Drei Fragen
„Das ist absolute Abzocke“
Investoren kassieren bei Unterbringung von Flüchtlingen ab, zulasten der Kommunen. Mieten von über 30 Euro pro Quadratmeter seien unverschämt, sagt Markus Gruhn, Vorsitzender des Rings Deutscher Makler von Berlin und Brandenburg.
Herr Gruhn, kann ich als Vermieter bei der Unterbringung von Flüchtlingen tatsächlich jeden Preis aufrufen?
Ja, das können Sie, denn es handelt sich nicht um eine Vermietung von Wohnraum, sondern um die Vermietung von Gewerberaum. Nach der jetzigen Gesetzeslage fällt die Unterbringung von Flüchtlingen unter das Gewerbemietrecht, obwohl es eigentlich Wohnungen sind oder sein sollten. Und dadurch ist die Miethöhe frei verhandelbar. Hier ist der Bundesgesetzgeber gefordert, dass zukünftig diese Unterkünfte unter das Wohnmietrecht fallen. Und dann würde auch der Mietpreisspiegel gelten und auch damit die Mietpreisbremse. Und die Kosten für die Unterkünfte für Geflüchtete würden sich mehr als halbieren.
Über welche Mietpreise pro Quadratmeter sprechen wir denn da?
Die Bandbreite bei netto/kalt pro Quadratmeter geht zum Beispiel hier in Berlin von knapp 20 bis an die 30 Euro, dazu kommen dann noch die Nebenkosten. Bei den angebotenen Objekten handelt es sich fast immer um leer stehende Bauruinen, die eigentlich abgerissen werden müssten, weil sie Schrott sind. Die Investoren kaufen die und rufen hierfür über 20 Euro pro Quadratmeter vom Land Berlin auf. Dann wird noch ein bisschen bei den Nebenkosten getrickst, was die Brutto-Miete auf 30 Euro treibt. Das ist absolute Abzocke, bei den die Kommunen keine Chance haben, weil sie die Flüchtlinge unterbringen müssen.
Aber solche Mietverträge nach Gewerberecht sind doch auch wieder kündbar, wenn die Unterkünfte nicht mehr gebraucht werden?
Das ist der nächste Fallstrick für die Kommunen, die Mietverträge werden für drei bis fünf Jahre für eine Unterkunft geschlossen. Das heißt, selbst wenn die Unterkunft leer steht, muss die Kommune beziehungsweise das Land weiter die Miete zahlen. Hier in Berlin will der Senat jetzt einen neuen Weg gehen und Flüchtlingsunterkünfte auf zehn Jahre fest mieten. Da reden wir dann am Beispiel einer neuen Großunterkunft in Berlin-Charlottenburg von einer jährlichen Mietgarantie, die in den Millionenbereich geht und das auf zehn Jahre garantiert. Wohlgemerkt für eine Immobilie, die auf dem freien Markt überhaupt nicht mehr zu vermieten wäre. Interview: Sven Bargel

Gewalt an Bahnhöfen hat zugenommen
Nach Angaben der Bundesregierung hat sich die Sicherheitssituation an Bahnhöfen 2024 verschlechtert. Gewalttaten hätten zugenommen, dabei stieg besonders stark die Zahl von Sexualdelikten, so die Antwort des Innenministeriums auf eine parlamentarische Anfrage. Grundlage sind die Zahlen der Polizeilichen Eingangsstatistik (PES), die nun für das vergangene Jahr ausgewertet wurden. So stieg die Zahl von angezeigten Gewaltdelikten bundesweit an den Bahnhöfen um mehr als 1.500 Taten, ein Anstieg von knapp sechs Prozent. Dabei lagen die Sexualdelikte mit fast 20 Prozent vorn. Auch mit Waffen- sowie Sachbeschädigungsdelikten musste sich die Polizei im vergangenen Jahr häufiger als noch 2023 beschäftigen, ein Anstieg von zehn Prozent. Positiv: die Zahl der Messerangriffe in Zügen ist um 18 Prozent gesunken. Bewusst wird in der PES-Statistik nicht ausgewertet, an welchen Bahnhöfen Deutschlands es besonders oft zu Gewalttaten kommt. Dies sei Sache der Länder, heißt es.
Neue Köpfe für die FDP
Nach dem Ausscheiden aus dem Bundestag mit mageren 4,3 Prozent bei der Bundestagswahl sortieren sich die Liberalen personell in kürzester Zeit offenbar neu. FDP-Chef Christian Lindner und Kurzzeit-Generalsekretär Marco Buschmann hatten bereits am Wahlabend ihre Rücktritte bekannt gegeben. Für den Neubeginn haben sich jetzt gleich vier in der Partei verwurzelte Liberale in Stellung gebracht. Bereits auf der ersten Vorstandssitzung nach der Wahl hatten die Europaabgeordnete Marie-Agnes Strack-Zimmermann und Noch-Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki Interesse bekundet. Doch beide stehen für viele Liberale nicht gerade für einen personellen Neubeginn. Nun hat auch der ehemalige Fraktionschef im Bundestag Christian Dürr (47) seine Bereitschaft erklärt als neuer Vorsitzender der Partei in den Ring zu steigen. Dem Ökonom werden auf dem Bundesparteitag im Mai in Berlin gute Chancen eingeräumt.
Grüne vor Neuaufstellung
Im Vergleich zu den ehemaligen Ampelpartnern SPD und FDP waren die Stimmenverluste der Grünen bei der Bundestagswahl noch moderat. Trotzdem ziehen sie nun ihre Konsequenzen. Kanzlerkandidat Robert Habeck bleibt dem Bundestag als Abgeordneter zwar erhalten, zieht sich aber aus Parteiämtern zurück.
Nun könnte es zu einem Linksruck nicht nur in der Bundestagsfraktion, sondern auch in der Spitze der Partei kommen. Noch vor Ostern soll es eine erweiterte Bundesdelegiertenkonferenz geben, um den zukünftigen Kurs der Grünen abzustecken. In der Kritik steht zum Beispiel Co-Vorsitzende Franziska Brantner, die einen bürgerlichen Mitte-Kurs vertritt. Die Parteibasis will vor allem in Fragen der Migration wieder viel weiter nach links rücken. Hintergrund ist der bundesweite Wahlerfolg der Linken auf Kosten der Grünen. Mit Spannung erwartet wird die zukünftige Rolle in der Partei von Noch-Außenministerin Annalena Baerbock, die ebenfalls für einen Mitte-Kurs steht.
Rot-Grün in Hamburg bestätigt

