Drei Fragen
„Mietpreisbremse ohne Ausnahmen“
Die Mietpreisbremse habe sich wegen Ausnahmeregelung selbst ausgebremst, sagt Caren Lay, mietenpolitische Sprecherin der Linken im Bundestag.
Frau Lay, gerade wird um die Fortsetzung der Mietpreisbremse parlamentarisch gerungen, warum war die aus Ihrer Sicht für die Mieter bislang nahezu sinnlos?
Es geht nicht um meine Sicht, sondern um nackte Zahlen der Bundesregierung. Sie musste auf meine Nachfrage eingestehen, in neun Jahren sind die Mieten in den 21 größten Städten in Deutschland um 44 Prozent angestiegen, davon hat acht Jahre lang die Mietpreisbremse gegolten! Also der Anstieg wurde nicht gebremst, wenn überhaupt konnte sie in Einzelfällen helfen, wenn Betroffene sich getraut haben, sich mit ihrem Vermieter gerichtlich anzulegen. Das kostet Geld und Mut, viele Menschen, wollen aber nicht das Risiko eingehen, sich mit ihrem Vermieter anzulegen, um dann eine Eigenbedarfskündigung zu kassieren.
Seit mindestens zehn Jahren werden Maßnahmen gegen explodierende Mieten debattiert, die Mietpreisbremse ist aus Ihrer Sicht gescheitert, woran liegt das?
Keine Regierung hat bisher den Mut gehabt, konsequent Wohnungspolitik aus Sicht der Mieterinnen und Mieter zu machen. Das liegt an der sehr starken Lobby der Immobilienwirtschaft. Das sind teilweise internationale Konzerne, mit der sich keine Regierung bislang anlegen wollte und aktuell auch nicht will, darum wurde der Wohnungsgipfel Anfang Dezember vom Kanzler abgesagt. So machen die großen Wohnungskonzerne weiterhin massive Gewinne, auf Kosten von uns Mieterinnen und Mietern.
Was unterscheidet der jetzt von Ihnen geforderte Mietendeckel von der noch geltenden Mietpreisbremse?
Mietendeckel heißt, zukünftig gibt es keine Ausnahmen mehr für die Vermieter, diese ganzen Ausnahmen haben die Mietpreisbremse regelrecht selber ausgebremst. Dazu gehört das Thema Vermietung von möblierten Wohnungen. Es kann nicht sein, dass ich für eine möblierte Wohnung das doppelte und dreifache an Miete bekomme wie für eine leere. Selbstverständlich würden Modernisierungen oder Sanierungen unter den Mietendeckel fallen. Ein Vermieter muss ein Interesse daran haben, dass sein Wohneigentum in Schuss und erhalten bleibt, und das soll er dann auch selber bezahlen und nicht wir Mieter.
Interview: Sven Bargel
Mehr Geld für Halbleiter
Ein Fünftel der globalen Halbleiterproduktion soll bald in Europa erbracht werden. Dafür müssten die Länder deutlich mehr Geld investieren, so der Verband der Elektro- und Digitalindustrie (ZVEI). Sonst sei das EU-Ziel bis 2030 nicht zu schaffen. Derzeit läge der Anteil bei 8,1 Prozent, sagte ZVEI-Vorstand Andreas Urschitz. Über staatliche Förderung müssten vor Ort zusätzliche Produktionskapazitäten aufgebaut werden. Benötigt würden aber auch Forschung, Entwicklung, Chipdesign, Leiterplattenherstellung und Dienstleistungen. Die EU hat den EU-Chips-Act im vergangenen Jahr beschlossen. Neben dem 20-Prozent-Ziel sieht er öffentliche Gesamtinvestitionen in diesen Bereich von rund 43 Milliarden Euro vor. Diese Fördersummen müssten aus Sicht des ZVEI ausgebaut werden.
80 Prozent der Chips werden derzeit in Asien gefertigt, davon ein Großteil beim Hersteller TSMC in Taiwan. Der US-Chiphersteller Intel hat seine geplante Fabrik in Deutschland verschoben, ebenso Wolfspeed. In Dresden wiederum hat TSMC mit dem Bau einer eigenen Chipfabrik begonnen.
