Hohe Zölle strangulieren die US-Wirtschaft, hohe Schulden den Staat
US-Präsident Donald Trump malt sich die Welt, wie sie ihm gefällt. Er baut Luftschlösser und inszeniert sich als Meister des Universums. Seinen Anhängern in der „Make-America-Great-Again“-Bewegung imponiert das. In ihrer sklavischen Gefolgschaft blenden die MAGA-Leute aus, dass Trump zunehmend in einen Crash-Kurs mit der Realität gerät. Vor allem für die Wirtschaft ist seine Dampfhammerpolitik gefährlich.
Alle großsprecherischen Ankündigungen Trumps sind bislang verhallt. Der als „Tag der Befreiung“ hochstilisierte 2. April 2025 mit der blindwütigen Zollkeule gegen alle sorgte bei Firmenlenkern, Kapitalanlegern und Verbrauchern weltweit für große Nervosität. Die US-Inflationsrate verharrte im April über der Zwei-Prozent-Marke, obwohl Trump niedrigere Preise versprochen hatte. Die amerikanische Wirtschaft, die sich jahrelang auf einem stabilen Wachstumspfad zwischen zwei und drei Prozent befunden hatte, brach im ersten Quartal 2025 auf -0,2 Prozent ein. Plötzlich taucht wieder das Wort „Rezession“ in den Protokollen der US-Notenbank auf.
Was den Unternehmen zu schaffen macht, ist das Trump-Paradox aus ideologischem Fundamentalismus auf der einen und Wankelmütigkeit gegenüber den Ausschlägen der Märkte auf der anderen Seite. Entgegen den Empfehlungen vieler Wirtschaftswissenschaftler rund um den Globus hält der Präsident die Zölle für ein Allheilmittel zur Stärkung der amerikanischen Konjunktur. Die völlig wirklichkeitsferne Logik dahinter: Die Abgaben zwingen im Ausland fertigende Betriebe, in den USA zu produzieren. Was Trump außer Acht lässt ist, dass die Herstellungskosten in den Vereinigten Staaten deutlich höher sind als in vielen anderen Ländern – ergo die Verbraucher tiefer in die Tasche greifen müssen.
Als Trump der Welt am 2. April den Zollkrieg erklärte, hatte er ein schmerzhaftes Rendezvous mit der Realität: Die Börsenkurse gingen in den Keller, der Dollar und amerikanische Staatsanleihen verloren an Wert. US-Unternehmen schlugen Alarm und warnten vor Inflationsschub, Investitionsknick und Abschwung. Der Präsident machte postwendend einen Rückzieher. Er reduzierte die Zölle für Importe aus Mexiko, Kanada und China. Er befreite auch Telefone, Computer und Chips von Abgaben, um zu verhindern, dass die Preise in die Höhe schießen.
Die Anleger haben längst eingepreist, dass der Chef des Weißen Hauses kein konzeptioneller Denker ist. Sie haben inzwischen ihren eigenen Mechanismus entwickelt, um sich auf die Flatterhaftigkeit des Präsidenten einzustellen: Jeder Zollschritt von Trump wurde an den Märkten bestraft und hat die wirtschaftlichen Aussichten verschlechtert. Jeder Schritt zurück wurde hingegen gefeiert. Diese Dynamik hat an der Wall Street die TACO-Strategie („Trump Always Chickens Out“) populär gemacht: Investieren mit der Annahme, dass Trump bei Zöllen immer zurückweicht – zumindest teilweise.
Doch die Verunsicherung bleibt. Sie wird verschärft durch die stetig wachsenden öffentlichen Schulden. Vor dem Kongress kündigte Trump noch im März an: „In naher Zukunft möchte ich das tun, was in den letzten 24 Jahren nicht geschafft wurde: den Bundeshaushalt ausgleichen. Wir werden ihn ausgleichen.“ Auch das ein leeres Versprechen. Das Gesamtdefizit des Staates beträgt mittlerweile mehr als 36 Billionen Dollar. Trumps Steuerreform, von der vor allem die Reichen und die Unternehmen profitieren, wird die Finanzlücke weiter vergrößern. Die Verlängerung der Steuersenkungen aus seiner ersten Amtszeit wird nach Berechnungen des Haushaltsbüros des Kongresses über zehn Jahre ein zusätzliches Loch von 3,8 Billionen Dollar in das Budget reißen.
Die Rating-Agentur Moody’s hat den USA daher die Top-Bonität entzogen. Das bedeutet, dass die Vereinigten Staaten künftig noch höhere Zinsen bezahlen müssen, um sich dringend benötigtes Geld auf dem Kapitalmarkt zu beschaffen. Bereits jetzt macht das Land pro Jahr mehr als eine Billion Dollar für Zinsen locker – rund 15 Prozent des gesamten Etats. Jamie Dimon, der Präsident von J.P. Morgan, übte scharfe Kritik am unhaltbaren Kurs der Staatsverschuldung: „Ich weiß nicht, ob die Krise in sechs Monaten oder in sechs Jahren eintreten wird“, warnte der Chef von Amerikas größter Bank. „Leider brauchen wir sie vielleicht, um aufzuwachen.“