Die Champions-League-Halbfinals sind in vollem Gange. Die deutschen Vertreter Dortmund und München hoffen auf eine Wiederholung des Jahres 2013, als beide in Wembley aufeinandertrafen. Ob das gelingt, werden nun die Rückspiele zeigen.
Was war das Gespött aus England groß – die deutsche Bundesliga ist nur eine Farmers League – also eine Bauernliga, in der Spieler gut ausgebildet werden, Premier-League-Clubs sich jedoch einfach bedienen können. Ausgerechnet die englischen Mannschaften sind jetzt aber in keinem europäischen Halbfinale vertreten. Weder in der Champions League noch in der Europa League, wo Leverkusen West Ham ausschaltete. Die Conference League und Aston Villa zählen zwar auch, dieser Wettbewerb hat aber nicht den größten Impact. Max Eberl konnte sich nach dem Weiterkommen seiner Bayern gegen Arsenal deshalb eine kleine Spitze nicht verkneifen: „Ja, das hat man heute gesehen. Jetzt steht kein Engländer im Halbfinale, es stehen zwei Bundesligisten drin“, sagte er – und ergänzte: „Das ist großartig für die Bundesliga – ein Ausrufezeichen, das wir gesetzt haben.“ Auch in den sozialen Netzwerken war die Resonanz groß: Auf X, ehemals Twitter, zeigen viele User offen ihre Schadenfreude. So schrieb die Bayern-Fanpage „Bayern & Football“: „Bayern und Dortmund erreichen das UCL-Halbfinale, während Leverkusen die Bundesliga gewinnt. Sehr interessant für eine ‚Farmers League‘.“ User „Complaxes“ stellt fest: „Bayern ist in seinem schlechtesten Zustand der letzten zehn Jahre immer noch besser als Arsenal in seinem besten Zustand der letzten zehn Jahre. Haha.“
Viel Lob in der Königsklasse
Die Bayern stehen in der Bundesliga zwar ohne Titel da, doch für Trainer Thomas Tuchel, der nur noch bis Sommer an der Seitenlinie stehen wird, geht es noch um den größten europäischen Titel. Der Auftritt seiner Mannschaft brachte ihm viel Lob ein, es wurde sogar darüber diskutiert, ob er nicht doch im Amt bleiben würde – denn die Leistung der Bayern in der Champions League ist den Bayern durchaus würdig. „Es ist immer besser, vor den eigenen Fans zu spielen“, sagte Tuchel nach dem Spiel. „Bei jedem Zweikampf und jeder guten Aktion wirst du von den Fans unterstützt, das gibt dir Rückenwind. Jetzt geht es ins Halbfinale und jeder muss sich steigern – wir müssen uns steigern und auch die Fans müssen sich noch weiter steigern.“ Dass der FC Bayern dazu in der Lage ist, zeigt die Vergangenheit. Nicht umsonst tragen die Münchner in Spanien den Spitznamen „Bestia Negra“. Der Angstgegner der Madrilenen, denn immer wieder zerschellten die Träume der Spanier an den unangenehmen Münchenern. In der jüngeren Vergangenheit aber ging Real Madrid als Sieger vom Platz, seit 2012 konnten die Bayern nicht mehr gewinnen. Sollten die Bayern weiterkommen, gäbe es so oder so eine Neuauflage eines Endspiels: gegen Dortmund gewannen die Münchner 2013 in Wembley, gegen Paris in Lissabon 2020.
Fünfter Startplatz für Deutschland?
Borussia Dortmund hingegen muss es wie schon in der Gruppenphase mit dem Starensemble aus Paris um Kylian Mbappé aufnehmen. Bereits vor dem Hinspiel stand Mbappé mit acht Treffern als bester Torschütze der Champions-League-Saison da. Gegen Barcelona erzielte er im Rückspiel in Spanien einen Doppelpack und erhöhte sein Auswärtstreffer-Konto in der Königsklasse auf 15 Treffer – nur Cristiano Ronaldo hat mit 23 Treffern mehr Tore erzielt. Doch der BVB muss sich nicht vor den Franzosen verstecken. Die letzten zehn Heimspiele sind sie in diesem Wettbewerb ungeschlagen und werden zu Hause von der „gelben Wand“ unterstützt. Beide Teams trafen in der Gruppenphase schon aufeinander und kennen sich gut. Dortmund verlor im Parc des Princes mit 0:2 und holte zu Hause ein 1:1 gegen Paris. „Unser erstes Spiel gegen sie war nicht gut“, gab Trainer Edin Terzić zu. „Im zweiten Spiel haben wir uns besser auf sie eingestellt und waren dem Sieg näher. Ich denke, dass wir heute eine bessere Mannschaft sind als damals in der Gruppenphase.“ Ganz interessant: Es wird der letzte Versuch von Kylian Mbappé, die Champions League nach Paris zu holen; sein Wechsel nach Madrid ist scheinbar beschlossene Sache. Paris ist der einzige Verein im aktuellen Halbfinale, der noch nie die Champions League gewinnen konnte.
