Der Schauspieler Benjamin Kelm (29) hat vor Kurzem den Hombuch-Preis in der Kategorie Belletristik für sein erstes Buch "Nichts ist alltäglich" gewonnen. Im FORUM-Interview spricht er über versteckte Chancen für Künstler, für wen er sein Buch geschrieben hat, und warum aufgeben für ihn keine Option ist.
Herr Kelm, wie stehen die Chancen für Künstler in Saarbrücken?
Chancen sind des Öfteren versteckt. Man muss sie suchen, denn oft befinden sie sich dort, wo man sie nicht direkt erwartet. Wie bei meiner Lesung in der "Camera Zwo", da waren die Chancen im Vorfeld nicht so offensichtlich. Die gute Nachricht: Auch in Saarbrücken gibt es sie!
Sie sagen versteckt?
Ja. Man muss zuerst einmal schauen, welche Anlaufstellen man als Autor oder Schauspieler hat. Als erstes denkt man vielleicht ans Staatstheater oder ans "Theater im Viertel". Aber es gibt noch mehr Möglichkeiten, bei denen man sich kreativ einbringen kann, wie mit einer Lesung oder anderen künstlerischen Ideen. Und da ist mir die "Camera Zwo" eingefallen, da ich weiß, dass dort auch Poetry-Slams stattfinden.
Auch wenn man die Chance nicht direkt sieht, sollte man doch hier und da einfach mal nachhaken. Man kann eine Chance erst ergreifen, wenn man sie sucht und anpackt. Dass es hier nicht so viele Chancen wie in größeren Städten gibt, ist klar.
Wie war die Stimmung bei Ihrer Lesung in der "Camera Zwo"?
Die Zusammenarbeit mit der "Camera Zwo" war wunderbar. Für mich persönlich ist die erste Lesung perfekt verlaufen. Es kamen 40 Besucher, um meine Geschichten zu hören. Zu Beginn war ich sehr nervös. Doch als ich dann auf der Bühne war und zu lesen begonnen habe, war alles gut. Die Menschen haben sich mit mir auf eine Reise durch meine Geschichten begeben. Eine Frau hat mir eine E-Mail geschrieben, dass sie das Buch verschenken will. Eine andere wurde von ihrer Freundin mitgeschleppt, ohne zu wissen, dass es in der Lesung um das Buch geht, welches sie vor einigen Wochen für ihre Großtante gekauft hat.
Das war für mich eine wunderbare Erfahrung, da ich das Buch meiner Großtante gewidmet habe. Für mich war es die Chance, neue Leute kennenzulernen und anderen eine Freude zu machen.
Sie waren diesen Sommer in London. Wie sehen Sie dort die Möglichkeiten für Künstler im Vergleich zu Ihrer Heimat?
Zu den Vorteilen im Saarland gehören auf jeden Fall die kurzen Wege und die Tatsache, dass es immer einen gibt, der wiederum einen kennt. Und meistens sind die Leute sehr hilfsbereit. Beispielsweise waren beim Film "Gleichgewicht" alle Drehorte im Saarland, und wir fanden überall vor Ort viel Unterstützung. In London gibt es zwar viele Möglichkeiten, doch muss man erst mal einen Weg finden, um zu ihnen zu gelangen. Viel mehr Menschen und eine größere Konkurrenz erschweren es, sich im Bereich Film und Musik durchzusetzen. Wenn man es zu den Möglichkeiten geschafft hat, braucht man auch noch Glück. Es ist also nie sicher, ob man es schafft, vor allem, wenn man es nicht probiert.
Sie sind Schauspieler und im Verein "2. Chance Saarland" engagiert. Nun bekommen sie große Anerkennung für Ihr Buch. Wie beschreiben Sie den Sprung zum Autor?
Im Grunde habe ich mit dem Schreiben angefangen. Die Schauspielerei und Jugendarbeit sind später dazu gekommen. Bereits mit sieben Jahren habe ich meine ersten Geschichten verfasst. Nun habe ich mich getraut, das Geschriebene öffentlich zu machen. Es ist schön zu sehen, dass ich meine kreative Ader in Form von einem Buch zum Ausdruck bringen konnte.
