Vor 55 Jahren, am 21. Juli 1969, setzte Neil Armstrong um 03.56 Uhr MEZ den Fuß auf die Oberfläche des Erdtrabanten. Das Nachfolgeprogramm Artemis muss warten.
Wernher von Braun hatte schon 1948 eine Vision. Obwohl der Mond noch in weiter Ferne lag, plante er bereits Flüge zum Mars. Es klingt zwar wie Science Fiction, was er da vorhatte, aber in seinem Buch „The Mars Project“, das 1952 in den USA veröffentlicht wurde, beschrieb er detailliert seine Vorstellungen. Zehn Raumschiffe sollten es sein, mit einer Besatzung von 70 Personen, die für die erste Marsmission vorgesehen waren. Ein gigantisches Projekt, das aber bald in der Versenkung verschwand. Denn spätestens 1961, nach der berühmten Kennedy Rede, begann der Wettlauf zwischen den USA und der Sowjetunion zum Mond, der in der unglaublich kurzen Zeit von acht Jahren 1969 mit Neil Armstrong zur erfolgreichen Landung der ersten Menschen auf dem Erdtrabanten führte. Die Russen dagegen scheiterten mit ihrem Mondprogramm kläglich. 1972 war dann erstmal Schluss mit bemannten Flügen zum Mond, und es schloss sich eine lange Pause an, auch aus finanziellen Gründen.
1972 war erst mal Schluss
Es gab zwar in den Siebzigern mit Skylab und Sojus-Apollo noch bemannte Flüge, aber nicht mehr zum rund 380.000 Kilometer entfernten Mond, sondern nur noch in Umlaufbahnen um die Erde. Sojus-Apollo, ein Gemeinschaftsprojekt mit der UdSSR, erwies sich als zaghafte Annäherung der beiden großen Raumfahrtnationen, die aber in der amerikanischen Öffentlichkeit heftig kritisiert wurde. Weitere Missionen waren danach nur in einer internationalen Kooperation denkbar, aber es dauerte bis 1988, als mit dem Bau der ISS, der internationalen Raumstation, begonnen wurde. Jetzt war auch der ehemalige Erzfeind, die Sowjetunion, wieder mit im Boot neben zahlreichen anderen Nationen. Auch für Deutschland begann eine fruchtbare Zeit der Zusammenarbeit, denn die ISS entwickelte sich zu einem gigantischen Forschungslabor. Allerdings mit Verfallsdatum, denn 2030 soll Schluss sein, es sei denn, die Lebensdauer wird nochmals um einige Jahre verlängert. Technisch wäre das möglich.
Aber so langsam kommt wieder Bewegung in die Planung von neuen bemannten Missionen, zunächst zum Mond und später zum Mars. In der jüngsten Zeit überschlagen sich geradezu die Ankündigungen, wann wieder Menschen auf dem Mond landen und leben können. Elon Musk, amerikanischer Unternehmer und Raumfahrtastrologe vom Dienst, sah die erste Landung seiner SpaceX-Raumschiffe bereits 2022, und bis 2024 hatte er vor, Astronauten zum Mars zu schicken. Aber das ist inzwischen Makulatur. Jetzt peilt er die erste Marslandung für 2029 an, was ebenfalls völlig unrealistisch ist. Es ist schon ein großer Unterschied, ob er mit seiner SpaceX-Rakete die 400 Kilometer von der Erde entfernte ISS mit Gütern versorgt und Astronauten transportiert oder die rund 57 Millionen Kilometer zum Mars fliegt.
Allerdings ist ihm am 13. Oktober in diesem Jahr ein Achtungserfolg gelungen, den ihm so schnell niemand zugetraut hätte. Sein gigantisches Starship, mit 121 Meter die größte Rakete, die jemals gebaut wurde, und die alte Mondrakete Saturn V mit ihren 110 Metern klar übertrumpft, schaffte beim fünften Test nach mehreren Rückschlägen einen makellosen Start verbunden mit der technischen Sensation, dass die 70 Meter hohe Unterstufe der Rakete nach der Trennung vom Oberteil in 70 Kilometer Höhe zur Abschussrampe zurückkehrte und dort unversehrt von gewaltigen Greifarmen fixiert wurde. Das 50 Meter lange Oberteil stürzte nach einer Erdumrundung geplant in den Indischen Ozean. In Zukunft soll auch die Oberstufe zur Basis zurückkehren. Sollten sich alle Erwartungen von SpaceX erfüllen, könnten Raumfahrtmissionen zum Mond erheblich billiger werden, aber bis dahin ist es noch ein langer Weg.