Union will mit Steuersenkungen punkten
Das Wahlprogramm von CDU und CSU könnte man auch mit „zurück zu den harten Wurzeln“ bezeichnen: Vor allem bei der Migration will die Union härter durchgreifen. So sollen Flüchtlinge zukünftig an den deutschen Grenzen zurückgewiesen werden können. Auch bei der inneren Sicherheit sollen die Ermittlungsbehörden mehr Befugnisse erhalten, zum Beispiel durch eine Ausweitung der digitalen Datenanalyse, was auf eine Änderung der Vorratsdatenspeicherung hinauslaufen dürfte. Im Bereich der Wirtschaftspolitik soll die Steuerbelastung für Unternehmen auf maximal 25 Prozent sinken. Auch die Autofahrer werden in dem Unionswahlprogram bedacht, die Pendlerpauschale soll erhöht werden. Dazu soll die Einkommensgrenze, ab der der Spitzensteuersatz greift, erhöht werden. Zudem soll der Solidaritätszuschlag entfallen. Allerdings dürften diese Vorhaben unter die Formel des „Finanzierungsvorbehalts“ fallen, sprich den Möglichkeiten, die der Bundeshaushalt hergibt.
Gegen kalte Progression
Trotz verlorener Vertrauensfrage im Bundestag und der Bestätigung der Neuwahlen am 23. Februar, auf ein letztes Vorhaben aus gemeinsamen Tagen konnten sich die ehemaligen Ampel-Koalitionäre dann doch noch einigen: Die kalte Progression ist geglättet worden und soll vielen Bürgern Steuern sparen. Laut Beschluss ist unter anderem die Anpassung des Grundfreibetrags und der Eckwerte beim Einkommensteuertarif an die Inflation beschlossen worden, um so die kalte Progression einzudämmen. Laut einer Beispiel-Berechnung soll so eine Familie mit zwei Kindern und einem Bruttoeinkommen von 60.000 Euro 306 Euro im Jahr sparen. Hinzu kommt, dass das Kindergeld um fünf Euro erhöht wurde. In Anbetracht der leicht erhöhten Inflation in den letzten Monaten, vor allem für Lebensmittel und Energie, ist dies für Verbraucherverbände und auch den Bund der Steuerzahler aber nur ein Tropfen auf den heißen Stein.
Neue Landesregierungen
Am Ende ging es schneller als gedacht, bereits vor Weihnachten standen die drei neuen Landesregierungen im Osten Deutschlands. In Brandenburg regiert weiterhin Dietmar Woidke (SPD), diesmal in einer Koalition mit dem Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) und einer dünnen Zwei-Stimmen-Mehrheit im Potsdamer Landtag. In Thüringen heißt der neue Ministerpräsident Mario Voigt von der CDU und schafft es mit SPD und BSW in einer Koalition zu einem Patt: 44 zu 44 Stimmen Opposition im Erfurter Landtag, der Brombeer-Regierung fehlt also eine Stimme zur Mehrheit. Voigts Wahl war nur mit vermutlich gleich sieben Stimmen der Linken möglich. Zukünftig ist die Brombeer-Koalition in Erfurt immer auf mindestens eine Stimme der Linken angewiesen. Parlamentarisch noch verwegener mutet die Regierungsbildung in Sachsen an. Michael Kretschmer (CDU) ist alter und nun auch neuer Ministerpräsident in einer Minderheitsregierung mit der SPD. Dem Bündnis im Dresdner Parlament fehlen gleich zehn Stimmen zur Mehrheit, nachdem das BSW aus den Koalitionsverhandlungen ausgestiegen war. Trotzdem wurde Michael Kretschmer zu Sachsens Ministerpräsidenten gewählt, woher die zusätzlichen Stimmen kamen, ist unklar.
Digital-Pakt Schule
Milliarden noch fraglich
Zwar ist Bundeslandwirtschafts- und nun auch Bildungsminister Cem Özdemir (Grüne) vor Weihnachten mit dem Digital-Pakt Schule 2.0 noch ein politischer Coup gelungen. Doch ob und wann dieser tatsächlich Realität wird, ist mehr als fraglich. Zwei Jahre verhandelte der Bund mit den Ländern, es ging ums liebe Geld. Laut der gemeinsamen Absichtserklärung sollen in den kommenden sechs Jahren insgesamt fünf Milliarden Euro zum Beispiel für Laptops oder Digitaltafeln bereitgestellt werden. Vom Bund soll die Hälfte des Geldes für moderne Schulen kommen und da liegt das zukünftige Problem. Es gibt keinen Bundeshaushalt für das kommende Jahr, dieser muss erst von der neuen Bundesregierung aufgestellt werden. Doch ob sich dann der zukünftige Bundesfinanzminister noch an das zweieinhalb Milliarden Euro Versprechen für den Digital-Pakt Schule halten kann, bleibt abzuwarten. Noch ist Özdemir gegenüber FORUM zuversichtlich: „Egal wer auch immer Frühjahr in Berlin regiert, hinter den Digital-Pakt 2.0 kommt keiner mehr zurück“.
