Der Westen braucht eine Bambus-Politik aus Härte und Biegsamkeit
China ist unaufhaltsam auf dem Weg zur Supermacht. In wenigen Jahren dürfte das Land die USA überholen und zur größten Volkswirtschaft der Welt aufsteigen. Bereits heute gibt Peking mehr als 200 Milliarden Dollar pro Jahr für Verteidigung aus. Das liegt zwar immer noch deutlich hinter dem Vergleichswert Amerikas mit 800 Milliarden Dollar. Doch der Eindruck der Überlegenheit der Vereinigten Staaten täuscht: Viele chinesische Unternehmen produzieren Güter, die sowohl zivil aus auch militärisch genutzt werden können. Sie tauchen in der Militär-Statistik nicht auf.
Präsident Xi Jinping hat bei dem am Montag zu Ende gegangenen Nationalen Volkskongress seine ambitionierten Aufrüstungsziele unmissverständlich formuliert. Er kündigte an, seine Volksbefreiungsarmee zu „einer großen Mauer aus Stahl“ aufzubauen, um Chinas nationale Sicherheit zu gewährleisten.
Xis Botschaft ist klar: Früher konnten ausländische Mächte das Reich der Mitte kolonialisieren und in die Knie zwingen, weil es militärisch und technologisch unterlegen war. Heute verortet Xi die Gefahr vor allem in Washington, wo er eine „Kampagne der Unterdrückung“ wittert. Man müsse alles dafür tun, dass sich die Geschichte nie mehr wiederhole, warnte der Staats- und Parteichef.
Der Ton zwischen der Volksrepublik und den USA wird schärfer. Der neue chinesische Außenminister Qin Gang kritisierte die amerikanische Politik als „umfassende Einkesselung und Unterdrückung“, als „Nullsummenspiel auf Leben und Tod“. Dramatische Rhetorik.
Spätestens seit der Präsidentschaft Donald Trumps und seit der Corona-Pandemie sind die beiden Weltmächte auf einem gefährlichen Konfrontationskurs. Trump hatte Covid-19 als „China-Seuche“, den Erreger als „China-Virus“ bezeichnet.
Aber auch Präsident Joe Biden fährt eine harte Industriepolitik gegen die Volksrepublik, die jüngst in Technologie-Sanktionen gipfelte. Das amerikanisch-chinesische Verhältnis erlebte nach der Ballon-Affäre, in der Washington Peking mit massiven Spionage-Vorwürfen überhäufte, einen heftigen Temperatursturz. Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine hat das Misstrauen und die Spannung weiter erhöht. Die USA kreiden der Volksrepublik an, Moskau mit Samthandschuhen anzufassen. Für die oppositionellen Republikaner wie die regierenden Demokraten ist China der große Gegner.
Die Rhetorik der Konfrontation führt jedoch nicht weiter. China ist ohne Zweifel eine monumentale Herausforderung für den Westen. Das ökonomische und militärische Wachstum des ostasiatischen Landes zählt ebenso dazu wie Pekings zunehmend aktive Rolle in der internationalen Politik. Der Zwölf-Punkte-Plan für die Ukraine und die Vermittlung zwischen den Erzfeinden Iran und Saudi-Arabien unterstreichen dies. Aber auch Xis antiwestlicher Diskurs und sein Hyper-Autokratismus gehören dazu.
Dennoch wäre es falsch, eine Anti-China-Front aufzumachen. Der Westen sollte gegenüber Peking eine Doppelstrategie von Härte und Geschmeidigkeit fahren. Man könnte es auch Bambus-Politik nennen – die Pflanze ist äußerst widerstandsfähig und biegsam zugleich.
Einerseits müssen Europäer und Amerikaner ihre wirtschaftlichen Interessen konsequent vertreten. Das heißt: zu große wirtschaftliche Abhängigkeiten herunterfahren, mehr diversifizieren, wachsam sein gegenüber Chinas Spionage-Aktivitäten und nationalegoistischem Technologie-Klau. Andererseits braucht der Westen die Volksrepublik zur Einhegung von Kriegen wie in der Ukraine oder Krisen wie dem Klimawandel und dem Atomstreit mit dem Iran.
Es gibt einen großen gemeinsame Nenner: Die westlichen Länder haben wie China das Ziel, dass die globale Wirtschaft nicht entgleist. Kriege und Krisen erhöhen die Wahrscheinlichkeit, dass dies passiert. Auch wenn die Globalisierung durch Corona und den Ukraine-Krieg einen mächtigen Dämpfer bekommen hat: Die weltweite ökonomische Verflechtung ist nach wie vor hoch.
Daran hängt auch Chinas Wirtschaft. Der neue Ministerpräsident Li Qiang hat dies auf die Formel gebracht: Die Regierung solle sich darum bemühen, ein „freundliches Geschäftsumfeld zu schaffen, und sich um private Unternehmer kümmern“. China und die USA könnten und müssten zusammenarbeiten. Fazit: Der Westen sollte gegenüber Peking das volle Programm aufbieten – Konkurrenz, Härte und Konvergenz (Annäherung).