Drei Fragen
„Pflegeberuf nicht weiter kaputtreden“
Man dürfe doch eines nicht vergessen: Von der Geburt bis zum Tod brauchen Menschen immer wieder Pflege, so die Schulleiterin der Gesundheitsakademie Gütersloh, Kerstin Reusch.
Frau Reusch, seit 35 Jahren in der Pflege, in ihrem Zeugnis steht noch Krankenschwester, jetzt Leiterin einer Schule für Pflegekräfte, wie schwer ist es, neue Kräfte zu gewinnen?
Ich bin tatsächlich laut Zeugnis noch ausgebildete Krankenschwester, heute heißt das Pflegefachkraft. Zu ihrer Frage: Größte Herausforderung für uns ist natürlich der demografische Wandel, viele ältere Kolleginnen und Kollegen werden in den kommenden zehn Jahren in Rente gehen und wir suchen Nachwuchs. Jetzt kommen die geburtenschwachen Jahrgänge, die Bewerber werden also nicht mehr. Und dann geht es in der Ausbildung darum, unseren Nachwuchs gut durch die betriebliche Ausbildung zu bringen. Pflege ist nicht ganz einfach, aber alle Einrichtungen die ich kenne, sind da mindestens so bemüht wie wir als Akademie. Aber neue Kräfte für die Pflege zu gewinnen ist nicht wirklich ganz einfach.
Liegt es daran, dass der Pflegeberuf ein negatives Image hat?
Das ist es, was nicht nur mich, sondern meine ganzen Kolleginnen und Kollegen am meisten ärgert. Wenn in den Medien über Pflege berichtet wird, ist das nicht etwa in dem Sinne, da wurde geholfen, da konnte Leben würdig verlängert werden. Sondern in einem Krankenhaus oder Pflegeheim ist jemand verdurstet, verhungert oder lebensgefährlich durchgelegen. Das sind die Schlagzeilen und damit dann neues Personal zu finden, wird für uns schwierig. Aber wir lassen uns den Pflegeberuf nicht kaputtreden.
Was ist denn für Sie, nach 35 Berufsjahren, heute noch das Schöne am Pflegeberuf?
Das ist für mich weiter eine Berufung. Sie arbeiten ganz dicht am Menschen, bauen dann auch eine Beziehung zu diesen Menschen auf. Man darf doch eines nicht vergessen: Von der Geburt bis zum Tod brauchen Menschen immer wieder Pflege. Wenn sie zur Welt kommen, brauchen sie Hilfe und Unterstützung und dann spätestens am Lebensabend oftmals ebenso. Und wir als Pflegekräfte dürfen diese ganzen Lebensabschnitte begleiten und das ist dann schon einer Erfüllung, wenn man das so hautnah mitbekommt und die Menschen in ihrer aktuellen Lebenssituation begleiten darf. Interview: Sven Bargel

Erneuter Vorschlag einer Pkw-Maut
Ist eine neue Pkw-Maut in Deutschland denkbar? Der Rat der Wirtschaftsweisen hatte in seinem Frühjahrsgutachten eine Maut vorgeschlagen, deren Einnahmen in den Ausbau der Infrastruktur in Deutschland fließen sollten, gestaffelt nach Gewicht des Fahrzeuges. Verkehrspolitiker im Bundestag, von den Regierungsparteien bis zur Opposition, haben sich allerdings eher zurückhaltend bis ablehnend geäußert. Die Belastung sei angesichts der ohnehin angespannten wirtschaftlichen Situation zu hoch. 2019 war die geplante Pkw-Maut in Deutschland – ein Prestigeprojekt von Ex-CSU-Verkehrsminister Andreas Scheuer – vom Europäischen Gerichtshof als rechtswidrig gestoppt worden. Dies kostete den Bund 243 Millionen Euro Schadenersatz.