Hamburgs Erster Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) wird auch in den kommenden fünf Jahren die Geschicke der Freien und Hansestadt führen. Bei der Bürgerschaftswahl verlor seine SPD zwar drei Prozentpunkte, war aber mit 33,5 Prozent klarer Wahlsieger. Auf dem zweiten Platz landete die CDU mit 19,8 Prozent, dicht gefolgt von den Grünen (18,5), die sechs Prozentpunkte verloren haben. Auch bei der Wahl an der Elbe gingen die Stimmen der Grünen an die Linke, die ihr Ergebnis auf knapp 12 Prozent verbesserte. Wahlsieger Tschentscher kündigte zwar an, auch mit der CDU über eine künftige Hamburger Bürgerschaft sondieren zu wollen. Dass es dazu kommt, gilt allerdings als sehr unwahrscheinlich. Tschentscher hatte schon am Wahlabend verkündet, die Grünen seien weiterhin seine Regierungs-Favoriten. Damit endet nun die lange Serie von Wahlen in Deutschland bis zum kommenden Frühjahr. Dann wird in Baden-Württemberg ein neuer Landtag gewählt. In diesem Jahr gibt es keine weitere reguläre Landtagwahl. Im Bundesrat, der Länderkammer, ändert sich nach dem Wahlmarathon an den Mehrheitsverhältnissen zunächst nichts. Das komplizierte Abstimmungsverhältnis zwischen den 16 Ländern wird weder von der Union, noch von der SPD dominiert. Die Zahl der Enthaltungen bei Abstimmungen dürfte zunehmen. Die Länder müssen einheitlich abstimmen. Wenn das aufgrund von Koalitionen nicht gelingt, bleibt nur Enthaltung.
Das SPD-geführte Brandenburg und das CDU-geführte Thüringen regieren mit dem BSW. Das Bündnis könnte diese Rolle für bundespolitische Positionierungen nutzen. Dazu kommt der Freistaat Sachsen, wo Michael Kretschmer von der CDU mit der SPD in einer Minderheitsregierung ist. Für eine Mehrheit fehlen im Dresdner Landtag satte zehn Stimmen. Das wird zukünftig ebenfalls zu Enthaltungen führen, um sich im heimischen Landtag nicht notwendige Mehrheiten zu verbauen.

Weniger Asylanträge
Die Zahl der Asylanträge in der EU sowie in Norwegen und in der Schweiz ist im vergangenen Jahr deutlich zurückgegangen, meldet die EU-Flüchtlingsagentur EUAA: Insgesamt wurden in den 29 Ländern 1.014.000 Anträge registriert – genau 100.000 weniger als im Jahr zuvor (minus elf Prozent). Vor allem in Deutschland gab es weniger: Mit knapp 237.000 Erstanträgen war die Bundesrepublik als bevölkerungsreichstes Land in Europa zwar auch vergangenes Jahr wieder Ziel Nummer eins. Allerdings waren es allein hier 92.000 Anträge weniger, ein Minus von fast 30 Prozent. Die Zahlen in anderen EU-Staaten wie Spanien (169.000) sowie Frankreich und Italien (jeweils 159.000) blieben nahezu gleich.
Pro Kopf der Bevölkerung gerechnet sind die Asylbewerberzahlen auf der Insel Zypern und in Griechenland am höchsten. Die meisten Antragssteller kamen aus Syrien, gefolgt von Afghanistan, Venezuela und der Türkei.
„Ömpel“ regiert Östereich