Bescheidene Bilanz
Luxemburgs Wirtschaft hat nach einer Rezession 2023 im vergangenen Jahr wieder einen Aufstieg verzeichnet, wenn auch nur mit einem Prozent ziemlich bescheiden. Für das neue Jahr erwartet die Luxemburger Handelskammer wieder ein etwas stärkeres Wachstum von um die 2,5 Prozent. Aber auch das würde „unter dem historischen Durchschnitt von drei Prozent“ liegen, erklärt die Kammer. Auch auf dem Arbeitsmarkt lief das Jahr 2024 eher bescheiden mit einem Plus von nur einem Prozent bei der Beschäftigung. Das hat Auswirkungen auf die Staatsfinanzen. Weniger Steuereinnahmen und mehr Ausgaben führen zu einem Defizit von fast zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts.
Eine positive Entwicklung wird aber beim Klimaschutz vermeldet. Der CO2-Ausstoß ist im vergangenen Jahr um 4,5 Prozent gesunken, für dieses Jahr wird mit einer Senkung von fünf Prozent gerechnet. Luxemburg will seine Emissionen bis 2030 um 55 Prozent (gegenüber 2005) reduzieren und bis 2050 klimaneutral sein.
„Letzter Akt“ der Ampel
Trotz verlorener Vertrauensfrage im Bundestag und der Bestätigung der Neuwahlen am 23. Februar, konnten sich die ehemaligen Ampel-Partner auf ein letztes Vorhaben aus gemeinsamen Tagen dann doch noch einigen: Die kalte Progression ist geglättet worden und soll vielen Bürgern Steuern ersparen. Unter anderem ist die Anpassung des Steuer-Grundfreibetrags und der anderen Eckwerte beim Einkommensteuertarif an die Inflation beschlossen worden, um so die kalte Progression einzudämmen. Nach einer Beispiel-Berechnung soll so eine Familie mit zwei Kindern und einem Bruttoeinkommen von 60.000 Euro 306 Euro im Jahr sparen. Dazu kommt, dass das Kindergeld um fünf Euro erhöht wurde. In Anbetracht der leicht erhöhten Inflation in den letzten Monaten vor allem für Lebensmittel und Energie, ist dies für Verbraucherverbände und auch den Bund der Steuerzahler ein Tropfen auf den heißen Stein, der Familien nicht wirklich entlastet.
Tafeln müssen rationieren
Die Zahlen klingen alarmierend, 60 Prozent der Tafelausgabestellen in Deutschland müssen derzeit nach Angaben des Tafel-Dachverbandes die Ausgabe von Lebensmitteln reduzieren. Ein Drittel der betroffenen Tafeln versucht, mit temporären Aufnahmestopps oder Wartelisten zu arbeiten, so der Vorsitzende des Dachverbandes der Tafeln Andreas Steppuhn. Demnach wird auch versucht den Betrieb der Ausgabestellen durch das Rationieren der Lebensmittel aufrecht zu erhalten, um so weiterhin „so vielen Menschen wie möglich zu helfen“, sagt Steppuhn. Hintergrund für die Versorgungsengpässe ist die deutlich gestiegene Zahl von Bedürftigen. „Seit dem Beginn des Angriffskriegs auf die Ukraine verzeichnen die Tafeln im bundesweiten Durchschnitt 50 Prozent mehr Kundinnen und Kunden“, rechnet der Vorsitzende des Verbandes vor. Etwa 1,6 Millionen von Armut betroffene Menschen können derzeit über die Tafeln mit Grundnahrungsmitteln versorgt werden, so der Verband.
