Drei Fragen
„Es braucht eine Verwaltungsreform“
Die Wiederholungswahl hat vor allem durch den Einsatz von viel Geld gut funktioniert, doch die strukturellen Probleme sind geblieben, so Prof. Stephan Bröchler, Berliner Landeswahlleiter.
Herr Prof. Bröchler, 39 Millionen Euro Kosten für eine Landtagswahl, in der Geschichte der Bundesrepublik absoluter Rekord. Wird Wählen in Berlin jetzt immer so kostspielig?
Nein, das geht natürlich nicht. Sie müssen bedenken, pro Wahlberechtigten mussten wir bei der Wiederholungswahl fast 14 Euro aufwenden, das steht natürlich in keinem Verhältnis zu allen bisherigen Landtagswahlen in Deutschland. Doch ich bitte da zu beachten, wir hatten es hier mit dem einmaligen Vorgang in der Geschichte der Bundesrepublik zu tun. Innerhalb von 90 Tagen musste diese Wahlwiederholung auf die Beine gestellt werden. Sonst hat man dafür ein ganzes Jahr Zeit. Dazu kommt, die gesamte Wahl-Infrastruktur ist völlig überholt. Ich als Landeswahlleiter bin weiter ein König ohne Land, also ich habe immer noch keine Entscheidungsgewalt.
Aber wie wollen Sie dann die Kosten zu einer Wahl senken, wenn strukturell überhaupt nichts passiert ist?
Ein erster Ansatz ist, dass wir die Aufwandsentschädigung für die Wahlhelfer bei dem nun als nächstes anstehenden Volksentscheid halbiert haben, von 240 auf 120 Euro. Zum Vergleich, bei der völlig schief gelaufenen Wahl im September 2021 gab es nur 60 Euro, was zur Folge hatte, dass nicht genügend Wahlhelfer zur Verfügung standen. Nun hat die Vervierfachung der Aufwandsentschädigung dazu geführt, dass sich mehr Wahlhelfer gemeldet haben, als wir brauchten. Das Amt des Wahlhelfers hat damit auch eine Aufwertung erfahren.
Doch zukünftig gibt es nur noch die Hälfte für die Wahlhelfer, haben Sie nicht Angst, dass sich dann weniger melden?
Da vertraue ich auf die Bürger, die als Wahlhelfer jetzt gerade eingesetzt wurden und so das Amt kennengelernt haben. Viele von ihnen werden ganz sicherlich auch bei den nächsten Urnengängen dabei sein. Aber es braucht auch dringend einer Verwaltungsreform, damit zukünftig die Wahlleitung mehr Befugnisse bekommt, um eine Wahl über alle örtlichen Behördenvorbehalte zu organisieren. Auch in Berlin müssen Wahlen zukünftig nicht nur ohne Probleme durchführbar, sondern auch bezahlbar sein. Was in anderen Bundesländern seit Jahrzehnten klappt, wird auch hier wieder funktionieren, ohne dass wir immense Summen aufwenden müssen. Interview: Sven Bargel
Mehr Kameras an Außengrenzen
Auf dem EU-Sondergipfel Mitte Februar ging es vor allem um den Schutz der EU-Außengrenzen an der Ostflanke. Unter anderem fordert nun auch Österreich, dass die Grenze zwischen Bulgarien und der Türkei durch den Bau eines Zauns besser vor illegalen Grenzübertritten geschützt werden soll. Die EU sollte die Kosten für diesen Bau übernehmen. Das scheiterte jedoch auch an dem Veto aus Deutschland. EU-Kommissions-Präsidentin Ursula von der Leyen kündigt nach dem Gipfel an: „Wir werden handeln, um unsere Außengrenzen zu stärken und irreguläre Migration zu verhindern.“ Zwar soll nun nicht ein Zaun finanziert, aber die Luftüberwachung ausgedehnt, dazu zum Beispiel Kameras mit EU-Mitteln angeschafft werden, um so illegale Grenzübertritte zu verhindern, so von der Leyen. Im Mittelpunkt dieser Maßnahme ist weiterhin die Landgrenze von Bulgarien zur Türkei. Über diese Grenzen reisen mehr Menschen illegal ein, seitdem Griechenland seinen Grenzschutz verschärft hat.