Obwohl die Premier League nicht in den europäischen Halbfinals vertreten ist, bleibt sie die beste Liga in Europa – oder zumindest eine der besten. Dennoch bringt das Weiterkommen des BVB und der Bayern einen positiven Umstand mit sich: Deutschland könnte einen fünften Champions-League-Platz für die kommende Saison winken. Bedingt wird dies dadurch, dass die Bundesliga in der laufenden Saison in der Uefa-Rangliste auf Platz zwei hinter Italien liegt. Dadurch, dass die Königsklasse reformiert und von 32 auf 36 Mannschaften aufgestockt wird, werden die beiden besten Nationen in der aktuellen Wertung einen weiteren Startplatz für die Champions League erhalten. Schon vor dem Ausscheiden der englischen Teams Arsenal sowie Liverpool und West Ham lag die Bundesliga vor den Engländern. Für die Bundesliga können Bayern, der BVB sowie Leverkusen weiterhin Punkte sammeln. In der Fünfjahreswertung sehen die Kräfteverhältnisse jedoch anders aus. Die Premier League liegt dort als Spitzenreiter mit etwas Vorsprung vor der spanischen La Liga und der italienischen Serie A, die jeweils nur knapp vor der Bundesliga stehen. Mit größerem Abstand dahinter befinden sich Frankreich und die Niederlande. Diese Wertung ist maßgeblich für die Vergabe der internationalen Startplätze: So erhalten die ersten vier des Rankings jeweils vier Champions League und zwei Europa-League-Plätze sowie einen Platz in der Conference-League-Qualifikation. Kommen die drei deutschen Halbfinalisten weiter, würden sie dementsprechend wichtige Punkte für den deutschen Fußball sammeln.
Die abgezockteste Mannschaft Europas
Das wird bei den angesprochenen Gegnern jedoch schwer genug. Real Madrid beispielsweise ist wohl die abgezockteste Mannschaft Europas, die weiß, wie man wichtige Spiele gewinnt. In den vergangenen drei Jahren standen die Spanier immer mindestens im Halbfinale – entweder sie verloren gegen den späteren Sieger oder gewannen selbst den Henkelpott. Carlo Ancelotti, der schon viermal die Champions League gewonnen hat, steht mit stoischer Ruhe am Seitenrand, während seine Mischung aus Erfahrung und jungen Wilden auf dem Platz prächtig harmoniert: Die stabile Defensive um Antonio Rüdiger ist das Prunkstück, im Mittelfeld ziehen weiter Luka Modrić und Toni Kroos die Fäden, wenn auch nicht mehr zusammen, sondern immer assistiert von Aurelien Tchouameni, Federico Valverde und Eduardo Camavinga. Über die Dreier-Offensive bestehend aus Rodrygo, Vinicius Junior und Jude Bellingham wurde bereits alles gesagt.
Nicht kleiner ist die Aufgabe, die dem BVB mit Paris bevorsteht. Dabei hat die Ligue 1 nun für einen kleinen, aber feinen Vorteil gesorgt: Wie der französische Ligaverband LFP nun bekannt gab, wird die Partie von PSG gegen OGC Nizza verlegt, die am Wochenende zwischen den beiden CL-Spielen hätte stattfinden sollen. Mit der Änderung will die Liga den Zeitplan der Pariser entzerren, um dem Team mehr Ruhe zu gönnen. Auch Real Madrid profitierte von einer Spielverlegung des Liga-Duells mit Real Sociedad, um sich noch besser auf das CL-Duell mit dem FC Bayern vorbereiten zu können. Die beiden Bundesligisten wiederum sind im ersten Mai-Wochenende in der Liga gefordert, Dortmund empfängt den FC Augsburg und der FC Bayern gastiert in Stuttgart.
So oder so – dass die deutschen Vereine international so gut performen, bringt nur Positives mit sich. Jedoch ist es nur eine Momentaufnahme. Damit dieser Aufschwung nachhallt, sollte eine deutsche Mannschaft am besten einen Titel auf internationalem Parkett gewinnen.