Neue Perspektiven
Auf dem Saarlouiser Röderberg ist ein weiterer Schritt für die Zukunft nach Ford getan. Kurz vor Weihnachten Gab die Landesregierung den Kauf des Ford-Geländes durch die landeseigene Gesellschaft für Wirtschaftsförderung gwSaar bekannt. Gleichzeitig wurde ein Vertrag über den sukzessiven Kauf von Flächen durch den Pharma-Dienstleister Vetter unterzeichnet. Udo J. Vetter, Vorsitzender des Unternehmensbeirats und Mitglied der Inhaberfamilie erklärte: „Der Standort im Saarland ist ein industrielles Filetstück und bietet sehr gute Voraussetzungen für den Ausbau unserer Produktionskapazitäten“. Ich danke insbesondere der Landesregierung und dem Team der gwSaar für die engagierte und professionelle Zusammenarbeit.“ Ministerpräsidentin Anke Rehlinger betonte, dmait ergeb sich die Möglichkeit, „einen aufgegebenen Standort in einen Ort der Zukunft zu verwandeln – für Fachkräfte, für eine neue Branche und für unser Land.“ Das Land hat für den Grunstückserwerb 95 Millionen Euro bezahlt, finanziert aus dem Transformationsfonds. Mit Ford wurde ein Mietvertrag über die genutzten Flächen abgeschlossen.
Umfrage
Konsumlaune schwach
Fast zwei Drittel (60 Prozent) der Menschen in Deutschland rechnen mit einem Einfluss der vorgezogenen Bundestagswahl auf die wirtschaftliche Lage und halten deswegen offenbar ihr Geld weiterhin zusammen. Knapp ein Drittel der Befragten geben in einer repräsentativen Umfrage des Handelsverbands Deutschland (HDE) an, sich beim persönlichen Konsum deswegen zurückzuhalten und erst mal das Wahlergebnis am 23. Februar abzuwarten. „Noch Anfang letzten Jahres lagen die Hoffnungen für wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland auf dem privaten Konsum. Krisen und Unsicherheit haben jedoch zu einer deutlich spürbaren Kaufzurückhaltung geführt. Und mit dieser schwachen Konsumlaune starten wir auch in das Jahr 2025“, so HDE-Präsident Alexander von Preen. Die aktuelle HDE-Umfrage belegt laut Preen, dass über die Hälfte der Menschen in Deutschland ihre persönliche Stimmung im Hinblick auf die aktuelle wirtschaftliche und politische Situation Ende 2024 als schlecht bewerteten.
Wiegand will's wissen
Blickpunkt Europa
Erstaunt blickt Europa weiter aufs umgekrempelte Syrien. Keiner der 27 nationalen Geheimdienste hat Assads Fall erahnt. Schon gar nicht der Auswärtige Dienst (EEAS) der Europäischen Union.
Die Neuordnung im Nahen Osten wurde ermöglicht durch Israel. Die Zerstörung der Hamas- und Hisbollah-Terroristen und des syrischen Horrorwaffenarsenals hat die iranisch und russisch geführte „Achse des Widerstands“ zerbrochen. Man braucht Jerusalem nicht zu danken, da es in Selbstschutz agierte. Aber dass Jauchekübel über Israel ausgekippt werden, ist manisch. Einige EU- Regierungen tun sich speziell hervor.
Irland etwa. Das Land tritt der südafrikanischen Genozid-Klage beim Internationalen Gerichtshof (ICJ) mit bitterem Beigeschmack bei. Außenminister Micheál Martin will die übliche Völkermord-Definition „juristisch erweitern“. Will heißen: Die Beweise gegen Israel sind so dünn, dass eine Neuformulierung her muss. Dublin will das Recht zurechtbiegen, damit der Angeklagte chancenlos ist.
Oder Spanien. Regierungschef Pedro Sánchez verbietet US-Frachtschiffen mit Militärgütern für Israel an Bord die Nutzung seiner Häfen. Der von linken Koalitionspartnern abhängige Sozialdemokrat will, dass die Gesamt-EU die Israelis entwaffnet. Hätte man das getan, hätte Israel nie die für Europa brandheißen Islamistenherde löschen können.
Auch andere EU-Länder finden Sabotage gegen Israel ok. Selbst in Berlin sind nicht alle davon frei. Man muss die extremistische Regierung Netanjahu nicht mögen. Aber Europa darf in nahöstlichen Politikwüsten nicht Oasen übersehen, aus denen es Wasser für Plantagen der Zukunft schöpfen kann.
Wolf Achim Wiegand ist freier Journalist mit EU-Spezialisierung.