Putin wickelt den US-Präsidenten mit Pseudo-Diplomatie um den Finger
Es ist ein wiederkehrendes Muster im Ukraine-Krieg. Der russische Präsident Wladimir Putin erweist sich als Meister der Puderzucker-Rhetorik. Kaum ist das dritte Telefonat mit seinem amerikanischen Amtskollegen Donald Trump am Montag vorbei, tritt Putin vor die Staatsmedien seines Landes. Das Gespräch mit Trump sei „gehaltvoll“ und „nützlich“ gewesen, säuselt der Kremlchef. Der US-Präsident wird mit Komplimenten überhäuft. Aber Putin zeigt keine Bereitschaft zu einer sofortigen Waffenruhe, keine Bereitschaft zu weiteren Verhandlungen „ohne Vorbedingungen“. Er kündigt einen „Memorandumsvorschlag“ für einen künftigen Friedensvertrag an. Klingt gut, ist aber reine Verzögerungstaktik. Denn inzwischen wird die Ukraine weiter pausenlos mit Raketen und Drohnen attackiert – egal ob die Geschosse Wohngebäude, Autobusse oder Krankenhäuser treffen.
Dieser Widerspruch zwischen Pseudo-Diplomatie und barbarischer Kriegsrealität ist schwer zu ertragen. Der ehemalige KGB-Offizier Putin beherrscht die Kunst des Tarnens, Täuschens und Nebelkerzenwerfens wie kein Zweiter. Damit gelingt es ihm immer wieder, Trump nach Belieben um den Finger zu wickeln. Das Telefonat mit Putin sei „ausgezeichnet“ in Ton und Atmosphäre gewesen, schwärmte der Amerikaner danach – obwohl sich der Kremlchef in keinem Punkt substanziell bewegt hat.
Das Problem ist, dass die Russen auf der einen sowie Europäer und Ukrainer auf der anderen Seite Ansätze verfolgen, die sich nicht unter einen Hut bringen lassen. Trump oszilliert irgendwo dazwischen. Er positioniert sich nach dem Roberto-Blanco-Prinzip („Heute so, morgen so“). Die europäische Koalition der Willigen plus Kiew streben einen 30-tägigen Waffenstillstand an, in dem die Eckpunkte für einen Kompromiss ausgehandelt werden sollen. Es liegt in der Natur eines Kompromisses, dass beide Seiten Zugeständnisse machen müssen.
Trump hingegen will den Ukraine-Krieg lieber heute als morgen beenden. Ihm geht es vor allem darum, in der Ukraine wichtige Rohstoffe wie seltene Erden abzubauen und Geschäfte mit Russland zu machen. Mit Blick auf Moskau schwebt ihm eine Stärkung des bilateralen Handels sowie die gemeinsame Ausbeutung der ressourcenreichen Arktis vor. Die großen außenpolitischen Herausforderungen sind für ihn die Eindämmung Chinas und die Beilegung des Atomstreits mit dem Iran. Trump hat die völlig wirklichkeitsfremde Vorstellung, dass Russland und die Ukraine möglichst schnell einen „Deal“ abschließen. Beide Seiten könnten „sofort mit Verhandlungen über eine Waffenruhe – und noch wichtiger – ein Ende des Krieges beginnen“, am besten im Vatikan, so Trump am Montag. Doch ohne Druck von außen wird Moskau seine betonharte Verhandlungsführung nicht aufweichen.
Die Europäer folgten immer wieder der irrigen Annahme, dass sie Trump mit der Forderung nach einem Waffenstillstand und der Drohung mit neuen Sanktionen gegen Russland auf ihrer Seite hätten. Doch der Chef des Weißen Hauses glaubt weder an Prinzipien noch an Verträge. Für ihn besteht internationale Politik aus den Arrangements der Großmachtführer.
Putin spielt ein durch und durch machiavellistisches Spiel. Er strebt kein Ende des Krieges durch Verhandlungen an. Er will die Kapitulation der Ukraine. Bei den russisch-ukrainischen Gesprächen am Freitag vergangener Woche in Istanbul haben Putins Leute offen mit einer Verlängerung der Kämpfe auf unbestimmte Zeit gedroht, sollte die Ukraine nicht die vier teilweise von Russland besetzten Gebiete vollständig räumen.
Es ist immer wieder das gleiche Muster. Trump mahnt ein sofortiges Endes des Krieges an. Putin sagt dies zu, sobald die „Ursachen der Krise“ beseitigt seien. Aus seiner Sicht sind dies folgende Bedingungen: keine Nato-Mitgliedschaft der Ukraine, Entmilitarisierung des Landes, „Entnazifizierung“ – im Kremlsprech die Installierung einer russlandfreundlichen Regierung in Kiew – sowie die Rückabwicklung der 1999 begonnenen Nato-Osterweiterung.
Trump durchschaut Putins Manöver nicht. Er ist in seiner Ideen- und Planlosigkeit im Grunde ein apolitischer Präsident, der nur nach lukrativen Geschäftsbeziehungen schaut. Bei der Unterstützung der Ukraine tragen die Europäer praktisch allein die Last. Es besteht die Gefahr, dass der Krieg in eine Endlosschleife gerät.