Drei Fragen
„Sie sehen, was sie geschafft haben“
Politikerinnen und Politiker der Ampelregierung kommen mittlerweile zu uns und wollen wissen, wie sie uns bei der Nachwuchsgewinnung unterstützen können, gibt sich der Präsident des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks (ZDH), Jörg Dittrich, optimistisch.
Herr Dittrich, Sie sind Dachdeckermeister aus Dresden. Waren Sie auf der Suche nach Nachwuchs für Ihren Betrieb erfolgreich?
Bislang haben wir in unserem Betrieb alle Ausbildungsstellen besetzen können, aber Nachwuchs zu finden wird immer schwieriger. Also man muss da als Handwerksmeister schon ganz schön strampeln, um junge Menschen, die aus der Schule kommen, zu begeistern. Handwerk hat sich verändert, ist komplexer geworden. Nehmen sie beispielsweise die Hörakustiker. Dank des technischen Fortschritts, ist das heute ein hoch anspruchsvoller Job, in dem auf verschiedenen Ebenen gearbeitet wird. Da ist die Mechanik, da ist die Umsetzung, das ist Computertechnik und alle Hörgeräte werden heute individuell beim Kunden angepasst. Also fast schon ein Studium für sich.
Fühlen Sie sich denn von der Politik beim Ringen um Nachwuchs für das Handwerk gut verstanden?
Da hat sich in den letzten zwei Jahren einiges getan. Politikerinnen und Politiker der Ampelregierung kommen mittlerweile zu uns und fragen, was sie tun, wie sie uns unterstützen können. Zugegeben, ich bin mir ab und zu nicht ganz sicher, welche Rückschlüsse dann aus unseren Antworten gezogen werden. Aber allen Beteiligten, auch auf der politischen Ebene ist klar, dass das Handwerk eine tragende Säule der Wirtschaft ist.
Was ist denn das Schöne am Handwerk, warum sollen sich junge Menschen für eine Ausbildung im Betrieb entscheiden?
Handwerk ist Dienstleistung, also Dienst am Menschen. Das schönste für meine Kollegen und mich als Dachdeckermeister ist immer, wenn das Dach wieder dicht ist und die Bewohner aufatmen. Dass will ich hier nicht übertreiben, aber es sind dann schon sehr glückliche Menschen. Doch das gilt auch für Heizung-Sanitär, den schon genannten Hörakustiker, aber auch den Bäcker oder den Automechaniker. Sie haben mit Menschen zu tun, denen sie helfen konnten und die Dankbarkeit unserer Kunden ist dann immer groß. Und sie sehen am Abend, was sie heute wieder geschafft haben, das ist übrigens ein Argument, dass ich vor allem von Studienabbrechern höre, die lieber in die Handwerksausbildung gegangen sind. Interview: Sven Bargel
Mehr Mitglieder bei der Feuerwehr-Jugend
Im letzten Jahr waren bundesweit 356.896 Jungen und Mädchen in den Jugendfeuerwehren aktiv, ein Plus von 7,4 Prozent gegenüber 2022, fast 81.000 davon sind Mädchen. Die Feuerwehr wird damit auch für junge Frauen offenbar immer attraktiver. „Ehrenamtliches Engagement gewinnt in den Feuerwehren wie auch in anderen Hilfsorganisationen ständig an Bedeutung,“ so der stellvertretende Bundesjugendleiter Moritz Salomon. „Umso größer ist unser Dank an die unzähligen Jugendwartinnen und -warte, Betreuerinnen und Betreuer, die die Jugend- und besonders die Nachwuchsarbeit in den Feuerwehren im Ehrenamt sicherstellen“, so Salomon. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hatte erst im Mai beim Tag des Ehrentags zu mehr Engagement beim Freiwilligendienst aufgerufen. Bei den Jugendfeuerwehren scheint dieser Ruf angekommen zu sein.
Hohe Wahlbeteiligung erwartet
Am Sonntag, 9. Juni, ist nicht nur Europawahl. In neun Bundesländern finden auch Kommunalwahlen statt. Das Bundeswahlamt rechnet damit, dass die Wahlbeteiligung zur Europawahl erheblich höher liegen wird als vor fünf Jahren. 2019 lag die Wahlbeteiligung bei knapp 51 Prozent, den niedrigsten Wert bei einer Europawahl gab es 2014 mit 42,6 Prozent. Doch die Zusammenlegung von Europa- und Kommunalwahl könnte die Wahlbeteiligung wieder nach oben treiben, so das Bundeswahlamt. „Allerdings würde diese Zusammenlegung der Wahlen inhaltlich von den Themen, die Europa betreffen, ablenken“, so der Chef des Umfrageinstituts Forsa, Manfred Güllner. Kommunale Themen würden schon allein bei der Plakatierung im Vordergrund stehen. Trotzdem ergibt eine interne Umfrage des Bundeswahlamtes in den Ländern im Vorfeld des Wahlsonntags, eine erstaunlich hohe Nachfrage bei den Briefwahlunterlagen.