Europarat für KI-Menschenrechts-Konvention
Der Europarat will mit einer Konvention die Menschenrechte vor Missbrauch durch Künstliche Intelligenz schützen. Er hofft auf eine weltweite Wirkung – doch es gibt auch Kritik. Die Europäische Union hatte sich bereits im Dezember auf ein Gesetz zur KI geeinigt, nun folgt der Europarat, zu dessen Mitgliedern alle 27 Länder der EU gehören, aber auch Länder wie Großbritannien oder die Türkei. Das Abkommen legt unter anderem Transparenz- und Überwachungsanforderungen fest, etwa wenn Inhalte von KI erstellt werden. Die Staaten müssen sicherstellen, dass KI-Systeme das Diskriminierungsverbot und das Recht auf Privatsphäre achten, hieß es. Außerdem müsse dafür gesorgt werden, dass KI-Systeme nicht dafür verwendet werden, demokratische Prozesse zu untergraben. Bei der Regulierung des Privatsektors können sich die Staaten allerdings aussuchen, ob sie statt der Konventionsvorschriften eigene Regeln verwenden. Das sei nötig wegen der unterschiedlichen Rechtssysteme. Kritiker bemängeln aber, dass damit Staaten und Unternehmen zu sehr freie Hand gelassen werde.
Bafög wird nicht weiter erhöht
Das Bafög wird immer wieder reformiert und angepasst. Die aktuelle Reform sieht zwar Hilfen für ärmere Studienanfänger vor, aber keine Erhöhung der Sätze. Das wird von der Opposition kritisiert. „Mieten, Essen, Sprit, Energie, alles wird teurer“, so etwa die stellvertretende Unionsfraktionsvorsitzende Nadine Schön (CDU). Nach der Reform erhalten Studienanfänger aus ärmeren Familien ab Herbst vom Staat 1.000 Euro Studienstarthilfe für einen Laptop, Lehrbücher oder zur Finanzierung des Umzugs zum Studienstandort. Das Bafög, das zuletzt im Wintersemester 2022/2023 um fast sechs Prozent erhöht wurde, steigt diesmal nicht. Eigenes Einkommen und das der Eltern sollen weniger stark angerechnet werden, um den Kreis der Bafög-Empfänger zu vergrößern.
Null Promille für Kiffer

Zukünftig soll für Cannabiskonsumenten im Straßenverkehr ein absolutes Alkoholverbot gelten. Das sieht ein Gesetzesentwurf der Bundesregierung vor, der noch im Juni verabschiedet werden soll. Dazu soll durch eine Änderung der Bußgeldkatalog-Verordnung bei einem ermittelten THC-Wert von über 3,5 ng/ml ein Bußgeld von 500 Euro verbunden mit einem einmonatigen Fahrverbot verhängt werden. Wenn ein Autofahrer zusätzlich noch ein alkoholisches Getränk zu sich genommen hat, soll sich das Bußgeld auf 1.000 Euro erhöhen, so der Gesetzentwurf. Der Führerschein soll dann für mindestens ein halbes Jahr entzogen werden. Die Unionsfraktion hat bereits Zustimmung signalisiert. Bislang gibt es in der Straßenverkehrsordnung noch keine Regelung, wie hoch der THC-Wert für einen Verkehrsteilnehmer sein darf. Eine Regelung war auch vor der Cannabis-Teilfreigabe nicht erforderlich.

Klimaschutz
Regierung muss mehr tun
Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) zwingt die Bundesregierung zu mehr Klimaschutz als bislang vorgesehen. Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg (OVG) hat in einem Urteil der DUH bestätigt: Die Klimaschutzprogramme der Bundesregierung reichen nicht aus, um die Klimaziele bis 2030 beziehungsweise 2045 einzuhalten. Damit hat sich die Umwelthilfe mit ihrer Klage für alle bemängelten Sektoren, also Energiewirtschaft, Industrie-, Gebäude-, Landwirtschaft als auch Verkehr, durchsetzen können. Die Bundesregierung ist nun verpflichtet, schnellstmöglich ausreichende Klimaschutzmaßnahmen vorzulegen. „Dieses Urteil ist eine verdiente Ohrfeige für die Pseudo-Klimaschutzpolitik der Bundesregierung. Ein einfacher Weg wäre es, zum Beispiel beim Verkehr, einfach ein Tempolimit einzuführen“, so der Geschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe, Jürgen Resch.
