Drei Fragen
„Für menschliches Miteinander“
Der volle Mehrwertsteuersatz sollte wieder abgesenkt werden, um das Restaurantsterben zu stoppen, fordert Kemal Üres, Vorsitzender des Gastro-Vereins und einem großen Publikum als deutscher „Gastro-Flüsterer“ bekannt.
Herr Üres, Sie gelangten vom Tellerwäscher mit 19 Jahren zum weltweit jüngsten Hotelmanager im „Park Hyatt“ Hamburg. Warum machen Sie sich solche Sorgen um die Gastronomie?
Weil es unserer Branche seit Jahren nicht gut geht, und man darf den Bereich der Gastronomie, in seinen ganzen Facetten, nicht unterschätzen. Restaurants, Imbisse, Kantinen oder Hotels zusammen sind der zweitgrößte private Arbeitgeber Deutschlands. 6,2 Millionen Beschäftigte erwirtschaften 500 Milliarden Euro Umsatz im Jahr, das ist keine Kleinigkeit. Doch in den letzten fünf Jahren mussten viel zu viele aufgeben. Da waren erst die Lockdowns in der Pandemie. Die Mehrwertsteuer wurde abgesenkt, es gab staatliche Hilfen. Aber spätestens mit der Wiederherstellung des vollen Mehrwertsteuersatzes und der galoppierenden Inflation mussten immer mehr Gastromomen aufgeben.
Woran machen Sie das fest?
Wenn ich zum Beispiel in den deutschen Innenstädten unterwegs bin, stehen immer mehr Geschäfte leer, wo früher mal ein Gastro-Betrieb war. Noch dramatischer wird es in den ländlichen Räumen, nur das entzieht sich der öffentlichen Wahrnehmung, den geschlossenen Landgasthof sehen viele Menschen nicht, weil es ihn einfach nicht mehr gibt, das merken dann nur die direkt betroffenen Menschen. Aber jede geschlossene Location hat den Verlust von menschlichem Miteinander zur Folge, sie können an einem Ort nicht mehr zusammenkommen, um zu essen und zu trinken, ein urmenschlicher Instinkt aller Gesellschaften.
Doch hilft es da wirklich, den Mehrwertsteuersatz von 19 auf sieben Prozent wieder abzusenken, um das Gastro-Sterben zu stoppen?
Wir brauchen die sieben Prozent, die Kosten sind seit 2019 im gesamten Gastro-Bereich um 30 Prozent gestiegen. Doch die Gäste spüren auch die explodierende Inflation in ihrem Geldbeutel und wir mussten nun auch noch die Preise erhöhen, um finanziell überleben zu können. Doch wir können die höheren Preise nicht über die Speise- oder Getränkekarte kompensieren, die Gäste haben schlichtweg auch das Geld nicht mehr. Sie bestellen weniger, oder viel schlimmer, sie kommen einfach nicht mehr. Dieser Teufelskreis kann schnell nur mit einem gesenkten Mehrwertsteuersatz durchbrochen werden, abgesehen von vielen anderen dann nachfolgenden Maßnahmen. Interview: Sven Bargel

E-Scooter-Boom in deutschen Städten
Immer mehr Bundesbürger gerade in den Städten steigen auf den Elektroroller um und lassen ihr Auto stehen. Bereits im Jahr 2023 waren 990.000 E-Scooter unterwegs, im letzten Jahr ist die Millionengrenze durchbrochen worden, so der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV). Dabei fällt auf: Der Trend geht zum eigenen Elektroroller. Während die Anzahl an Leih-Scootern 2023 um lediglich neun Prozent auf rund 210.000 Stück wuchs, stieg die Anzahl privater Scooter um ganze 37 Prozent auf 780.000 Stück. „E-Scooter haben sich innerhalb weniger Jahre im Straßenbild etabliert und sind für viele Wege zur Alternative zu Autos, Fahrrädern, Mofas oder dem Zu-Fuß-Gehen geworden“, erklärt die stellvertretende GDV-Hauptgeschäftsführerin, Anja Käfer-Rohrbach, den Boom. Aber laut Bilanz verursachen Fahrer mit Leih-Scootern deutlich mehr Unfälle als diejenigen mit privaten Elektrorollern.