Bundespräsident warnt vor Verrohung
Nach dem auf einem zentralen Marktplatz von Mannheim ein 29-jähriger Polizist von einem Angreifer mit einem Messer am Hals durch mehrere Stiche tödlich verletzt wurde, warnt der Bundespräsident vor einer weiteren Verrohung der Gesellschaft. „Ich bin tief erschüttert über den Tod des Polizisten, der in Mannheim mutig eingriff, um Menschenleben zu schützen. Die Verrohung der politischen Auseinandersetzung und der wachsenden Gewaltbereitschaft in unserem Land, darf so nicht weitergehen. Gewalt gefährdet, was unsere Demokratie stark gemacht hat“, so Steinmeier. Auch die Vertreter der beiden deutschen Polizeigewerkschaften zeigten sich tief betroffen vom Tod ihres Kollegen in Mannheim. Die Tat hätte gezeigt, welchen Gefahren Polizistinnen und Polizisten in ihren täglichen Einsätzen jeden Tag ausgesetzt sind, so übereinstimmend die Gewerkschaft der Polizei (GDP) und die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPloG).
Cyber-Attacke gegen CDU
Die Bundeszentrale der CDU in Berlin ist Opfer einer Cyber-Attacke geworden. Laut Angaben der Partei wurden Rechner am Berliner Lützowplatz gehackt. Man nehme den Vorfall sehr ernst, so ein Sprecher der CDU. Das Innenministerium bestätigte einen schwerwiegenden Cyber-Angriff auf das Netzwerk der Partei. Zum Ausmaß des Schadens oder zum Angreifer könne wegen der laufenden Ermittlungen nichts gesagt werden. „Die Art des Vorgehens deutet aber auf einen sehr professionellen Akteur hin“, so ein Sprecher des Bundesinnenministeriums. Vor einem Jahr wurden bereits Rechner der SPD-Parteizentrale gehackt. Dahinter steckte nach Angaben des Bundesinnenministeriums eine Hackergruppe, die dem russischen Militärgeheimdienst GRU nahesteht. Neben der SPD kompromittierte die Gruppe damals auch Rechner deutscher Rüstungsunternehmen, Stiftungen und IT-Unternehmen.
Hochwasser
Fonds für Flutopfer
Im Bundesinnenministerium wird über einen Fonds des Bundes für Hochwasseropfer nachgedacht. Eine entsprechende Gesetzesinitiative wird derzeit im Bundesinnenministerium geprüft. In Baden-Württemberg und Bayern hat am ersten Juni-Wochenende Dauerregen zu einer Jahrhundertflut geführt. Es war in diesem Jahr bereits die dritte Hochwasserkatastrophe in Deutschland. Zum Jahreswechsel standen weite Teile von Niedersachen und Sachsen-Anhalt unter Wasser, im Mai traf es das Saarland und Teile von Rheinland-Pfalz. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) dankte und lobte die Einsatzkräfte in dem jüngsten Überschwemmungsgebiet, aber auch die politisch Verantwortlichen. „Der Sachschaden ist auch hier gigantisch, aber die Alarmkette hat im Vorfeld funktioniert, damit konnten viele Menschenleben gerettet werden“, so Faeser. Mindestens drei Menschen sind allerdings ums Leben gekommen. Faeser sprach den Hinterbliebenen ihr tiefes Mitgefühl aus.
Erfindermesse zum Dritten
Für Tüftler, Erfinder und Bastler findet nun schon zum dritten Mal die „Make-it“-Saarland statt. Diesmal soll die Messe laut Anna Lawera vom ausrichtenden East Side Fab noch größer werden, weshalb sie ins Saarbrücker E-Werk umzieht. Dort treffen sich am 15. und 16. Juni all jene Kreativen ab dem Grundschulalter, um Innovation und Technik zu erleben. Der Eintritt ist frei. Unterstützt von der RAG-Stiftung als Hauptförderer und dem saarländischen Ministerium für Wirtschaft geht es zwei Tage lang um Zukunftstechnologien, Naturwissenschaft und Technik. 35 Aussteller zeigen Exponate rund um 3D-Druck, Robotik, Kunstinstallationen oder virtuelle Realitäten. Daneben befassen sich Workshops mit aktuellen Themen wie Nachhaltigkeit, digitale Innovation und kreativen Technologien. „Teilnehmer haben die Möglichkeit, ihr eigenes handwerkliches Geschick zu verbessern, neue Fähigkeiten zu erlernen und sich mit Gleichgesinnten auszutauschen“, so das East Side Fab.
