht man auch die Kommunen, die da mitspielen müssen. Ein Teil der Kosten bleibt immerhin bei ihnen hängen.
Die spielen doch längst mit, im letzten Jahr wurden über das Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz über die Verkehrsunternehmen mehr Infrastrukturprojekte zur Förderung angemeldet als je zuvor. Damit wurde eine inzwischen Verdreifachung der angemeldeten Projekte verzeichnet. Es geht dabei um Grunderneuerung, Reaktivierung und Sanierung von Bahnhöfen. Die Kommunen sind längst dabei, sie wissen doch auch, Verkehrsinfrastruktur steigert die Attraktivität der Kommunen.
Wie lange würde es dauern, die 5.500 Kilometer regionalen Bahnstrecken zu reaktivieren?
So was geht leider nicht von jetzt auf sofort, das wissen aber auch alle Bürgerinnen und Bürger. Das hängt davon ab, wie lange die Bahnstrecken bereits stillgelegt sind. Je kürzer desto besser, was ja in sich logisch ist und dann kommt dazu, wie viele Brückentragwerke auf so einem Abschnitt betroffen sind und in welchem Zustand. Aber das Entscheidende ist, dass jetzt damit angefangen wird, erstmal so eine Reaktivierung in Gang zu setzten, dann wird sie auch nicht mehr so schnell gestoppt und vor allem, damit ist der weitere Verfall von kostbarer Verkehrsinfrastruktur gestoppt. Die Verkehrsplaner in den Städten und Gemeinden haben dann wiederum Planungssicherheit für den Verkehr der Zukunft. Interview: Sven Bargel

Online-Handel auf dem Vormarsch
Da können Kommunalpolitiker machen was sie wollen, für den stationären Handel in Deutschlands Innenstädte ist es weiterhin schwierig attraktiv zu bleiben. Laut Online-Monitor des Handelsverbandes Deutschland (HDE) wird der Umsatz im Netz in diesem Jahr um vier Prozent steigen, während der Umsatz in den Geschäften vor Ort mit maximal einem Prozent Plus rechnen kann. Dabei verstärkt sich weiter der neue Trend: Wachstumstreiber im Internet-Kauf sind die Bereiche Lebensmittel und Drogeriewaren. „Der Online-Handel ist nach einigen schwächeren Jahren wieder die klare Wachstums-Lokomotive des Einzelhandels in Deutschland. Trotz der insgesamt nicht zufriedenstellenden Konsumstimmung gelingt es den Online-Händlern deutlich bessere Umsätze zu erzielen als im Vorjahr“, so der stellvertretende HDE-Hauptgeschäftsführer Stephan Tromp. Was allerdings nicht wirklich den deutschen Händlern zugutekommt. Viele Kunden bestellen Waren im Ausland. Vor allem die chinesischen Portale Temu und Shein profitieren davon. „Die hohen Zahlen machen deutlich, dass die Politik für faire Wettbewerbsbedingungen mit den Anbietern aus Fernost sorgen muss“, fordert Tromp.
Weniger neue Wohnungen
Ein Rückschlag im Kampf gegen Wohnungsnot: Die Zahl der fertiggestellten Wohnungen in Deutschland ist im vergangenen Jahr eingebrochen. 251.900 Wohnungen wurden nach Angaben des Statistischen Bundesamts errichtet, dies sind 42.500 Wohnungen weniger als im Vorjahr. „Das war der erste deutliche Rückgang, nachdem die Zahl fertiggestellter Wohnungen in den Jahren 2021 bis 2023 jeweils um 294.000 gelegen hatte“, hieß es seitens der Statistiker. Grund für die anhaltende Flaute am Bau sind kräftig gestiegene Zinsen und Baukosten. Viele Hausbauer hielten sich zurück. Zuvor war die Zahl neuer Wohnungen von ihrem Tiefststand von 159.000 im Jahr 2009 bis auf den bisherigen Höchststand von 306.400 im Jahr 2020 gestiegen. Bauministerin Verena Hubertz (SPD) will daher nun unter anderem Genehmigungsverfahren beschleunigen.
Prekäre Finanzlage
Die jüngste Steuerschätzung für die kommenden vier Jahre war nicht nur für Bundesfinanzminister Lars Klingbeil (SPD) ein herber Dämpfer, sondern vor allem für die Kommunen. Das Finanzloch der Städte und Gemeinden wird immer größer, warnt der Wirtschaftsweise Achim Truger: In den kommenden vier Jahren drohe den Kommunen eine zusätzliche Finanzierungslücke von bis zu 27 Milliarden Euro. Allein im kommenden Jahr werden den Städten und Gemeinden zusätzlich gut fünf Milliarden Euro fehlen. „Das sind ziemlich verheerende Aussichten für die Kommunen, da fast 90 Prozent von ihnen bereits zum Teil horrende Schulden aufgehäuft haben“, so der Wirtschaftsweise. Ein Überblick der vergangenen drei Jahre dokumentiert die dramatische Finanzlage: 2023 lag das Finanzierungsdefizit laut Statistischem Bundesamt bei 6,6 Milliarden, ein Jahr später waren es bereits 24,8 Milliarden Euro, der höchste Stand seit der Wiedervereinigung.
Ärger um den Ex-Kanzler
Bereits zweimal hat der Nord-Stream-II-Untersuchungsausschuss des Landtages von Mecklenburg-Vorpommern den ehemaligen Kanzler Gerhard Schröder (SPD) als Zeuge zur parlamentarischen Vernehmung vorgeladen. Doch Schröder musste absagen, der 81-Jährige leide unter Burn-out, hieß es. Doch bei der Wahl des neuen niedersächsischen Ministerpräsidenten Olaf Lies (SPD) ließ es sich der Altkanzler nicht nehmen, mit Gattin daran in Hannover teilzunehmen. Darauf angesprochen, wie das zusammengehe, erklärte Gerhard Schröder nun in einem Brief an CDU-Obmann Sebastian Ehlers, dass eine stabile Erholung von seiner Erkrankung „keineswegs sicher in diesem Jahr“ zu erreichen sei. Bis dahin seien ungewöhnliche Stress-Situationen zu vermeiden, „zumal solche, die über mehr als eine Stunde andauern und während denen nicht alle Beteiligten auf meine gesundheitliche Lage Rücksicht nehmen können“. Insgesamt soll sich Schröder mehr als drei Stunden im niedersächsischen Landtag aufgehalten haben.
Wolfspeed vor Insolvenz