Altersarmut erneut auf Rekordwert gestiegen
Die Zahl der Rentnerinnen und Rentner in Deutschland, die als armutsgefährdet gelten, ist im vergangenen Jahr deutlich gestiegen. Nach Daten des Statistischen Bundesamtes kletterte die Quote im letzten Jahr bei den ab 65-Jährigen im Vergleich zu 2023 von 18,4 Prozent auf 19,6 Prozent und damit auf einen neuen Rekordwert. 9,6 Prozent aller deutschen Rentnerinnen und Rentner sind seit 2024 von Altersarmut bedroht. Der Anstieg um 1,2 Prozentpunkte bedeutet demnach in absoluten Zahlen eine Zunahme um rund 300.000 Menschen auf 3,54 Millionen. Die Steigerung der Armut bei Rentnern sei damit stärker als in der Gesamtbevölkerung, so die Statistik. Als armutsgefährdet gelten Menschen mit einem Einkommen von weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens, das waren bei Alleinlebenden 1.378 Euro im Jahr 2024.
Warnung vor Fentanyl

Das Schmerz- und Narkosemittel Fentanyl wird auch in Deutschland zunehmend zur Gefahr, warnt der Bundesdrogenbeauftragte der Bundesregierung, Burkhard Blienert (SPD). In Großstädten entwickele sich Fentanyl gemeinsam mit Kokain und Crack zu einer „immer größeren Herausforderung für die Gesundheit und auch für das Zusammenleben in unserer Gesellschaft“, warnt der Bundesdrogenbeauftragte. Laut Blienert sei in den USA die Lage rund um Fentanyl mittlerweile völlig außer Kontrolle geraten. Alleine 2023 starben dort 75.000 Menschen an Fentanyl. Das Mittel ist Teil der sogenannten Opioidkrise. Als Auslöser in den USA gilt das Pharmaunternehmen Purdue, das entsprechende Schmerzmittel offensiv vermarktete. „Wir haben noch keine Opioidkrise wie in Amerika. Aber es gibt erste Tendenzen, auf die wir uns vorbereiten sollten, damit es nicht so weit kommt“, so Blienert.

Studie
Wähler sind depressiv
Die Stimmung vieler Wähler ist einer tiefenpsychologischen Studie des Kölner Rheingold-Instituts zufolge von Sorgen, Enttäuschung und Hoffnungslosigkeit bestimmt. Grund dafür seien die Folgen einer stotternden Wirtschaft, bröckelnde Infrastruktur und eine als fehlgesteuert wahrgenommene Migration, so die Kernerkenntnis der Rheingold-Studie. Das Problem: „Kaum jemand glaubt daran, dass sich die Lage durch einen Regierungswechsel nach der Bundestagswahl verbessern wird“, so Institutsleiter und Psychologe Stephan Grünewald. „Die Tatsache, dass sich die zerstrittenen Protagonisten der gescheiterten Ampelregierung wieder geschlossen zur Wahl stellen, sorgt für zusätzliche Kränkung und Wut. Die Politik muss dringend gegen die zunehmende Spaltung unserer Gesellschaft aktiv werden“, fordert er weiter. Denn mitunter entstand in den Tiefeninterviews der Eindruck, dass die Befragten, zu denen auch AfD-Wählerinnen und -Wähler gehörten, in komplett unterschiedlichen Wirklichkeiten leben und die Welt vollkommen anders wahrnehmen. Eine erhebliche Herausforderung für die zukünftig, politisch Agierenden, schlussfolgert Studienleiter Grünewald.