Mehr unter make-it.saarland
Rekordzahl an Balkonkraftwerken
Die Deutschen haben Gefallen an der Installation von Balkonkraftwerken gefunden. Die Zahl der beim Marktstammdatenregister registrierten Steckersolaranlagen am Netz hat kürzlich die Marke von einer halben Million übersprungen, wie aus Daten der Bundesnetzagentur hervorgeht. Das ist mehr als eine Verdoppelung seit Mitte 2023. Alleine im laufenden Quartal sind nach etwas mehr als zwei Monaten bereits mehr als 94.000 Mini-Solaranlagen in Betrieb gegangen. Die tatsächliche Zahl der Balkonkraftwerke dürfte allerdings höher sein. Denn Betreiber haben nach Inbetriebnahme einen Monat Zeit für die Anmeldung. Außerdem wird ein Teil der Geräte – trotz Pflicht – schlicht nicht angemeldet. Die kleinen und vergleichsweise billigen Balkonkraftwerke haben seit 2022 – auch wegen der stark gestiegenen Strompreise – an Popularität gewonnen und decken in der Regel den Grundbedarf eines Haushaltes.
Vorbild Frankreich
Mit den Flutkatastrophen, zunächst an Pfingsten im Saarland, dann in Süddeutschland, wird die Forderung nach einem Elementarschaden-Versicherungsschutz immer lauter. Angesichts der Schäden duch das Pfingsthochwasser hatte Saar-Ministerpräsidentin Anke Rehlinger (SPD) an Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) dringend appelliert, endlich einen Vorschlag dazu auf den Tisch zu legen. Sie bekräftigte damit eine Forderung der Länder-Regierungschefs nach einer bundesweiten Pflichtversicherung. Das Thema soll auch im Juni beim Treffen der Ministerpräsidenten mit dem Bundeskanzler auf die Tagesordnung. Schon im März, also noch vor den neuen massiven Überschwemmungen, hatten die Länderchefs eine bundesweite Versicherungspflicht gefordert. Derzeit können Anrainer Versicherungen schlicht wegen der hohen Prämien nicht bezahlen, oder Versicherungen lehnen für bestimmte Gebiete wegen des hohen Risikos eine Versicherung ab. Vorbild könnte jetzt Frankreich sein. Dort sind Versicherungen gegen Naturkatastrophen an die Hausratsversicherung gekoppelt, kosten im Durchschnitt nur rund 26 Euro mehr. Es gibt zwar keine Pflicht, aber durch das System wird eine Abdeckung von 98 Prozent erreicht, auch weil Versicherungen niemanden ablehnen dürfen.
Reiseanbieter insolvent
Europas drittgrößter Reiseanbieter FTI hat Insolvenz angemeldet - ein Schock für viele Urlauber. Das Unternehmen arbeitet nach eigenen Angaben daran, dass bereits angetretene Urlaube aber ohne Probleme beendet werden können. Wo dies nicht möglich sei, werde eine Rückreise zum ursprünglichen Abflugort organisiert. Dabei soll der staatliche Deutsche Reisesicherungsfonds (DRSF) helfen, der sich bei der Pleite eines Reiseanbieters um den Rücktransport gestrandeter Urlauber sowie deren Unterbringung bis zum Rücktransport kümmert. Betroffen seien etwa 65.000 Urlauber. Der Konzern war bereits in der Pandemie in Schwierigkeiten geraten und musste mit Staatsgeldern gestützt werden.
Strengere Regeln für Temu
Die chinesische Shopping-Plattform Temu meldete erstmals 75 Millionen User in der Europäischen Union. Damit überschritt sie eine Schwelle, nach der sie nun strengere Regeln befolgen muss. Das meldet aktuell die EU-Kommission. Die Pflichten, die nun folgen, beinhalten strengere Überwachung illegaler, technisch nicht einwandfreier oder gefälschter Produkte, stärkere Schutzmaßnahmen für die Sicherheit und Gesundheit der Kunden und regelmäßige unabhängige Risikobewertungen. Temu war immer wieder in die Kritik geraten, weil die häufig extrem billigen Produkte aus China defekt waren, ein Sicherheitsrisiko darstellten oder Lieferungen nicht ankamen.