Unwetter in Großregion
Starkregen hat nicht nur im Saarland zu einem Notstand und extremen Situationen geführt. Betroffen waren auch Teile von Luxemburg und vor allem die französischen Nachbargemeinden. Im Département Moselle waren gut 1.000 Rettungskräfte im Einsatz, etwa 150 Menschen mussten in Notunterkünften schlafen, weil ihre Häuser überflutet waren. Straßen und Ortsdurchfahrten waren zeitweilig komplett gesperrt. Besonders betroffen waren Bouzonville, Sierck-les-Bains, Sarreguemines und Freyming-Merlebach. Auch für das Département Meurthe-et-Moselle wurde die höchste Warnstufe ausgerufen.
Luxemburg war weniger stark betroffen. Dort trat vor allem die Mosel durch den starken Zufluss der Saar über die Ufer. Die Pegel von Alzette, Sauer, Wiltz und Our waren ebenfalls stark gestiegen. In Luxenburg Stadt waren zeitweise etliche Straßen gesperrt.
Die Lage hat sich aber nach Auskunft der Behörden bis Montag normalisiert.
Der luxemburgische Innenminister Léon Gloden hatte den Nachbarn in Deutschland und Frankreich Unterstützung angeboten.
Victor’s Career Day
Blick hinter Hotel-Kulissen

7.600 Bademäntel, über 15.000 Bettbezüge, 83.000 Handtücher – soviel verbraucht das Victor’s Residenz Hotel Schloss Berg an Materialien im Jahr. Zahlen, die einen Eindruck davon vermitteln, wie die Arbeit hinter den Kulissen eines Hotels abläuft. Davon überzeugen konnten sich die Teilnehmer am Victor’s Career Day 2024, der sich an potenzielle Auszubildende, Studierende, aber auch Quer- und Wiedereinsteiger im Gastgewerbe richtete. Während einer Hausführung warfen die Gäste einen Blick in alle Arbeitsbereiche, mixten Cocktails, produzierten mit einem Patissier Pralinen, erfuhren mehr über Eventplanung und darüber, wie der perfekte Tisch aussehen soll. „Uns kommt es darauf an, direkte Gespräche mit den Menschen zu führen, um zu erfahren, was sie sich vorstellen“, sagt Hoteldirektor Andreas Apel. Der Career Day bietet einen unverbindlichen Rahmen für einen Einblick in die gehobene Hotellerie. Für Apel sind auch Quer- und Wiedereinsteiger, etwa nach einem erfüllten Kinderwunsch, interessant. „Wir finden für jeden, der gut mit Menschen umgehen kann, eine passende Aufgabe in unserem Haus. Umgekehrt finden wir auch für alle Lebensumstände unserer Angestellten die passende Tätigkeit.“ Der Career Day soll auch im kommenden Jahr fortgesetzt werden.
Kommunale Einnahmen
Die Wirtschaftsweisen haben in ihrem Frühjahrsgutachten für die Gemeinden Steuereinnahmen in Höhe von 145,8 Milliarden Euro vorhergesagt, weniger als angenommen. Betrachtet man die Entwicklung von diesem Jahr bis 2026, fällt das Ergebnis um 4,1 Milliarden Euro schlechter aus als noch bei der Herbstschätzung angenommen, was unter anderem auf erwartbare Mindereinnahmen durch das Wachstumschancengesetz sowie die bescheidene konjunkturelle Entwicklung zurückzuführen ist, so das Gutachten. Dies bestätige „die zunehmend kritische öffentliche Finanzlage der Verwaltungen. Betroffen ist vor allem die kommunale Ebene, die kaum Einfluss auf die Ausgabenentwicklung hat und besonders unter der stagnierenden Einnahmeentwicklung leidet“, heißt es im Gutachten.

Verteidigung
Auf verlorenem Posten
Bislang konnte sich Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) immer auf seinen Kanzler verlassen. Olaf Scholz stand immer hinter ihm, seit er ihn vor zwei Jahren ins Amt berufen hat. Doch nun scheint es einen echten Disput zwischen dem Kanzler und seinem Verteidigungsminister zu geben.
Der Kanzler gab in der Diskussion um Anmeldungen zum Bundeshaushalt 2025 Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) Rückendeckung. Der hatte allen Ministerkollegen klare Sparvorgaben gemacht. Unter anderem Verteidigungsminister Pistorius hatte aber deutlich mehr für seinen Haushalt gefordert, und zwar ziemlich genau 6,5 Milliarden Euro für die bekannten Herausforderungen bei der Bundeswehr. Der Kanzler hatte betont, Lindners Vorgaben seien mit ihm abgesprochen, also von allen auch einzuhalten. Das wiederum sehen einige als Kampfansage. Im Hintergrund soll es angeblich parteiinterne Gespräche geben, ob womöglich Pistorius die SPD als Spitzenkandidat in den Bundestagswahlkampf nächstes Jahr führen sollte.
