Chinas Staatschef weiß, wie man Trumps Drohungen ins Leere laufen lässt
Derzeit zittert die ganze Welt vor der Zollkeule von US-Präsident Donald Trump. Viele Regierungschefs versuchen, mit Charme- und Schmeicheloffensiven den großen Zampano in Washington zu besänftigen und bessere Handelsbedingungen für sich herauszuholen. Auf Chinas Staatsoberhaupt Xi Jinping trifft das nicht zu. Xi hat eine Meisterschaft entwickelt, die Drohungen des Amerikaners ins Leere laufen zu lassen. Oder mit knallharten Gegenmaßnahmen zu kontern.
Um Chinas Exportoffensive einzudämmen, erweiterten die USA Ende September die Liste der unter Ausfuhrkontrollen stehenden Unternehmen erheblich. Plötzlich wurden potenziell Tausende chinesische Tochterfirmen auf die schwarze Liste gesetzt. Amerika begann zudem, neue Hafengebühren für Schiffe aus Fernost zu erheben. Die Volksrepublik reagierte mit ähnlichen Steuern auf US-Schiffe.
Die Vereinigten Staaten schmerzt jedoch vor allem, dass China Anfang Oktober neue Exportkontrollen für Seltene Erden verhängte. Die kritischen Metalle sind lebenswichtig für die Fertigung von Mobiltelefonen, Solarmodulen, Elektroautos oder F-35-Kampfjets. Die Volksrepublik verfügt hier über ein Quasi-Monopol und ein mächtiges Instrument, das die Lieferketten quer über den Globus lahmlegen kann. Sie fördert 70 Prozent und verarbeitet chemisch 90 Prozent des weltweiten Angebots an Seltenen Erden. Amerika bemüht sich zwar, Verträge mit neuen Lieferanten abzuschließen. Doch die Umstellung dauert Jahre.
Es war nicht das erste Mal, dass die chinesische Führung die Muskeln spielen ließ. Nachdem Trump Anfang April mit großem Brimborium den „Tag der Befreiung“ ausrief und globale Mindestzölle von 15 Prozent verhängte, gab Peking nicht klein bei. China war das einzige Land, das nach dem Prinzip „Auge um Auge“ reagierte. Trump suchte sein Heil in der Eskalation und belegte chinesische Waren mit einem Zoll von 145 Prozent. Xi antwortete mit einer Abgabe von 125 Prozent auf amerikanische Produkte.
Der Wirtschaftsgigant aus Fernost greift mittlerweile zu den gleichen Folterwerkzeugen wie die Vereinigten Staaten. Im vergangenen Dezember verhängte US-Präsident Joe Biden Beschränkungen für den Export von Computer-Chips nach China. Keine 24 Stunden später blockierte Peking die Ausfuhr von Gallium und Germanium – Metalle, die bei der Produktion von Halbleitern, Solarpanelen oder Radargeräten wichtig sind. Hätte Trump damals aufgepasst, hätte er dies als Warnung auffassen müssen.
Xi kommt zugute, dass sich die Kräfteverhältnisse verschoben haben. China produziert heute 35 Prozent der weltweit gefertigten Industriegüter – dreimal so viel wie die Vereinigten Staaten und mehr als die acht nachfolgenden Länder zusammen. Anfang der 2000-er Jahre waren chinesische Hersteller mehr von US-Lieferanten abhängig als umgekehrt. Bis zum Jahr 2020 hat sich die Lage gedreht. Die Amerikaner haben zwar in wenigen Segmenten wie Hochleistungshalbleiter die Nase vorn. Aber die Volksrepublik versucht, den Rückstand durch üppige Subventionen für Chip-Unternehmen wettzumachen und die Anfälligkeit für US-Blockaden zu vermindern.
Xi lässt sich von Trumps Drohungen nicht beirren. Er hat einen Plan, der langfristig angelegt ist. Nach der 2015 verabschiedeten Strategie „Made in China 2025“ sollen immer mehr Hightech-Güter im eigenen Land produziert werden – für den Export, aber auch für den Binnenmarkt. Die Volksrepublik konzentriert sich dabei auf die gezielte Förderung von zehn Schlüsselbranchen, in denen die Weltmarktführerschaft angestrebt wird. Bei der Fertigung von E-Autos, Batteriezellen oder Solarmodulen liegt China bereits heute weltweit an der Spitze. Bis 2049, dem 100. Geburtstag der Volksrepublik, will das Land die führende Industrienation sein.
Chinas wachsendes Selbstbewusstsein gegenüber den USA kommt im eigenen Land gut an. In den sozialen Medien haben patriotische Posts Hochkonjunktur. Der regierungsnahe Blogger Ren Yi fasste die Stimmung in einem weit verbreiteten Artikel zusammen: „Klarsichtige Beobachter wissen, dass Amerika fast all seine Karten gespielt hat und darauf brennt, sie alle sofort auf den Tisch zu hauen“, schrieb Ren Yi, der auch den Namen „Chairman Rabbit“ verwendet. „Aber China hat gerade erst begonnen, seine Karten zu spielen und zögert immer noch, sie zu zeigen.“