Neonazi darf wieder einreisen
Der österreichische Neonazi Martin Sellner darf wieder nach Deutschland einreisen. Das Verwaltungsgericht Potsdam hat einem Eilantrag des früheren Kopfes der rechtsextremen Identitären Bewegung Österreich gegen ein bundesweites Einreiseverbot stattgegeben. Als Grund nannte ein Sprecher des Gerichts, dass der von Sellner erhobene Widerspruch voraussichtlich Erfolg haben werde: „Eine schwere Gefährdung der öffentlichen Ordnung beziehungsweise Sicherheit sei von der Stadt Potsdam nicht hinreichend belegt worden.“
Wiegands Wahl Watch
Auf dem Weg zur EU-Wahl
An diesem Wochenende ist es so weit. Sonntagabend 18 Uhr werden rund 350 Millionen Bürgerinnen und Bürger in den 27 EU-Mitgliedsländern die Qual der Wahl gehabt haben. In allgemeiner, unmittelbarer, freier und geheimer Wahl wird entschieden sein, welche Zusammensetzung das zehnte Europaparlament haben wird. In Deutschland zählen erstmals auch die Stimmen junger Menschen ab 16 Jahren.
Es ist großartig: Wir in Europa haben die einzige direkt gewählte Mehr-Länder-Volksvertretung der Welt. Diese Tatsachenfeststellung ist historisch gesehen spektakulär. Denn das hat es noch nie gegeben, dass Länder unterschiedlicher Sprachen, Kulturen und politischer Systeme gemeinsam festlegen, wer ihre Interessen vertritt. Aus dem jahrhundertelang zerstrittenen Kriegskontinent Europa ist eine Region der gegenseitigen Achtung geworden.
Die Wahl 2024 findet allerdings vor dem Hintergrund enormer Herausforderungen statt. Im Osten der Friedenszone Europäische Union versucht ein unverantwortliches Regime, ein freiheitsliebendes Volk daran zu hindern, den eigenen Weg zu gehen. Der seit bald zweieinhalb Jahren andauernde illegale Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine hat die lange für unumstößlich gehaltene europäische Balance ausgehebelt.
„Leute, wollt ihr euch wirklich auf den Schoß von Putin setzen – links sitzt Sahra Wagenknecht und rechts sitzt Gerhard Schröder?“, fragte der ehemalige Industrieboss und AfD-Abtrünnige Hans Olaf Henkel kürzlich in einer Talk Show. Damit wollte er diejenigen ansprechen, die den Schuss immer noch nicht gehört haben. Es geht bei dieser Wahl auch um das Überleben unserer europäischen Ordnung, die uns seit 1945 vor ausufernden bewaffneten Konflikten geschützt hat.
Werden wir weiterhin auf einer „Insel der Glückseligkeit“ leben können? Der Ausdruck ist zutreffend, wenn man die politische Weltwetterlage anschaut. Die Antwort hängt mit von Ihrer und meiner Stimme ab. Bei der Frage, wo das Kreuz hinsoll, gilt es zu schauen, welche Kandidaten ausgefeilte Konzepte für die Zukunftsgestaltung anbieten und welche nur hohle Sprüche absondern. Die Welt ist zu kompliziert geworden, als dass wir sie Abenteurern und Dilettanten überlassen dürften.
Ja, Europa ist nicht perfekt. Das komplizierte Räderwerk knirscht und muss geölt oder umgebaut werden. Aber wir haben einen Werkzeugkoffer mit passenden Instrumenten. Es sind die EU-Verträge. Wenn die politischen Akteure daraus die richtigen Geräte herausholen, sind Reformen zur Verbesserung Europas möglich. Die anzustoßen und umzusetzen ist eine Hauptaufgabe für das nächste EU-Parlament.
Ein Journalistenkollege schrieb neulich bei der Betrachtung Europas: „Ich klinge nicht nur ratlos. Ich bin es.“ Aber nein, lieber Kollege, nicht doch! Europa hat bislang immer bewiesen, dass es auch auf holprigen Strecken fahren kann – nicht immer schnell, aber es geht dann doch voran. Schauen wir also trotz aller Herausforderungen in und um Europa herum zuversichtlich nach Brüssel, Straßburg oder Luxemburg.
Ich jedenfalls bin optimistisch: Wir haben eine Volksabstimmung in völlig unterschiedlichen Ländern auf die Kette gekriegt. Die Wahl wird zeigen, dass wir resistent gegen Rattenfänger sind. Die Mehrheit Europas von Stockholm bis Sizilien und von Portugal bis Polen möchte Freiheit, Demokratie und Rechtsstaat. Bleiben wir dabei!
Danke für Ihr Interesse an meiner hiermit beendeten Kolumne.
Wolf Achim Wiegand ist freier Journalist mit EU-Spezialisierung.