Drei Verhandlungsanläufe hat es gebraucht, doch nun hat auch Österreich eine neue Regierung. Bei unseren Nachbarn wird eine Dreier-Koalition aus ÖVP, SPÖ und Neos an den Start gehen. Die Österreichische Volkspartei (vergleichbar mit der CDU), Sozialdemokraten und Liberale hatten bereits von Oktober bis Januar miteinander verhandelt, doch die Gespräche scheiterten – vor allem am Geld.
Anschließend verhandelte die ÖVP mit dem eigentlichen Wahlgewinner, der rechtsextremen FPÖ und ihrem Parteiobmann Kickl. Doch dieser wollte aus ÖVP-Sicht völlig überzogene Machtansprüche innerhalb der Koalition durchsetzen, auch diese Verhandlungen scheiterten.
Da weder Volkspartei, Sozialdemokraten, noch die Liberalen Interesse an Neuwahlen hatten – Wahlforscher warnten vor einem wahrscheinlichen Erdrutschsieg der FPÖ – rauften sie sich nun innerhalb von drei Wochen doch noch zusammen. Die ÖVP wird mit ihrem Parteichef Christian Stocker erneut den Bundeskanzler stellen, SPÖ-Chef Andreas Babler soll das Amt des Vizekanzlers übernehmen.

Berufsorientierung
Sport trifft auf Berufe
Als einziger Vertreter der Pflegebranche präsentierte sich die Victor’s Group kürzlich auf der Berufsorientierungsmesse „Sport meets Professions“ des Handballvereins Saarlouis in Fraulautern. Für die Schülerinnen und Schüler brachte das Unternehmen eine Torwand für den „Karriere-Kick“ mit. Interessierte Schüler lud das Unternehmen zum Kennenlerntag in die Victor’s Residenz Saarlouis ein und knüpfte neue Kontakte zu Schulen und Netzwerken. Josephine Luckas, Assistenz der Geschäftsleitung und Verantwortliche für das Azubi-Recruiting der Victor’s Group, äußert sich sehr positiv zur Veranstaltung: „Für die Victor’s Group bietet sich eine hervorragende Gelegenheit, in unmittelbarer Nähe zu unserem Standort Schüler und Schülerinnen zu begeistern und für uns zu gewinnen.“ Nach einer ersten kleinen, durchaus positiven Durchführung zum Ende der letzten Sommerferien präsentierte die HG Saarlouis in diesem Jahr erstmals eine große Bildungs- und Berufsorientierungsmesse. „Wir haben nicht nur die Jugendlichen in unseren Reihen“, betonte HG-Vorsitzender Daniel Müller, „die HG Saarlouis verfügt zudem über die dazu so wichtigen Macher und das nicht minder wichtige Netzwerk.“ Auch der saarländische Innen- und Sportminister Reinhold Jost besuchte die Messe. Unter den Ausstellern waren unter anderem die Bundeswehr, die HTW Saar und zahlreiche andere saarländische Unternehmen.
Wiegand will's wissen
Blickpunkt Europa
In Europas Politik brodelt es. Tief sitzt das Gefühl vieler Regierungen, nach Jahrzehnten der Waffenbrüderschaft von den USA verlassen worden zu sein. Täglich sind weitere Trampeleien von US-Präsident Donald Trump möglich.
Unterdessen sickert in „good old Europe“ die Erkenntnis durch, dass wir einen eigenen Weg einschlagen müssen. Nicht aus Trotz, sondern aus Eigennutz. Dazu gehört, dass die EU-Staaten darangehen, aus ihren 27 nationalen Armeen eine gemeinsame Streitkraft unter blau-gelber Europaflagge zu formen. Auftrag: Sicherung unserer Interessen im Gefüge zwischen USA und Russland.
Ist das machbar? Häufig heißt es: „Viel zu kompliziert!“ Europa habe zu buntscheckige Gesellschaften mit unterschiedlichsten Militärkulturen. Das stimmt. Die Herausforderungen zur Schaffung einer Europäischen Armee sind enorm. Es geht um gemeinsame Strategien und Finanzierung. Es muss eine klare Befehlskette her. Und wir Deutsche wünschen uns eine Parlamentsarmee. Alles kompliziert.
Aber ich meine: Wir haben keine Zeit mehr für Bedenkenträgerei. Das Momentum ist jetzt!
Schauen wir nicht nur auf die Zweifel, sondern mehr auf die Chancen. Unsere Militärbudgets müssen nicht dem abtrünnig gewordenen großen Bruder gefallen, sondern sie sollten dem Schaffen eigener Stärke dienen. Dazu brauchen wir Kreativität im Denken. Und notfalls eine Militärkoalition der Willigen.
Ausgerechnet das Nicht-EU-Land Ukraine hat kürzlich vorgeschlagen, eine unabhängige Europaarmee zu gründen. Täten wir das, verlören US-Drohungen, uns im Regen stehen zu lassen, stark an Wirkung. Gemeinsam sind wir stark.
Wolf Achim Wiegand ist freier Journalist mit EU-Spezialisierung.