Der US-amerikanische Hersteller für Siliziumkarbid-Halbleiter Wolfspeed steht kurz vor der Insolvenz. Das berichten übereinstimmend Medien aus den USA wie das „Wall Street Journal“ sowie deutsche Medien. Die US-Regierung hat offenbar zugesagte Finanzhilfen zurückgezogen. Der Börsenkurs hatte nach Bekanntwerden einer möglichen Pleite um 60 Prozent nachgegeben. Davon betroffen ist möglicherweise auch die geplante Ansiedlung des Chipproduzenten im Saarland. Auf dem Gelände des ehemaligen Kraftwerks Ensdorf hätte eine Produktion für Siliziumkarbidchips anlaufen sollen, die unter anderem die Automobilindustrie beliefert hätte. Wolfspeed wollte hier mit dem Zuliefererkonzern ZF zusammenarbeiten. Diese Ansiedlung ist bereits seit Längerem fraglich. Betroffen sind auch die Pläne der EU insgesamt, die die Chipproduktion in der Union bis 2030 verdoppeln wollte.

Auslandsreise
Voigt in den USA
Thüringens Ministerpräsident Mario Voigt (CDU) hat eine diplomatische Reise in die USA unternommen. Eine Woche lang traf sich Voigt vor allem in der US-Hauptstadt Washington mit zahlreichen Vertretern von Demokraten und Republikanern des Kongresses, aber auch anderen politischen Organisationen und Vertretern der Wirtschaft. Er ist damit der erste Ministerpräsident, der nach der erneuten Wahl von US-Präsident Donald Trump zu einem offiziellen Besuch in die USA gereist ist. „Jetzt ist es wichtig, den Kontakt in die Vereinigten Staaten nicht völlig abreißen zu lassen, immerhin geht es um fast 80 Jahre deutsch-amerikanische Freundschaft“, so Voigt gegenüber FORUM. Für den thüringischen Ministerpräsidenten ging es bei der US-Reise auch um gute wirtschaftliche Beziehungen seines Bundeslandes. „Das Ziel ist, dass wir amerikanische Firmen gewinnen, die in Thüringen Kooperationen eingehen, mit Technologiefirmen, Innovationsfirmen und auch mit Forschungsprojekten. Und dafür soll auch amerikanisches Geld eingesetzt werden. Das ist ein gutes Zeichen“, so Voigt.
Städte beim Solarausbau vorn

