Drei Fragen
„Den Weg des Miteinanders gehen“
Wir sind zukünftig auf den Globalen Süden angewiesen, doch das geht nur auf Augenhöhe, so die Vorsitzende der Expertenkommission „Welt im Umbruch– Deutschland und der Globale Süden“, Annegret Kramp-Karrenbauer.
Frau Kramp-Karrenbauer, gibt es nicht schon genug Expertenkommissionen, die sich mit dem Globalen Süden beschäftigen?
Das mag sicherlich sein, dass es eine ganze Reihe solcher Kommissionen mit ähnlicher Ausrichtung gibt. Doch ich sehe da die Schwierigkeit, dass die existierenden Expertenkommissionen entweder von der Regierung eingesetzt wurden, oder aber eine gewisse Parteinähe haben. „Welt im Umbruch“ hat dies nicht, wir sind regierungs- und parteiunabhängig, das ist wichtig für die Glaubwürdigkeit unserer Arbeit. Nicht nur die Weltlage, gerade im Globalen Süden, hat sich verändert, sondern auch bei uns auf der politischen Ebene. Diese Polarisierung wird vor der Bundestagswahl im kommenden Jahr noch weiter zunehmen, da ist unsere Unabhängigkeit wichtig um zu überzeugen.
Worin sehen Sie die Hauptaufgabe der Expertenkommission „Welt im Umbruch“?
Es geht vor allem darum einen neuen Umgang mit den Staaten des Globalen Südens, vor allem Afrika, aufzulegen. Deutschland ist ein internationales Land, wir sind als Exportnation an dritter Stelle hinter China und den USA. Wir sind damit ganz massiv auf gute Beziehungen mit allen Ländern angewiesen, aber eben ganz besonders auf den Globalen Süden. Diese Staaten sind in den letzten Jahren zu Recht sehr viel selbstbewusster geworden und die fragen uns jetzt natürlich, wie stellt ihr euch zukünftig die Zusammenarbeit vor, die für uns positiv, für euch positiv, die aber vor allem fair ist.
Wie muss ich mir denn die Arbeit der Expertenkommission vorstellen, also sind Sie jetzt die nächsten Jahre nur noch in Afrika unterwegs?
(lacht) … nein, das nicht, aber im Ansatz liegen Sie fast richtig. Schon unsere Arbeit als Kommission fängt auf Augenhöhe an. Wir machen eine ganze Reihe von Interviews mit Menschen aus Afrika. Gesellschaftlich kommen sie aus allen Bereichen und Ländern des Kontinents. Diese Interviews werten wir dann aus. Daraus ergibt sich ein Gesamtbild: Also, welche Kritikpunkte im bisherigen Umgang werden sehr häufig genannt? Wir haben die Arbeit schon aufgenommen und es gibt nicht nur Kritik, sondern Deutschland hat einen guten Ruf, da wir den Weg des Miteinanders schon seit Jahren beschreiten, zumindest im Ansatz. Interview: Sven Bargel
Heizen mit Öl und Gas billiger
Heizen mit Öl und Gas könnte nach aktuellen Daten im bevorstehenden Winter günstiger sein als in der vergangenen Heizperiode. Erdgas sei im bundesweiten Durchschnitt sechs Prozent billiger als vor einem Jahr, Heizöl sogar 23 Prozent, wie Zeitungen der Funke Mediengruppe unter Berufung auf eine Auswertung des Vergleichsportals Verivox berichten. Mit Blick auf den starken Preisanstieg vor zwei Jahren sagte Verivox-Experte Thorsten Storck: „Aktuell sind die Gaspreise rund 47 Prozent niedriger als während der Energiekrise.“ Derzeit würden 11,41 Cent pro Kilowattstunde fällig. Leichtes Heizöl koste 92 Euro pro 100 Liter (2023: 114 Euro). Neben dem Brennstoffpreis hängt die Heizkostenrechnung letzten Endes davon ab, wie kalt der Winter wird.
EU-Autobauer fürchten um Jobs
Die Autobranche in der EU ist verunsichert. In einem internen Papier der europäischen Autobranche wird gewarnt, dass der Industriezweig nicht in der Lage sei, eine bevorstehende Verschärfung von EU-Klimavorgaben einzuhalten. Das Schreiben wurde in Brüssel durchgestochen. Die europäischen Autobauer befürchten, dass sie „folglich mit Strafzahlungen in Milliardenhöhe konfrontiert werden könnten“. Wer Strafen entgehen wolle, habe „kaum eine andere Wahl, als die Produktion für Verbrenner erheblich zu drosseln, was Millionen von Arbeitsplätzen in der EU bedroht“, heißt es. Hintergrund sind die sogenannten Flottengrenzwerte. Diese legen einen Grenzwert für den CO2-Ausstoß der Autoflotte der Konzerne fest. Im Durchschnitt aller in der EU in einem Jahr zugelassenen Fahrzeuge darf dieser Wert nicht überschritten werden, der nun zum 1. Januar weiter gesenkt werden soll. Um den gesenkten Grenzwert einzuhalten, müsste in Europa die Produktion von zwei Millionen Verbrenner eingestellt werden. Die Grenzwerte wurden vor sechs Jahren festgelegt.