Konkreter sind dagegen die Pläne der Nasa, mit Artemis 3 wieder US-Astronauten zum Mond zu schicken. Das war zwar für 2025 geplant, ist aber inzwischen auf den Herbst 2026 oder realistischer das Ende des Jahrzehnts verschoben worden. Hier ist auch Musk mit einer von ihm gebauten Mond-Landefähre dabei. Auch die europäische ESA ist beteiligt. Sie hat das Service Modul des Raumschiffs Orion gebaut, aber um dann später eine Mondbasis zu errichten, müsste der amerikanische Steuerzahler tief in die Tasche greifen. Das ApolloProgramm hat nach heutigen Preisen weit über 100 Milliarden Dollar gekostet. Neue Pläne mit einer permanenten Mondstation würden vermutlich mit einem Vielfachen zu Buche schlagen. Kritiker warnen bereits jetzt davor und sehen kaum einen Nutzen für die Menschheit. Dem lässt sich entgegenhalten, was Wernher von Braun schon 1971 in Houston zu diesem Thema zu sagen hatte: „Wir haben Elemente in der Raumfahrt, die heute schon Geld machen. Denken Sie an die Nachrichtensatelliten. Ich glaube, dass die Geschichte der Menschheit und vor allem die der Wissenschaft und Technologie bewiesen hat, dass die Zunahme des Wissens ein sehr hoch verzinsbarer Wert ist“. Es gibt aber auch ganz andere Gründe nicht nur für die USA, einen neuen Wettlauf um die Vorherrschaft im All zu starten. Der neuen Weltmacht China ist es gelungen, mit der Sonde Chang’e 4 auf der Rückseite des Mondes zu landen und erfolgreich einen Rover abzusetzen und hat es geschafft, mit Chang’e 6 im Juni dieses Jahres Gesteinsproben von der Rückseite des Mondes zur Erde zurückzubringen. Außerdem setzt China auf den Bau einer eigenen Raumstation, die wie die ISS eine Umlaufbahn von etwa 400 Kilometer um die Erde hat. Die China Space Station (CSS) ging 2021 mit dem ersten Modul in Betrieb, und in zehn Jahren will das Reich der Mitte am Südpol des Mondes eine Forschungsstation errichten.
Erst zum Mond, dann zum Mars
Es ist bekannt, dass China solche Projekte mit ungeheurem Tempo vorantreibt, was natürlich eine Herausforderung für die Amerikaner ist. Sputnik lässt grüßen. Die Amerikaner wollen den Bau einer Station starten, die den Mond umrunden soll, der Projektname: Lunar Gateway. Der Termin steht aber noch nicht fest. Aber das alles läuft unter dem Vorbehalt, dass der Kongress die entsprechenden Mittel absegnet, und da gibt es noch viele Fragezeichen. Auch Europa soll mit der ESA beteiligt werden, aber es geht auch hier um viele Milliarden Euro, die erst einmal aufgebracht werden müssen. Es gibt immer wieder neue Ansätze, solche Programme billiger zu gestalten, und bereits während des Apollo-Programms hat sich Eberhard Rees, Direktor des Marshall Space Flight Centers in Huntsville, Alabama, und Stellvertreter Wernher von Brauns, darüber Gedanken gemacht, wie man den Transport der Bauteile einer Mond- oder Marsstation vereinfachen könnte. Der Mitkonstrukteur der gewaltigen „Saturn V“-Mondrakete konnte sich bereits damals einen Pendelverkehr mit einem Shuttle zwischen einer Station in der Erdumlaufbahn und einem Pendant in der Mondumlaufbahn vorstellen. Von dort aus wäre dann ein weiterer Pendelverkehr zum Mond möglich gewesen. Aber auch Rees hatte den Mars im Visier, den er mit neuartigen Raketen von einer Erdumlaufstation ansteuern wollte. Das Problem war damals wie heute das Antriebssystem der Raketen. Eberhard Rees sagte schon 1969 in Houston dazu: „Wir haben bei diesem Programm früh an eine Nuklearrakete gedacht, die sehr geschickt sein würde, so etwas zu machen. Wir haben viele Programme auf dem Papier ausgearbeitet, was für Raketenantriebe notwendig wären, um zum Beispiel Menschen auf dem Mars zu landen oder noch weiter zu gehen, aber wir sind immer auf Flüssigtreibstoffraketen in Kombination mit Nuklearraketen zurückgekommen“.
Station auf dem Mond
Damals gab es gegen die Atomenergie noch keine Vorbehalte. Heute würde das zumindest im Westen keiner mitmachen. Ob das aber auch für China gilt, ist die Frage. Immerhin wäre es die Lösung eines Problems. Also wird es in der westlichen Welt noch lange Zeit bei den traditionellen Antrieben bleiben. Selbst das ist schwierig genug, denn für die 500 Tage Reise zum Mars einschließlich Aufenthalt sind erhebliche Lasten zu transportieren. Ganz abgesehen von ganz anderen Problemen, die noch lange nicht erforscht sind. So müssen die Astronauten mit lebensgefährlicher kosmischer Strahlung rechnen. Dafür benötigt das Raumschiff eine besondere Schutzhülle. Das wiederum erhöht das Gewicht beträchtlich und kostet zusätzlichen Treibstoff. Ernsthaft kann deshalb niemand eine Vorhersage machen, wann die ersten Menschen den Fuß auf den Mars setzen werden. Der deutsche Ex-Astronaut Professor Ulrich Walter hat zwar das Jahr 2048 angepeilt, aber auch das ist nicht mehr als eine Vermutung. Wissenschaftler denken zuerst an das technisch Machbare, aber weniger an die Kosten.
Der Nutzen steht ebenfalls in den Sternen, auch wenn Wernher von Braun anderer Ansicht war. Beim Apollo Programm ist die erste Euphorie schnell verflogen, denn eigentlich war geplant, mit dem Mondprogramm noch länger weiterzumachen. Das wurde damals zur großen Enttäuschung Wernher von Brauns nach Apollo 17 gestoppt. Und auch die Prophezeiung von Neil Armstrong „That’s one small step for a man – one giant leap for mankind“, also: ein kleiner Schritt für einen Menschen, aber ein Riesenfortschritt für die Menschheit“, hat sich angesichts zahlloser Kriege und anderer Probleme auf der Erde nicht erfüllt.