Peking kontert Trumps globalen Zollhammer aus
Es waren zwei Welten, die fast zeitgleich stattfanden. Im Rosengarten des Weißen Hauses zelebrierte US-Präsident Trump den großen globalen Zollhammer – und verströmte dabei einen Triumphalismus, als ob er gerade das Feuer erfunden hätte.
In der Großen Halle des Volkes in Peking empfing Chinas Staatschef Xi Jinping fast 40 Konzernlenker, darunter den Chef des amerikanischen Pharmariesen Pfizer sowie die Vorsitzenden von Mercedes Benz und Toyota. Xi sang die Hymne des weltweiten Freihandels: „Wir müssen gemeinsam das multilaterale Handelssystem aufrechterhalten und die Stabilität der globalen Industriekette bewahren.“ Schließlich gebe es manche in der Welt, die „Unternehmen zu Entscheidungen zwingen“ würden, die „gegen wirtschaftliche Grundsätze verstoßen“. Den Namen Trump erwähnte er nicht. Doch jeder wusste, wer gemeint war.
Man soll sich von Xis Puderzucker-Rhetorik nicht täuschen lassen. Die chinesische Führung subventioniert staatliche Firmen mit gigantischen Milliardenbeträgen, was diesen beträchtliche Wettbewerbsvorteile verschafft. Zudem schützt sie den heimischen Markt: Ausländische Betriebe in der Volksrepublik müssen immer noch mit einer Vielzahl von bürokratischen Auflagen kämpfen.
Aber auch Zölle sind in Xis Instrumentenkasten. Kurz nach Trumps Verhängung von Importzöllen über 34 Prozent antwortete der Chinese mit Gegenzöllen in gleicher Höhe. Es war keine Hauruck-Aktion, sondern sorgfältig kalkuliert. „China hat in den vergangenen acht Jahren getan, was die Europäer nicht geschafft haben: Es hat sich intensiv auf den ersten Tag einer zweiten Amtszeit Trumps vorbereitet“, sagt Janka Oertel, die das Asien-Programm der Denkfabrik European Council on Foreign Relations leitet.
Was den Vereinigten Staaten besonders wehtun dürfte: Die Volksrepublik erließ Exportrestriktionen für sieben Seltene Erden. Diese Metalle sind kostbare Rohstoffe für zivile und militärische Hightech-Produkte. Vor allem die Beschränkungen bei Dysprosium könnten die USA hart treffen. Dieses chemische Element steckt in Dauermagneten, die hohen Temperaturen standhalten müssen. Solche Hochleistungsmagneten werden zum Beispiel in Elektroautos und Windkraftanlagen eingesetzt, aber auch in Kampfflugzeugen oder Drohnen.
China kann sich die ausgetüftelte Vergeltungstaktik leisten: Das Land dominiert die Förderung Seltener Erden mit rund zwei Dritteln der globalen Produktion. Bei der Aufbereitung und Weiterverarbeitung dieser Rohstoffe beträgt der Weltmarktanteil sogar mehr als 90 Prozent.
Doch Xi kontert Trumps Zollkeule nicht nur aus. Im Gegensatz zur Allein-gegen-alle-Politik des Amerikaners sucht der Chinese nach Bündnispartnern. Kürzlich hielten die Regierungen der Volksrepublik, Japans und Südkoreas ihren ersten Wirtschaftsdialog seit fünf Jahren ab, um den regionalen Handel zu stärken. Japan und Südkorea sind eigentlich Verbündete der USA, die Chinas wirtschaftliche, militärische und politische Ambitionen mit Misstrauen betrachten.
„Es ist eine Paradoxie der Trumpschen Zollpolitik, dass sie Länder wie Korea, Taiwan oder Japan, aber auch die Staaten der Europäischen Union in die Arme Chinas treibt“, betont Gabriel Felbermayr, Direktor des Österreichischen Instituts für Wirtschaftsforschung in Wien.
Im Zuge von Trumps großer Zoll-Strafaktion, unter der auch die Europäer leiden, denkt die EU die wirtschaftlichen Beziehungen zur Volksrepublik neu. Brüssel spricht jetzt nicht mehr vom „De-risking“, dem Abbau des China-Risikos. Das neue Zauberwort lautet „Re-balancing“, das Wiederherstellen des Gleichgewichts. Die Regierungen in Brüssel und Peking wollen sich noch im Sommer zu einem gemeinsamen Gipfel treffen. Auch das 2020 ausgehandelte Investitionsabkommen könnte wieder auf die Tagesordnung kommen. Der Vertrag liegt auf Eis, nachdem sich beide Seiten im Streit um Handelshürden und Menschenrechte gegenseitig mit Sanktionen belegt hatten.
Die neuen Charmeoffensiven Pekings passen in das große Bild der chinesischen Außenwirtschaftspolitik. Um sich beim Export weniger von Amerika abhängig zu machen, hat die Volkrepublik längst die Schalter umgelegt. So wurden neue Märkte in Südostasien, Lateinamerika und Afrika erschlossen. Der Zollhammer aus Washington beschleunigt diese Entwicklung. China sagt: Danke, Donald.