Pflegeausbildung verbessern
Die Pflegeausbildung an Universitäten muss dringend nachgebessert werden, fordert die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft Verdi. Weil Bedingungen und Perspektiven offensichtlich nicht attraktiv genug sind, blieben die Studierendenzahlen in der Pflege bislang deutlich unter den Erwartungen, so Sylvia Bühler vom Bundesvorstand. Sie plädiert für ein duales Studium mit betrieblicher Anbindung, angemessener Vergütung für die gesamte Dauer des Studiums, sowie verbindliche Qualitätsstandards einer praxisorientierten Ausbildung.
Der 2022 von Verdi veröffentlichte Ausbildungsreport Pflegeberufe zeigte gravierende Defizite. Deshalb müsse die berufliche Ausbildung nachhaltig gestärkt und die Ausbildungsqualität deutlich verbessert werden, forderte Bühler. Dazu gehöre auch, dass der Mindestumfang der Praxisanleitung von zehn auf 20 Prozent angehoben wird und Verstöße gegen die Vorgaben sanktioniert werden.
15 Prozent mehr Lohn
Zu Beginn der dritten Tarifverhandlungsrunde für die Tarifbeschäftigten bei der Deutschen Post AG (DP AG) hatten bundesweit Beschäftigte gestreikt. „Ein glasklares Signal an die Arbeitgeber, dass die Beschäftigten bereit sind, für ihre Forderungen zu kämpfen“, sagt Andrea Kocsis, stellvertretende Vorsitzende der Gewerkschaft Verdi und Verhandlungsführerin. Sie erwarteten eine kräftige Gehaltserhöhung. Verdi verlangt vom Arbeitgeber die Vorlage eines einigungsfähigen Angebots und fordert eine Entgelterhöhung von 15 Prozent bei einer Laufzeit von zwölf Monaten. Außerdem sollen die Ausbildungsvergütungen für jedes Ausbildungsjahr um 200 Euro pro Monat angehoben werden.
Der Konzern rechnet für 2022 mit einem Rekordergebnis von etwa 8,4 Milliarden Euro. Auch dank der Arbeit der Beschäftigten, betonte Kocsis. Deshalb sei eine Lohnerhöhung von 15 Prozent nicht realitätsfern, sondern notwendig, gerecht und machbar. Die letzte Tariferhöhung im Januar 2022 betrug bei der DP AG zwei Prozent.
Solarstrom vom Balkon
Bis zu 500 Euro können Mieterinnen und Mieter in Berlin für den Erwerb einer Balkon-Solaranlage erhalten. Möglich wurde das, weil die Senatsverwaltung für Wirtschaft, Energie und Betriebe das SolarPLUS-Förderprogramm um ein Modul für Steckersolargeräte erweitert hat. Insgesamt sieben Millionen Euro wurden für die Förderung der sogenannten Balkonkraftwerke bereitgestellt. Vor Anschaffung eines Steckersolargeräts sollte geprüft werden, ob der Balkon geeignet ist und sich das Gerät sicher befestigen lässt. Grundsätzlich muss die Installation der Solaranlage fachgerecht erfolgen. Beantragt wird es online beim IBB Business Team, Informationen zur Installation und zu Förderungen gibt es bei solarwende-berlin.de. Das Programms SolarPLUS ist Teil des Masterplans SolarCity und wird aus den Haushaltsmitteln der Senatsverwaltung für Wirtschaft, Energie und Betriebe finanziert. Nach 2,4 Millionen Euro für das Jahr 2022 wurde das Programm 2023 auf insgesamt 23,7 Millionen Euro aufgestockt.
Ukraine-Krieg
Petition gestartet
Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht und die Frauenrechtlerin Alice Schwarzer fordern Bundeskanzler Olaf Scholz in ihrem „Manifest für den Frieden“ umgehend zu Verhandlungen mit Russland, der Ukraine und den USA auf. In der Erklärung warnen die beiden prominenten Frauen vor einer Eskalation des Ukraine-Krieges: Spätestens wenn es zu weiteren Konflikten auf der Krim kommen sollte, werde der russische Präsident Wladimir Putin zu einem maximalen Gegenschlag ausholen. Insgesamt 69 Prominente aus Politik, Kirche und Unterhaltung gehören zu den Erstunterzeichnern, darunter die Theologin Margot Käßmann, der Sänger Reinhard Mey, der Satiriker Martin Sonneborn, der Textilunternehmer Wolfgang Grupp und der ehemalige EU-Kommissar Günter Verheugen. 58 Prozent der Deutschen gehen die diplomatischen Bemühungen zur Beendigung des Krieges laut jüngstem ARD-Deutschlandtrend nicht weit genug. Für 35 Prozent gehen die derzeitigen Waffenlieferungen an die Ukraine zu weit, 44 Prozent halten sie für angemessen, 15 Prozent für noch zu gering.