Der Solar-Turbo in Deutschland kommt in Gang, so die Auswertung der Deutschen Umwelthilfe. Der Solarstrom-Zubau in den deutschen Städten ist stark angestiegen. 40 von 82 Städten hätten die vorgegebenen Klimaziele bei der Installation neuer Photovoltaik-Anlagen 2024 erreicht. 2023 waren es nur sieben Städte. Regensburg, Oldenburg, Fürth und Ulm haben die Ziele sogar um mehr als 50 Prozent übererfüllt. Schlusslichter beim Ausbau der Sonnenenergie sind Lübeck, Rostock, Potsdam und Salzgitter. Das hängt allerdings auch mit dem Baubestand dieser Städte zusammen: Bei einem hohen Altbaubestand ist die Installation von Solarpanels erheblich aufwendiger, da die Dach-Statik von Gebäuden, die älter als 40 Jahre sind, nicht die notwendige Tragfähigkeit habe, weshalb solche Gebäude aufwendig umgebaut werden müssten, hieß es. Auch bei den Millionenstädten zeigt sich ein positiver Trend, so die Deutsche Umwelthilfe. Köln, München und auch Berlin haben beim Solar-Zubau ebenfalls kräftig zugelegt.

Kritik
Unsicherheit übers Heizen
Erwartungsgemäß gibt es nach dem ersten öffentlichen Auftritt von Wirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) reichlich Kritik vor allem von den Umweltverbänden. Reiche hatte vor Wirtschaftsvertretern „Technologie-Offenheit“ beim Heizen angekündigt und gegenüber dem „Handelsblatt“ ein Ende des „Wärmepumpenzwanges“ angekündigt. Das wird als eine Umkehr der bisherigen Förderausrichtung auf ausschließlich fossilfreie Heiztechniken verstanden. Ein weitreichender Einbau neuer Gasheizungen sei aus Klima-, Verbraucher- aber auch Wirtschaftsperspektive ein kostspieliger Rückschritt, warnt die Umweltstiftung WWF. „Katherina Reiches Blick auf die Energieversorgung Deutschlands ist technologisch unehrlich. Sie will Energieformen der Vergangenheit fördern, die die Menschen sehr teuer zu stehen kommen werden. Es ist ein künstliches Verlängern veralteter Systeme und bremst damit auch Innovationen“, so die Klimachefin des WWF Deutschland. Auch beim Zentralverband Sanitär Heizung Klima zeigte man sich irritiert nach den Äußerungen der Ministerin: Einen „Wärmepumpenzwang“ gebe es nicht.
Wiegand will's wissen
Blickpunkt Europa
Jahrzehntelang galt sie als „Friedensmeer“. Jetzt ist die Ostsee ein Gewässer am Rand des Krieges. In den Badeorten merkt man davon wenig – doch draußen auf See läuft ein verdeckter Konflikt zwischen der Nato und Russland. Und zwar täglich.
Mit Schwedens Nato-Beitritt im März 2024 kam das Binnenmeer fast vollständig in westliche Hand – bis auf die russischen Küsten um Kaliningrad und Sankt Petersburg. Ein Friedensmeer, glaubte man. Doch Moskau reagiert aggressiv auf die gewachsene Nato-Präsenz. Immer wieder verletzen russische Flugzeuge den Luftraum, Nato-Jets steigen auf.
Auch auf See und unter Wasser belauert man sich. Die Nato zeigt verstärkte militärische Präsenz. Marineübungen mit Deutschland, den USA, Polen und dem Baltikum zeigen Einsatzbereitschaft. Es kam schon zu scharfen Warnschüssen in internationalen Gewässern. Die Allianz spricht von „präventiver Abschreckung“, Russland von Provokation.
Besonders kritisch ist die Lage unter der Oberfläche. Seit den Nord-Stream-Sabotagen 2022 wächst die Sorge vor Angriffen auf Kommunikationskabel und Pipelines. Durchtrennungen gab es schon. Russische Spionage ist dokumentiert.
Sorgen macht zudem Russlands Schattenflotte: Marode Tanker unter Billigflaggen transportieren täglich Millionen Barrel Öl – trotz Sanktionen. Westliche Reeder kassieren übrigens mit. Die Wirkung schärferer EU-Maßnahmen ist offen.
Dänemarks Idee, den Blockadebrechern die Durchfahrt zu verweigern, scheitert bislang an Rechtsfragen. Die Ostsee ist ein geopolitisches Pulverfass – mit leiser Kriegsführung.
Wolf Achim Wiegand ist freier Journalist mit EU-Spezialisierung.