Sie haben sich dazu entschlossen, etwas was Sie bisher nur für sich gemacht haben, zu teilen. Teilen Sie damit Ihr Glück mit anderen Menschen?
So kann man es sagen. Ich habe das Buch geschrieben, um meine Großtante glücklich zu machen. Die Idee, es zu veröffentlichen, ist mir erst danach gekommen. Es freut mich, dass ich etwas geschrieben habe, was die Leute scheinbar unbeschwert lesen können. Ob man es letztlich mag oder nicht, ist mir nicht so wichtig. Das Buch ist geschrieben, und es wird nun seinen Weg zu den Menschen finden. Es ist wie mit einem Kind, das heranwächst. Es geht seinen eigenen Weg, und du musst es nach und nach loslassen.
Sie haben Ihre Chancen genutzt und Ängste liegen lassen, um etwas Neues zu versuchen. Wie haben Sie Ihre Ängste überwinden können?
Zu der Frage kann ich folgendes erzählen: Im September haben wir an der Schauspielschule "Acting & Arts Saarbrücken" einen zweiwöchigen Workshop gehabt. Es wurde viel über das Thema Loslassen gesprochen. Wir haben auch einen Dokumentarfilm geschaut, in dem es um Heldengeschichten ging, in denen beispielsweise gegen Drachen gekämpft wurde. Im Grunde ist der Drache die Personifikation menschlicher Ängste. Der Held, der den Drachen in der Geschichte besiegt, steht für den Menschen, der sich dazu entschieden hat, seine eigenen Ängste zu überwinden, um dann zu seinem Schatz zu gelangen.
Man sieht oft als Leser nur einen Teil der Geschichte. Die Geschichte selbst. Doch was dahinter steckt, wie oft der Autor während des Schreibens zu kämpfen hatte, sieht man nur selten. Ein Schauspieler und Künstler, den ich sehr schätze, hat folgendes zu diesem Thema gesagt: Träume sind das Resultat von Tausenden Chancen, Millionen Fehlversuchen und wenigen Erfolgen. Und genau so ist es auch. Man muss fallen und aufstehen, um den nächsten Schritt machen zu können und seinen Weg zu finden. Das alles ist Teil des kreativen Prozesses. Man schreibt 50 Geschichten, die vielleicht nicht gut sind. Doch dann kommt die 51. Geschichte. Sie ist dann "die Eine". Wer vorher bei Geschichte 42 aufhört, kommt gar nicht erst zur 51. Genau das meine ich damit, wenn ich sage: Man sollte seinen Weg gehen, und das frei von Erwartungen.
Wie steht es da mit der Enttäuschung?
Es ist kein einfacher Weg, Schauspieler zu werden, und Fehlschläge gehören dazu. Ich finde, dass man ein großes Durchhaltevermögen braucht, um seinen eigenen Weg zu gehen. Viele sagen schon nach drei Jahren Dinge wie "Ich habe keine Rollen bekommen, ich höre auf mit der Schauspielerei".
Für mich kommt dies nicht in Frage, da ich es liebe und lebe, ein Schauspieler zu sein. Deswegen freue ich mich sehr, dass ich im Sommer bei den "World Championships of Performing Arts" in Los Angeles für Deutschland im Schauspiel antreten darf.
Interview: Micha Teimouri
Buchtipp:
"Nichts ist alltäglich" von Benjamin Kelm, Taschenbuch: 9,95 Euro,
Verlag tredition
Zur Person:
Benjamin Kelm, geboren am 9. Juli 1987 in Neunkirchen, ist unter anderem Schauspieler der Kinderserie "Wissen macht Ah!" auf Kika und in der ARD.
Neben Theater- und Filmprojekten deutschlandweit hat er in London bereits einige Schauspielkurse besucht. Seit Anfang des Jahres ist Benjamin Kelm Gastdozent im Bereich Improvisationstheater bei "Acting & Arts Saarbrücken". Aktuell hat er den Film "Gleichgewicht" abgedreht und ist in der Improvisationsgruppe "sponTat" in Trier zu sehen.
Soziales Engagement zeigt Benjamin Kelm in seiner jahrelangen Tätigkeit für den Verein "2. Chance Saarland".