Auf Vor-Corona-Niveau
Das Saarland zieht nach den mageren Corona-Jahren wieder mehr Touristen an. Dies belegen die Zahlen des statistischen Landesamtes. Demnach sind 2022 erneut mehr als drei Millionen Übernachtungen zu verbuchen – etwa so viel wie 2019. Eine deutliche Steigerung um 45,6 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum, allerdings kein Kunststück angesichts des Lockdowns in der Hotellerie 2020 und 2021. Saar-Wirtschaftsminister Jürgen Barke (SPD) zeigte sich als Verantwortlicher für Tourismus im Land dennoch erfreut und bezeichnete ihn als „wichtiges Element des Strukturwandels im Land“. Besonders hoch nachgefragt bei Touristen sind laut Zahlen des statistischen Landesamtes Aktivthemen wie Radfahren und Wandern und das vielfältige Angebot an Freizeiteinrichtungen wie der Baumwipfelpfad Saarschleife, der Archäologiepark Römische Villa Borg oder der Naturwildpark Freisen.
Weniger Azubi-Verträge
Knapp vier Prozent Minus bei neu abgeschlossenen Lehrverträgen – das ist die Bilanz, die die saarländische Handwerkskammer aus dem vergangenen Jahr zieht. Konkret kamen 2022 insgesamt 131 neue Ausbildungsverhältnisse weniger im Saarhandwerk zustande. Die größten Rückgänge gab es bei den Malern und Lackierern, den Feinwerkmechanikern, den Metallbauern sowie den Tischlern. Eine Zunahme an neu abgeschlossenen Ausbildungsverhältnissen gab es bei den Elektronikern und den Maurern. Mit einer Vielzahl eigener Nachwuchswerbemaßnahmen will die HWK das Handwerk erlebbar machen, zum Beispiel in Schulen, auf Jobmessen, aber auch in den sozialen Medien. 2023 plant die HWK, mit neuen Handwerksbotschaftern, Gesellen und Meistern, für die Berufe zu werben. HWK-Hauptgeschäftsführer Bernd Reis appelliert an die ausbildungsbereiten Handwerksbetriebe im Saarland, ganzjährig Praktikumsplätze anzubieten und sich mit authentischen Employer-Branding-Maßnahmen als potenzielle Arbeitgeber zu positionieren.
Energie-Partner Australien
Australien habe ein großes Potenzial an erneuerbarer Energie und wolle, dass Europa ein wichtiger Abnehmer dieser Energie werde, sagte Chris Bowen, Australiens Minister für Klimawandel und Energie, auf einer Veranstaltung des Centre for European Policy Studies in Brüssel. 2022 erzeugte Australien seinen Strom zu 71 Prozent aus fossilen Brennstoffen. Das soll sich jetzt ändern. Mit einem neuen Klimaschutzgesetz will das Land seine CO2-Emissionen bis 2030 um 43 Prozent senken. Geplant ist, 82 Prozent des australischen Stroms bis 2030 aus erneuerbaren Energien zu erzeugen und bis 2050 Netto-Null-Emissionen zu erreichen. Die Klimaziele Australiens und der EU sind sehr eng miteinander verbunden und würden sich für eine umfassende Partnerschaft eignen. Das Land könnte ein führender Rohstofflieferant werden. Es ist weltweit der größte Lithiumproduzent, hat die zweitgrößten Kupferreserven und fördert in großem Umfang Nickel, Kobalt, Mangan und Seltene Erden, die wichtig für moderne Technologien sind.
Debatte über Whistleblower
Bereits im Dezember hatte der Bundestag das Gesetz zum Schutz von Hinweisgebern auf den Weg gebracht. Damit sollen Whistleblower, die Informationen über Missstände in Betrieben oder Verwaltungen leaken, in denen sie beschäftigt sind, besser vor beruflichen Konsequenzen geschützt werden. Doch in der ersten Bundesratssitzung des neuen Jahres ist das Gesetz gescheitert. Vor allem die Länder mit Unionsbeteiligung verweigerten ihre Zustimmung. Bayerns Justizminister Eisenreich (CSU) begründete das Nein zu dem Vorhaben mit „hohen Kosten und zusätzlicher Bürokratie“ für die Unternehmen. Hessens Justizminister Poseck (CDU) warnte, dass das vorgesehene Gesetz auch die Gefahr von Missbrauch beinhalte – „nicht jeder Whistleblower führt Gutes im Schilde“, so Posek. Nun soll der Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat eine Einigung zwischen den Unions- und SPD-Ländern aushandeln.