„Wirtschaftswarntag“ im Saarland
Den bundesweiten Warntag, den mehrere Unternehmensverbände bundesweit veranstalteten, nutzte auch der saarländische Verband der Unternehmen (VSU), um mit seinen Mitgliedsverbänden auf die wirtschaftlichen Probleme aufmerksam zu machen: Weniger Bürokratie, geringere Steuern und Sozialabgaben, weniger Einmischung und priorisierte Ausgabenpolitik des Staates stehen auf der Wunschliste der Saar-Firmen. VSU-Präsident Oswald Bubel widersprach dabei einer Lockerung der Schuldenbremse. Dennoch müsse der Staat seine Investitionsquote erhöhen und Infrastruktur modernisieren, indem er seine Ausgaben auf den Prüfstand stelle. Auch eine politische Einmischung in die Mindestlohndebatte sei nicht hinzunehmen. Die notwendige Transformation müsse laut Bubel wettbewerbsfähig geschehen, Bildung müsse gestärkt und die Forschung gefördert werden.
AKK verlässt Katholiken-Komitee
Die frühere saarländische Ministerpräsidentin und CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer hat ihre Mitgliedschaft im Zentralkomitee der Deutschen Katholiken (ZdK) niedergelegt. AKK begründete das mit der Positionierung des ZdK in der Debatte um die Migrationspolitk, die sie nicht mittragen könne. Das ZdK hatte in einer Stellungnahme scharfe Kritik an der Migrationspolitik von Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz geübt. Darin heißt es, schon mit dem Begriff „Zustrombegrenzungsgesetz“ würden Grenzen der politischen Kultur überschritten. Die ZdK-Vorsitzende Irme Stetter-Karp bedauerte den Rückzug Kramp-Karrenbauers und verwies zugleich auf frühere Beschlüsse des ZdK zur Migrationspolitik. ZdK-Vizepräsident Wolfgang Klose hatte zudem bekräftigt: „Wir haben das Asylrecht im Grundgesetz verankert, die Genfer Flüchtlingskonvention unterzeichnet und sind an die Europäische Menschenrechtskonvention gebunden“. Das ZdK ist der Dachverband Katholischer Laien.
Höhere Honorarsätze nicht gegenfinanziert
Die vermutlich letzte Gesetzesnovelle der Ampel sorgt bei den Gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV) für Aufregung. SPD, Grüne und FDP hatten die Honorarbegrenzung für Hausärzte aufgehoben. So wurde unter anderem eine Jahres- statt Quartalspauschale für chronisch Kranke eingeführt. Die Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbandes, Dr. Carola Reimann, sieht diese Entscheidung kritisch, da die Mehrkosten nicht gegenfinanziert seien. „Wir sehen zum Jahreswechsel historische Beitragssatzsprünge, auch weil diese Koalition die versprochene Stabilisierung der GKV-Finanzen nicht hingekriegt hat. Trotzdem wird eine Honorarverbesserung für Hausärzte ohne jeglichen Versorgungsmehrwert auf den Weg gebracht“, so Reimann, doch werde die Gesetzesänderung für die Patienten keinerlei Vorteil bringen. „Mit den damit extra ausgelobten rund 400 bis 500 Millionen Euro wird kein Hausarzt zusätzlich in strukturschwachen Gebieten angesiedelt, kein Patient früher oder besser behandelt“, so Carola Reimann.