Wiegands Wahl Watch
Auf dem Weg zur EU-Wahl
Noch zwei Wochen. Dann geht die zweitgrößte demokratische Wahl der Welt für ein Gebiet von 450 Millionen Menschen über die Bühne. Nur Indien mit über einer Milliarde betroffener Menschen macht eine gewaltigere organisatorische Kraftanstrengung. Auf dem Subkontinent dauert die Abstimmung wegen der schieren Größe monatelang – sie läuft schon seit April. In den 27 EU-Mitgliedsstaaten wählen wir vom 6. bis 9. Juni, was mit nationalen Gewohnheiten zu tun hat.
Indien als bevölkerungsreichster Staat der Erde vergibt für das nationale Parlament in Neu-Delhi genau 543 Sitze. Unsere Wahl dreht sich um 720 Mandate im Europäischen Parlament. Ich finde, die europäische Politik sollte darüber nachdenken, ob wir nicht mit weniger Mandaten auskommen könnten.
Ein Teil der langwierigen europäischen Entscheidungswege liegt in unserem Bemühen, auch noch die letzte Minorität zu bedenken. Das EU-Parlament hatte bei dieser Wahl keine Kraft, eine Sperrklausel einzuführen. Und so kommt es, dass auch Mikroparteien die Chance auf einen Sitz haben – 35 Parteien stehen dieses Mal auf deutschen Stimmzetteln. Etliche dürften einen oder zwei Sitze in der einzigen direkt gewählten EU-Institution ergattern. Ist das wirklich zielführend?
Sind denn Ein-Themen-Parteien, die sich nur auf Klimawandel, Tierschutz oder Weltverbesserung – oder gar auf Satire – fokussieren, wirklich eine Bereicherung für Politik in einer hochkomplexen Welt? Die Zeiten sind herausfordernd. Sandkastenspiele können wir uns nicht leisten.
„Jetzt realisieren wir, dass wir in einer Vorkriegszeit leben“, sagt der angesehene bulgarische Politologe Ivan Krastev. Die Idee eines anhaltenden Friedens in Europa sei geplatzt. Bei der EU-Wahl komme es darauf an, wohin Europa sich bewege. Entscheidend sei, ob die Wähler der Politik die nötige Tatkraft zutrauen: „Wir halten viele Dinge für unmöglich, nur weil wir zu faul sind, sie zu tun.“
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat sich im Europawahlkampf als einziger Staatsmann mit kreativen Vorschlägen hervorgetan. Seine in EU-Hauptstädten verhalten aufgenommene Devise ist: Europa müsse zur Weltmacht werden. Inklusive eigener Atomwaffen. Nur so könne die EU im Wettbewerb zwischen den USA, Russland und China vermeiden, ins Hintertreffen zu geraten. Europa benötige „ein neues Geschäftsmodell“.
Man mag Macrons Entwürfe für gut oder falsch halten. Bedauerlich ist, dass solch grundsätzliche Überlegungen im Europawahlkampf kaum vorkommen. Zu sehr sind die Parteien im nationalen Kleinklein verfangen. Die tschechische Partei ANO hat ihre EU-Kampagne unter das Motto gestellt: „Tschechien, alles für dich“. Wieso nicht „Europa, alles für dich“? Warum baumeln Wahlplakate am Laternenmast, auf denen die deutsche Altersrente thematisiert wird? Ja, wichtig, aber kein EU-Thema.
Die Europawahl ist einzigartig. Nirgendwo sonst auf der Welt wird eine Parlamentswahl über Ländergrenzen hinweg organisiert. Es ist der „Versuch, Demokratie jenseits des Nationalstaates auszuüben“, sagt Alisa Rieth von der Bundeskanzler-Helmut-Schmidt-Stiftung. Schauen wir genau hin, was die Kandidaten uns auftischen.
Nächste Woche mehr.
Wolf Achim Wiegand ist freier Journalist mit EU-Spezialisierung.