Immer mehr Staats- und Regierungschefs biedern sich Donald Trump an
In der globalen Politik gibt es eine neue Disziplin im Umgang mit US-Präsident Donald Trump: Neutral formuliert könnte man es Schmeicheldiplomatie nennen – taktische Zuckerguss-Rhetorik, um den Hyper-Narzissten mit dem mächtigsten Militär der Welt milde zu stimmen. Im besten Fall lassen sich dadurch Nachteile für einen selbst vermeiden oder sogar Vorteile erzielen. Man könnte es aber auch als Liebedienerei, vorauseilenden Gehorsam oder gar Unterwürfigkeit bezeichnen.
Nato-Generalsekretär Mark Rutte gab eine Kostprobe von überspannter Kratzfüßigkeit, die seinem Amt nicht angemessen ist. Vor Trumps Abflug zum Nato-Gipfel in Den Haag am 25. Juni verschickte er eine hymnische Grußbotschaft an den Chef des Weißen Hauses: „Du wirst erreichen, was KEIN amerikanischer Präsident in Jahrzehnten geschafft hat. Europa wird auf GROSSE Weise zahlen, das sollte es ja auch, und das wird Dein Sieg sein“, schrieb Rutte. Die mit Großbuchstaben unterlegte Beweihräucherung ist im Trumpschen Ton des „Ich bin der Größte, Beste, Unerreichte“ abgefasst.
Rutte machte die verbalen Bücklinge, um beim Nato-Gipfel einen Eklat zu vermeiden und Trump bei der Stange zu halten. Auch das royale Rahmenprogramm in Den Haag war auf die Vorlieben des Gastes aus Washington zugeschnitten: Trump übernachtete im königlichen Palast Huis ten Bosch.
Immerhin: Der Amerikaner bekannte sich im Schluss-Kommuniqué zur Bündnispflicht nach Artikel 5 des Nato-Vertrags (Angriff auf ein Mitglied ist Angriff auf alle). Und er unterstrich die „langfristige Bedrohung der euro-atlantischen Sicherheit durch Russland und die anhaltende Bedrohung durch den Terrorismus“. Dafür boxte Rutte bei den Nato-Partnern das Ziel durch, bis 2035 fünf Prozent ihrer Wirtschaftsleistung für Verteidigung auszugeben. Der Nato-Chef darf durchaus als Erfolg verbuchen, dass sich Trump nicht von der Allianz abgewandt hat. Sein Auftritt als Quasi-Höfling des Präsidenten ist gleichwohl verstörend.
Mit seiner Servilität liegt Rutte allerdings im Trend. Bei seinem ersten Besuch im Weißen Haus im Februar überbrachte der britische Premier Keir Starmer einen persönlichen Brief von König Charles III., in dem er Trump zu einem weiteren Staatsbesuch nach London einlud. Dabei schwang die Hoffnung mit, so von den US-Zöllen ausgenommen zu werden.
Die Monarchien der Golfstaaten haben das Anbiedern an Trump beinahe zur Kunstform entwickelt. Bei seinem Besuch im April eskortierten ihn Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate mit F-16-Jets durch ihren Luftraum. Es gab etliche Ankündigungen, für viele Milliarden Dollar US-Waffen zu kaufen. Den Höhepunkt setzte Katar mit dem Geschenk einer luxuriösen Boeing-Maschine im Wert von 400 Millionen Dollar – gedacht als neue Air Force One für Trump.
„Trump will keine Loyalität, was eine Tugend wäre. Er will Vasallentreue – das ist etwas ganz anderes. Leute, die Ja sagen, keine Berater, die ihm verschiedene Sichtweisen, Vor- und Nachteile aufzeigen und ihm eventuell von seinen Plänen abraten“, betont sein ehemaliger Sicherheitsberater John Bolton. Der Geist des Höfischen ist in die internationale Politik eingezogen. Bolton hat recht: Immer mehr Staats- und Regierungschefs verhalten sich wie Vasallen gegenüber Trump, der sich wie ein Lehnsherr geriert. Es ist eine Art Schutz-Treue-Verhältnis, das im Mittelalter gang und gäbe war.
Die Europäer haben sich jedoch ihre Position der Schwäche selbst zuzuschreiben. Sie träumten nach dem Fall der Mauer vom ewigen Frieden, vernachlässigten sträflich ihre Verteidigungsausgaben, Deutschland schaffte gar die Wehrpflicht ab. Europa muss nun im Eiltempo nachrüsten. Dennoch wäre es fatal, wenn die USA in den kommenden Jahren ihre militärische Präsenz vom Kontinent abziehen würden. „Wir wären vollkommen schutz- und hilflos. Wir haben keine eigene Satellitenaufklärung. Wir haben keine Luftabwehr. Wir wären jedem Angreifer ausgeliefert“, sagt Wolfgang Ischinger, früherer Chef der Münchner Sicherheitskonferenz, mit Blick auf die imperialen Ambitionen des russischen Präsidenten Wladimir Putin. Die Abhängigkeit von Amerika schmerzt, sie ist jedoch noch eine ganze Zeit lang Realität. Daher ist es klug, Trump diplomatisch zu umwerben: Aber Rutte hat es mit seiner exzessiven Anbiederei übertrieben.