Sozialabgaben für Gutverdiener sollen steigen
Sowohl in der Renten- als auch in der Kranken- und Pflegeversicherung soll die Beitragsbemessungsgrenze angehoben werden. Das zuständige Bundesarbeitsministerium begründet dies mit der Lohnentwicklung, die sich in den letzten beiden Jahren nach oben entwickelt hat. Demnach sollen in der gesetzlichen Rentenversicherung künftig Beiträge fällig werden bis zu einem Monatseinkommen von 8.050 Euro. Aktuell liegt der Wert deutlich niedriger und unterscheidet sich zwischen alten und neuen Bundesländern: Wer mehr verdient, zahlt nur bis zu dieser Grenze Rentenbeiträge, auf das darüber liegende Einkommen werden keine Beiträge fällig. Die Beitragsbemessungsgrenze für die gesetzliche Kranken- und Pflegeversicherung soll demnach auf 5.512,50 Euro steigen. Der Entwurf ist noch in Abstimmung.
Fachkräfte-Offensive mit Rückführungsabkommen
Deutschland und Kenia werden bei der Steuerung der Migration aus dem ostafrikanischen Land künftig wesentlich enger kooperieren, als bisher. Die Anwerbung von Fachkräften wurde in einem zwischen beiden Ländern geschlossenen Vertrag vereinfacht, Deutschland geht es vor allem um kenianische IT-Experten. Umgekehrt soll die Rückführung von Kenianern ohne Bleiberecht in Deutschland in ihr Heimatland erleichtert werden. Allerdings leben in Deutschland lediglich 800 Kenianer ohne Aufenthaltsrecht. Ende September wurde mit Usbekistan ein ähnlich lautender Vertrag geschlossen. Deutschland unterhält zu dem vorderasiatischen Staat gute Beziehungen, gut 15 Jahre lief die Versorgung von Truppen und Material für den Auslandseinsatz der Bundeswehr in Afghanistan über Usbekistan. Weitere solcher Migrationsverträge sind für das kommende Jahr mit Moldau, den Philippinen und Ghana vorgesehen.
Migration
CDU will neuen Anlauf
CDU-Chef Friedrich Merz hat die Bereitschaft der Union bekräftigt, mit der Bundesregierung in der Migrationspolitik zu einer gemeinsamen Lösung zu kommen. Er sei offen für weitere Gespräche, sie dürften aber nicht in eine Endlosschleife gehen, so der designierte Kanzlerkandidat bei der Bundestagung der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft. Laut Merz will die Union Lösungen, „dafür sind wir selbstverständlich jederzeit bereit, auch mit dieser Regierung zu sprechen“. Ein erstes gemeinsames Treffen zwischen der Bundesregierung, der Union als größte Oppositionskraft im Bundestag und den Bundesländern ist Mitte September gescheitert, nachdem die Unionsparteien die Runde ohne Einigung verlassen hatte. CDU/CSU verlangen eine generelle Zurückweisung von Migranten an den deutschen Grenzen. Allerdings räumte selbst CDU-Chef Friedrich Merz ein, das sei juristisch nicht einfach zu beantworten. Auch Verfassungsexperten sind sich uneins darüber, ob Asylbewerber an den deutschen Grenzen in das Land zurückgewiesen werden könnten, in dem sie zuerst EU-Gebiet betreten haben.
Klimaschutz im Saarland
Geplante Änderungen im saarländischen Klimaschutzgesetz haben im Landtag für heftige Debatten gesorgt. Vorgesehen ist, die Klimaschutzziele zu erhöhen. So soll das Einsparziel von Treibhausgasen bei 65 Prozent bis 2030 (im Vergleich zu 1990) liegen. Das im verabschiedeten Gesetz hatte 55 Prozent vorgesehen. Es hatte sich aber herausgestellt, dass die damalige Datenbasis unvollständig war. Nachdem die Mängel korrigiert wurden, soll nun das Gesetz aktualisiert werden. Für besonders heftigen Widerspruch seitens der CDU-Opposition sorgten die Pläne zur Verkehrswende. CDU-Fraktionsvize Roland Theis warf der Landesregierung vor, sie wolle den Menschen vorschreiben, wie sie zu leben hätten und ihnen die „Freiheit auf vier Rädern“ nehmen. Umweltministerin Petra Berg (SPD) konterte: Ziel sei, den öffentlichen Personennahverkehr so attraktiv zu machen, dass jeder überlegen könne, ob die Nutzung nicht günstiger, bequemer und klimaschonender sei als das Auto. Konkrete Maßnahmen, wie die Ziele des Gesetzes erreicht werden sollen, stehen in einem Klimaschutzkonzept. Dessen Entwurf steht derzeit zur öffentlichen Diskussion.