EU-Kommission
Lösungen gesucht

Die EU-Kommission hat einen strategischen Dialog mit 22 Organisationen und Unternehmen der Automobilbranche begonnen. Ziel des Dialoges sind ein „gemeinsames Verständnis der kritischen Herausforderungen“ und „mögliche Lösungen“ für die seit Jahren unter Druck stehende europäische Automobilindustrie. Am Dialog nehmen nicht nur Konzerne wie BMW, Volkswagen oder Volvo, sondern auch Sozialpartner und Verbände teil, darunter beispielsweise die europäische Automobilgewerkschaft (ACEA), der europäische Verbraucherschutz (BEUC) und die europäische Vereinigung für Transport und Klima (T&E) teil. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sagte dazu: „Die grundlegende Frage, die wir gemeinsam beantworten müssen, ist, was uns noch fehlt, um die Innovationskraft unserer Unternehmen freizusetzen und einen robusten und nachhaltigen Automobilsektor zu gewährleisten. Das Ergebnis dieses Dialogs wird ein umfassender Aktionsplan sein, den wir am 5. März vorstellen werden.“

Mehr Platz für das Kommando Spezialkräfte
Die Elitetruppe der Bundeswehr KSK muss wachsen, da dem Kommando Spezialkräfte zukünftig noch mehr Aufgaben übertragen werden sollen. Bislang gibt es für die 1.500 Männer und Frauen umfassende Elitetruppe nur den Standort im baden-württembergischen Calw, doch dieser platzt bereits aus allen Nähten. Nun soll es möglicherweise einen zweiten Standort des KSK in Deutschland geben und dieser soll nach Möglichkeit im Osten Deutschlands liegen, um so schneller in den zukünftigen Einsatzgebieten an der NATO-Ostflanke einsatzbereit zu sein. Allerdings stehe man bei den Ausbauplanungen „erst am Anfang“, so ein Sprecher des Heeres auf Anfrage. Die Elite-Soldaten des KSK werden immer dann eingesetzt, wenn deutsche Staatsbürger aus brenzligen Situationen befreit werden müssen, wie 2021, als die Taliban in Afghanistan die Macht übernommen hatten. Hunderte Deutsche saßen am Flughafen Kabul fest, ringsherum gab es Kämpfe. Das KSK holte Eingeschlossene mit Unterstützung der US-Air-Force raus.
Wiegand will's wissen
Blickpunkt Europa
Läuft der Bundestagswahlkampf mit rechten Dingen? Keine unberechtigte Frage im Zeitalter von Desinformation, Fake News und gezielter Einflussnahme.
Besonders anfällig: das Internet. Droht dort die Meinungsdiktatur von „Broligarchen“? Also jener Tech-Milliardäre und Plattformbesitzer mit enormer Macht darüber, wer wann was wie und an wen verbreitet.
Das Gesetz über digitale Dienste (DSA) soll als zentrales Instrument auf europäischer Ebene die Onlinefreiheit sichern. Aufgabe: Einflussübergriffe etwa von US-Unternehmer Elon Musk erkennen, notfalls stoppen. Das Newsnetzwerk Euractiv zählt auf: „Diffamierende Tweets über deutsche Politiker, das ‘Fangirl-Interview’ mit AfD-Chefin Alice Weidel und sein umstrittener Auftritt als Idol bei einer AfD-Wahlkampfveranstaltung samt Wahlempfehlung.“
Wenn es zu bunt wird, könnte der DSA-Mechanismus eine „Bedrohung der öffentlichen Sicherheit“ ausrufen. Die Aufsicht hierüber liegt bei der EU-Kommission. Sie könnte Musks X (einst Twitter) oder Mark Zuckerbergs Facebook an die Kandare nehmen. Die Zügel reichen bis hin zur Zwangsschließung.
Das Problem: Deutschland mit der zuständigen Bundesnetzagentur (BNetzA) zögert bei der Umsetzung des EU-Gesetzes. Grund: Komplexe Kompetenzen, zu wenig Fachkräfte, Juristisches. Folge: Derzeit ließe sich systemische Wahlmanipulation kaum verhindern.
Ein „Konstruktionsproblem des DSA“, gibt BNetzA-Präsident Klaus Müller zu. Heißt: Wer in Berlin die nächste Regierung stellt, muss dringend handeln. Zumal russische und chinesische Trolle schon viel länger aktiv sind als Musk.
Wolf Achim Wiegand ist freier Journalist mit EU-Spezialisierung.