Der US-Präsident will Russland von China loseisen – eine Illusion
Wie viel Putin steckt in Trump? Wenn der US-Präsident über den Kremlchef redet, dann klingt es wie ein lautes Echo aus Moskau. Auch nach der russischen Invasion in die Ukraine bezeichnete Trump Putin als „schlau“, „klug“ und „genial“. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj sei hingegen ein „Diktator ohne Wahlen“, der den Krieg begonnen habe. Trump lobpreist Putins Bereitschaft zum „Frieden“. Und er nennt Bedingungen dafür, die aus der Feder des Russen stammen könnten. Die Ukraine werde „vielleicht ohnehin nicht überleben“, sagte er nun gegenüber seinem Haus- und Hofsender Fox News. Trump verbreitet das russische Narrativ, als wäre er der Chef-PR-Agent aus Moskau.
Es ist nicht nur Trumps Rhetorik, die sich chamäleonhaft der von Putin angleicht, es sind auch seine Taten. Die Vereinigten Staaten haben die Waffenlieferungen an die Ukraine ausgesetzt. Die lebenswichtigen Geheimdienstinformationen wurden ebenfalls vorerst gekappt.
Trump – so scheint es – hat die Ukraine aufgegeben. Er demütigt Selenskyj mit einer Vogel-friss-oder-stirb-Politik. Das angegriffene Land soll einen Diktatfrieden Putins akzeptieren oder gleich Teil der Russischen Föderation werden. Der US-Präsident pfeift auf die von den Europäern hochgehaltenen demokratischen Werte, die in der Ukraine verteidigt werden. Es geht ihm nicht um die Schaffung eines stabilen Friedens durch die hohe Kunst der Diplomatie. Trump betreibt in der Ukraine blanken Rohstoff-Kolonialismus. Er will Öl und Gas, aber auch Metalle wie Seltene Erden, die für die Chipindustrie gebraucht werden, in Besitz nehmen. Im „America First“-Nationalismus gilt das Gesetz des Dschungels: Der Stärkere triumphiert, der Schwächere muss sich fügen, das Völkerrecht wird zur Verfügungsmasse.
Das Denken in Macht-, Interessen- und Einflusssphären hat große Schnittmengen mit Putins Universum. Europa verachtet der Amerikaner. Hinter Trumps Affinität zu Putins Politik der eisernen Faust steckt „Autokraten-Neid“, erklärt Susan Miller, frühere Chefin der Gegenspionage beim US-Auslandsgeheimdienst CIA. „Trump mag Putin, weil Putin sein Land kontrolliert“, betont sie. „Trump will sein Land ebenfalls kontrollieren.“
Der Chef des Weißen Hauses hat eine große geopolitische Wette laufen. Mit einem „Friedens“-Deal nach Putins Gusto will er die Tür für wirtschaftliche Beziehungen zwischen Amerika und der Rohstoff-Großmacht Russland öffnen. Darüber hinaus strebt er eine Verlängerung des New-Start-Abkommens über die Begrenzung atomarer Langstreckensysteme an, das 2026 ausläuft. Die Übereinkunft ist der letzte noch gültige Nuklearvertrag zwischen beiden Ländern.
Das alles überragende Ziel in Trumps geopolitischem Spiel ist jedoch ein anderes. Der Präsident will Russland aus der strategischen Partnerschaft mit China loseisen. Der wirtschaftliche, militärische und politische Aufstieg der Volksrepublik, die Innovationssprünge in den Bereichen Telekommunikation, Künstliche Intelligenz oder Halbleiter-Industrie werden in den USA als Bedrohung angesehen. Wenn der Rohstoff- und Atomwaffen-Gigant Russland an der Seite der Vereinigten Staaten ist, ist China schwächer, lautet Trumps Imperialismus-Formel.
Dieses Kalkül basiert jedoch auf dem Prinzip Hoffnung. Es hat wenig mit der Wirklichkeit zu tun. Die Beziehungen zwischen Moskau und Peking sind unverbrüchlich. Russland bekommt für seinen Ukraine-Krieg viele Dual-Use-Güter wie Elektronik-Teile für Drohnen oder Raketen. China bezieht in großem Stil billiges Öl für seine energiehungrige Wirtschaft.
Darüber hinaus haben Putin und Chinas Staatschef Xi Jinping die gleiche Sicht auf die internationale Politik. Beide arbeiten an einer multipolaren Welt, in der Moskau und Peking wichtige Kraftzentren bilden – mit starker Ausstrahlung auch auf den „globalen Süden“. Der Niedergang des Westens mit seiner Führungsmacht USA gehört dazu. In diesem Kräfteparallelogramm bleibt für Trump nur die Rolle eines nützlichen Idioten.
Der selbsternannte „Dealmaker“ Trump scheint gegenüber den geopolitischen Realitäten völlig blind zu sein. Thomas Friedman, Kolumnist der „New York Times“, kommt zu einem ernüchternden Schluss: „Werden Trump und seine republikanischen Wackelköpfe jemals aufwachen und das bemerken? Vielleicht – wenn es zu spät ist.“