Der Iran könnte jetzt erst recht sein Heil in der nuklearen Option suchen
US-Präsident Donald Trump machte das, was er am liebsten tut: Er sang eine Siegeshymne auf sich selbst. Amerika sei im Iran ein „spektakulärer militärischer Erfolg“ gelungen, verkündete er in der Nacht zum vergangenen Sonntag. Seine Luftwaffe habe mit 125 Kampfjets und 14 bunkerbrechenden Bomben die iranischen Nuklearanlagen in Fordo, Natans und Isfahan „vollständig zerstört“. Die Gefahr, dass das Mullah-Regime eine Atombombe bauen könne, sei damit vom Tisch.
Die harsche Antwort aus dem Iran ließ nicht lange auf sich warten. Teheran werde „mit allen notwendigen Mitteln“ auf die amerikanischen Angriffe reagieren, drohte der iranische Außenminister Abbas Araghtschi. Die USA hätten „eine sehr dicke rote Linie“ überschritten und die Diplomatie „in die Luft gesprengt“. Damit war der Ton gesetzt, dass das Mullah-Regime Vergeltung üben würde.
Am Montagabend hielt die Welt den Atem an, als der Iran mehrere Kurz- und Mittelstreckenraketen auf die US-Luftwaffenbasis Al Udeid in Katar abfeuerte. Ein hochriskanter Moment, denn die Vereinigten Staaten haben insgesamt rund 40.000 Soldaten im Nahen Osten stationiert – alle in Reichweite iranischer Geschosse. Hätte es Todesopfer gegeben, wäre mit einem massiven Gegenangriff Amerikas zu rechnen gewesen. Doch Teheran hatte Katar und offenbar auch die USA vorgewarnt. Sämtliche Raketen wurden abgefangen, es kam zu keinen nennenswerten Schäden. Der iranischen Führung ging es um eine kalibrierte, symbolische Attacke, um nach den schweren Luftschlägen der Amerikaner und der Israelis das Gesicht zu wahren. Ein Zeichen, dass dem Mullah-Regime derzeit eher an Deeskalation gelegen ist, als Öl ins Feuer zu gießen.
In der Nacht zum Dienstag kam dann die überraschende Wende. Trump verkündete eine Waffenruhe zwischen dem Iran und Israel. „Bitte verstoßt nicht dagegen“, appellierte er auf seiner Plattform Truth Social. Ob die Feuerpause hält, ist ungewiss. Sie liegt aber durchaus im Interesse beider Seiten. Das geschwächte Mullah-Regime will sich so vor einem Putsch von innen oder einem Volksaufstand schützen. Israel hat seine wichtigsten Kriegsziele – nachhaltige Beschädigung des iranischen Nuklearprogramms und Zerstörung großer Teile des iranischen Raketenarsenals – erreicht.
Es ist ein kleiner Hoffnungsschimmer für neue Verhandlungen, mehr nicht. Dennoch verfügt das Mullah-Regime nach wie vor über Instrumente der Vergeltung, sollte es sein Überleben als gefährdet ansehen. Dabei hat es auch Ziele in arabischen Ländern im Visier. Im September 2019 kam es zu Drohnen-Attacken auf zwei saudi-arabische Ölanlagen, die die mit dem Iran verbündete schiitische Huthi-Miliz im Jemen für sich reklamierte. Ein Angriff des Irans auf Ölanlagen im Nahen Osten hätte gravierende Auswirkungen auf die Weltwirtschaft: Die Ölpreise würden in die Höhe schießen, das globale Wachstum würde noch mehr gebremst.
Die Schließung der Straße von Hormus hätte die gleichen schädlichen Konsequenzen. Durch die Meerenge zwischen dem Iran und dem Oman fließt ein Fünftel des weltweiten Ölbedarfs, rund 20 Millionen Barrel am Tag. Ein Drittel des Flüssiggases LNG wird ebenfalls durch die Schiffspassage transportiert. Die deutsche Wirtschaft, die einen großen Teil ihres Öl- und Gasbedarfs aus der Region bezieht, wäre bei einer Blockade der Straße von Hormus stark betroffen.
Trotz der verkündeten Waffenruhe hängt das atomare Damoklesschwert unverändert über der Region. Westliche Fachleute befürchten, dass das Mullah-Regime im Zeichen existenzieller Bedrohung sein Heil im beschleunigten Bau einer Nuklearwaffe sucht. Ziel ist es demnach, einen Unantastbarkeits-Status wie die Atommacht Nordkorea zu erlangen. Experten vermuten, dass der Iran längst einen Teil seines spaltbaren Materials an Orte außerhalb der bekannten Nuklearanlagen transportiert hat – vielleicht sogar auf nordkoreanisches Territorium. Nach Ansicht des früheren CIA-Analysten Kenneth Pollack steht das Urteil über die Wirksamkeit von Trumps Militäraktion noch aus: „Ob sie erfolgreich war, werden wir erst wissen, wenn wir die nächsten drei bis fünf Jahre überstehen, ohne dass das iranische Regime Atomwaffen bekommt.“ Mit dem Angriff habe Trump der Führung in Teheran „schlagende Argumente“ gegeben, nach Kernwaffen zu streben.