Frankreich
Polit-Veteran für Paris
Mit Michel Barnier soll ein Polit-Veteran die künftige französische Regierung bilden. Der 73-Jährige aus dem konservativen Lager der Partei Les Républicains war Chef-Unterhändler der Europäischen Union während des Austritts Großbritanniens aus der EU. Etwas mehr als die Hälfte aller Franzosen sind mit der Wahl zufrieden, meldete der Sender France24. Barniers erste Aufgabe wird die Ausarbeitung eines stabilen Haushaltes für 2025 im anstehenden Herbst sein. Er hatte bereits angekündigt, die Politik von Präsident Emmanuel Macron im Parlament umzusetzen. Dazu gehören Reformvorhaben und Migrationsgesetze. Das dürfte schwierig werden angesichts des Widerstandes der linken Parteien, die sich als Wahlgewinner sehen. Barnier soll unter anderem ein strikteres Immigrationsgesetz verabschieden. Zudem steht Frankreich unter Druck der EU-Kommission wegen seines defizitären Haushaltes. Das Land will daher unter anderem seine Entwicklungshilfe um 18 Prozent kürzen, so ein Vorschlag des derzeit noch geschäftsführenden Premiers Gabriel Attal.
Erweiterte Grenzkontrollen angelaufen
Wochenlang wurde im Bundestag um die Ausweitung der Grenzkontrollen zu den europäischen Nachbarn gestritten, seit Mitte September gilt diese nun. Wobei die Grenzkontrollen zu Polen, Tschechien, Österreich und der Schweiz bereits bestanden haben. Hinzugekommen sind Mitte September Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland und Baden-Württemberg. Eine erste Übersicht über den Erfolg oder Misserfolg dieser Grenzkontrollen will Bundesinnenministerin Nancy Faeser erst Ende Oktober vorlegen. Die Bundespolizei warnte erneut, dass die Verlängerung beziehungsweise Ausweitung der Grenzkontrollen sehr viele Kräfte bindet, diese würden bei hoheitlichen Aufgaben, wie den anlassbezogenen Kontrollen auf Bahnhöfen oder Autobahnen nun im Land fehlen. Die Grenzkontrollen auf der Straße sind stichprobenartig, punktuell, und temporär an verschiedene Stellen aus dem fließenden Verkehr heraus, so die Bundespolizei.
Wiegand will's wissen
Blickpunkt Europa
Die Bildung des EU-Kommissionskollegiums unter Ursula von der Leyen ist ein Trauerspiel. Ein Vierteljahr nach der Europawahl wissen 450 Millionen Bürger nicht genau, wer ihre Geschicke für fünf Jahre bestimmen wird. Ein gerütteltes Maß an Schuld trifft die Chefin. Von der Leyen hat sich unnötig unter Druck gesetzt, als sie von den Regierungschefs forderte, jeder zweite Vorschlag müsse weiblich sein. Die meisten benannten aber einen Mann. Weil der für sie die bestgeeignete Person war. Slowenien hatte zunächst einen hochqualifizierten Finanzexperten berufen. Nach Intervention Brüssels musste er zurückziehen. Als Neue kam eine Dame, die einst mit der jugoslawischen Geheimpolizei verwoben war. Die breite Kritik daran ist kein Wunder.
Das unwürdige Verfahren muss reformiert werden. Es kann nicht sein, dass krampfhaft jedes der 27 EU-Länder ein Ressort zugeschustert bekommt. Das größte Land im Staatenbund, Deutschland, kommt mit 16 Bundesressorts aus. Brüssels Beschäftigungssuche gebiert Themen wie „Werte und Transparenz“ oder „Förderung unserer europäischen Lebensweise“.
Die Crux liegt darin, dass die Kommission nicht wie in Nationalstaaten durch das Parlament ins Amt kommt. Die Prozedur ist ein Kuddelmuddel der Regierungen, der EU-Kommissionspräsidentin und– ja, am Ende und ganz verschämt– des Europäischen Parlaments. Ausgerechnet die einzige direkt vom Volk gewählte EU-Institution hat nur sehr begrenzte Mitsprache. Das könnte sich ändern, wenn wir die Vereinigten Staaten von Europa hätten. Aber wer traut sich, diese kühne Vision voranzutreiben? Nächste Woche mehr aus Europa.
Wolf Achim Wiegand ist freier Journalist mit EU-Spezialisierung.