Landtag
Mehr Transparenz
Landtagspräsidentin Heike Becker hat dem Präsidium des Saarländischen Landtags eine Verschärfung der Transparenzregeln für Abgeordnete vorgeschlagen. Sie sollen im März vom Plenum beschlossen werden. Demnach sollen künftig die Nebeneinkünfte der Parlamentarier bereits ab dem ersten Euro angezeigt und veröffentlicht werden. Die bislang in den Transparenzregeln vorgesehene Angabe der Nebeneinkünfte in zehn Stufen soll wegfallen. Gleiches gilt für Direktspenden, die Abgeordnete zur Unterstützung ihrer Arbeit von Dritten erhalten. Bisher mussten diese Spenden erst dann gegenüber der Landtagspräsidentin angezeigt werden, wenn ihr Wert pro Jahr die Summe von 5.000 Euro übersteigt. Veröffentlichungspflichtig waren Einzelspenden oder mehrere Spenden desselben Spenders bislang erst ab einer Summe 10.000 Euro. In Zukunft fallen diese Einschränkungen weg, sodass alle Spenden ab dem ersten Euro veröffentlicht werden müssen. Eine weitere Neuerung betrifft die Einführung eines Lobbyregisters, also eine beim Landtag geführte Liste, in die sich alle Verbände eintragen, die ihre Interessen gegenüber dem Landtag vertreten. Eine Anhörung der Interessenverbände etwa bei Gesetzgebungsverfahren soll dann die Eintragung in das Lobbyregister voraussetzen.
Weniger Pressevielfalt
Kahlschlag bei RTL Deutschland: Die Fernsehtochter des Bertelsmann-Konzerns baut ihr Print-Geschäft um und konzentriert sich auf die Kernmarken „Stern“, „Geo“, „Capital“ und „Stern Crime“. 13 Titel wie „Brigitte“, „Gala“ oder „Schöner Wohnen“ bleiben beim Verlag Gruner + Jahr, der seit 2022 zu RTL gehört, 23 Titel werden eingestellt. Man wolle die Kernmarken mit Investitionen von etwa 80 Millionen Euro bis 2025 weiterentwickeln, begründete Thomas Rabe, Geschäftsführer von RTL Deutschland, den Schritt. Dazu werden in Hamburg rund 500 Stellen abgebaut, etwa 200 Stellen gehen durch den Verkauf von Titeln auf neue Eigner über.
Kritik kommt von der Gewerkschaft Verdi. „Die fehlgeleitete Strategie aus Gütersloh schneidet dem Medienstandort Hamburg und der Presselandschaft ein großes Stück Vielfalt heraus“, so Christoph Schmitz, Mitglied im Verdi-Bundesvorstand. „Verdi wird sich mit den Beschäftigten gegen diese Entwicklung wehren und regt an, in Hamburg nach Alternativen für dieses vom Bertelsmann-Konzern angerichtete Desaster zu suchen, mit dem Ziel, Magazin-Vielfalt und Arbeitsplätze zu erhalten.“
Corona-Politik
Rücktritt gefordert
FDP-Vize Wolfgang Kubicki hat Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) einen Rücktritt nahegelegt. „Einen ehrenvollen Rücktritt würde Karl Lauterbach niemand vorwerfen“, so Kubicki auf seiner Facebook-Seite. In dem Eintrag kritisierte der stellvertretende Bundestagspräsident die Corona-Politik der vergangenen drei Jahre scharf. Diese hätten besonders Kinder und Ältere massiv benachteiligt, weil die Maßnahmen versagt hätten. Kindern seien mit „bewusster Angsterzeugung Lebenschancen genommen“, die Bewohner in Altenheimen seien „menschenunwürdig“ behandelt worden. Kubicki bezog sich auf Lauterbachs Aussagen in einer Fernseh-Talkshow. Dort hatte der Bundesgesundheitsminister im Rückblick erneut Teile der Corona-Politik kritisiert. „Was Schwachsinn gewesen ist, sind diese Regeln draußen“, sagte Lauterbach und bezog sich etwa auf die zeitweise in Hamburg und Düsseldorf ausgesprochene Vorschrift, mit Maske joggen zu gehen.