Schon die Dresdner Kurfürsten wussten, wie wichtig angemessene Kleidung ist. Ihre prunkvollen Gewänder und Waffen zeigen die Staatlichen Kunstsammlungen im Residenzschloss in verschiedenen Ausstellungen.
Die Haute Couture der fürstlichen Gesellschaft. Vornehm. Edel. Prachtvoll. Nicht auf dem Laufsteg und auch nicht in einer Gemäldegalerie zu bewundern, sondern feierlich wie bei einer fürstlichen Audienz, betritt der Besucher die vier Räume mit den luxuriösen fürstlichen Gewändern. Eine Augenweide kostbarster Stoffe wie Samt und Seide, feinster Stickereien, Spitzen und Posamenten von Gold und Silber. Die Mode war ein Hingucker, reich an Details, bunt und leuchtend. Aber nicht nur für die Damen, wie man vermuten würde. Besonders üppig schmückten sich die Männer. Sie trugen farbenfrohe Kleidung in zitronengelb oder altrosa, zeigten Bein und all ihre Reize, selbstbewusst auch eine sogenannte Schamkapsel.
Seit dem Zweiten Weltkrieg wurden die Kleidungsstücke im Dresdener Depot verwahrt. Jetzt, nach langjährigen umfangreichen Restaurierungen und Konservierungen, lassen sich die Prunkkleider im Original hinter Vitrinen und eigens angefertigten Figurinen in ihrer ganzen Pracht bestaunen: Herrscherkostüme, Kostümensembles, Anzüge mit Wams und Hose, Damenkleider, einzelne Obergewänder und Kinderkleider. Die Mode teilte früher die Stände auf. Der Hochadel, die Könige und Königinnen präsentierten mit der Mode ihre Macht, sie durften prunken mit Diamanten, durften leuchten, strahlen und schimmern.
Für die Restaurierung wurden Abbildungen aus aller Welt verglichen
Ganz anders als bei den Schaufensterpuppen in den Kaufhäusern, deren Kleider sich den Schaufiguren anzupassen haben und hinten schon mal mit Stecknadeln zusammengerafft werden, wird in der Ausstellung nicht das Kostüm der Figurine, sondern die Figurine dem Gewand angepasst. Bis die einzelnen Figuren entsprechend geformt waren und alles tadellos saß, nichts mehr klemmte oder wackelte, vergingen mehrere Wochen.
Schließlich sollte der Korpus nicht nur die Kleider zur Schau stellen, sondern als stabile Haltgeber die kostbaren und empfindlichen Stoffe vor Knicken und Brüchen schützen. Die heutigen Schaufensterpuppen waren für die historischen Prunkkleider viel zu groß, sodass behutsam deren Schnitt abgenommen wurde, um dann die Grundform herzustellen. Gewandmeisterin Christiane Pfannenberg und Kostümbildnerin Anja Ackermann verglichen dabei sorgsam und mit großer Behutsamkeit alte Abbildungen aus der ganzen Welt, bis sie sich der perfekten Form angenähert hatten. Sie vermuten, dass die Modeschöpfer schon vor Jahrhunderten "Meister der Illusion" waren, da sie es schon damals hervorragend verstanden, körperliche Defizite oder Problemzonen mit geschickten Schnittverläufen, gekonnten Stickereien oder allerlei Zierrat optimal zu kaschieren. Also nicht viel anders als heutzutage. Überhaupt kommt einem manches Prachtstück sehr bekannt vor, haben doch einige Renaissance-Kostüme mit den heutigen trendigen Destroyed Jeans einiges gemeinsam. Anfangs glaubte man, das Prunkkleid von Fürst Moritz sei defekt. Schlitze und Risse wurden geflickt und zugenäht, bis man später erkannte, dass die Hofschneider in den Gewändern offenbar absichtlich Risse vorsahen, ähnlich wie bei der Ripped Jeans von heute. Damals kein Modescherz, sondern durchdachte Funktion. Die Träger sollten sich so in ihren sonst oft engen Kleidern besser bewegen können. Außerdem symbolisierten die Einschnitte auf den Stoffen auch ihren Reichtum. Die Fürstenschar konnte nämlich gleich mehrere darunter liegende Stofflagen aus Samt und Seide zeigen, und nicht wie bei den Jeans die nackte Haut. Mode- und selbstbewusst stellte sie ihr Vermögen und ihren Stand zur Schau. Hinter den liebevoll gefertigten und ausgestatteten Vitrinen und hinter den perfekten Figurinen erscheinen die Fürsten und Fürstinnen mit ihrer maßgeschneiderten Garderobe beinahe lebensecht. Die sächsischen Fürsten wussten den Wert ihrer kostbaren Prunkgewänder und die ihrer Ehefrauen und Kinder zu schätzen, sie sammelten und bewahrten diese, genauso wie ihr Gold und Geschmeide. Ein Grund dafür, dass diese Gewänder nach fast 500 Jahren so gut erhalten sind.
Begründet wurde die Sammlung durch Kurfürst August von Sachsen, der die Kleider seines Bruders Moritz zum Andenken an den ersten albertinischen Kurfürsten zur dauerhaften Verwahrung bestimmte. Aus dessen Besitz ist ein Prunkgewand mit Puffärmeln und außergewöhnlich breiten Schultern erhalten. Gestreift in leuchtendem Gelb und Schwarz. Passend zu den sehr schlanken Beinen sind auch die Lederstrümpfe erhalten. Je machtvoller und wohlhabender die Fürsten waren, desto schwerer wog die Kleidung. Dass die Kurfürstin Magdalena Sibylla ein besonderes Faible für aktuellen Chic hatte, beweist ihr außergewöhnliches Prunkkleid mit Zitaten der venezianischen Mode. Entsprechend wurde die ganze Familie gekleidet. Kaum vier Jahre alt war ihr Sohn, Kurprinz Johann Georg II. von Sachsen, als er mit pfirsichfarbenen Puffhosen bekleidet auf großen Festen die fürstliche Welt erkundete. Später sollte er einmal Kurfürst von Sachsen werden.
Eine Bildstickerei am Radmantel zeigt das reiche Elbtal
Beeindruckend auch das orthopädische Stützpolster eines Kleides, das die Tochter der Kurfürstin trug. Sie litt an einer Rückgratverkrümmung. Bestes Beispiel für die Demonstration von Macht durch Mode in der Herrscherkleidung ist das sogenannte Landschaftskleid des Kurfürsten Johann Georg I. von Sachsen. Das modische Outfit mit Hemd und Kniehose, Hut und Mantel in feinster Stickerei war ein Weihnachtsgeschenk der Kurfürstin Witwe Sophie an ihren Sohn, verbunden mit der Botschaft zu seinem Regierungsantritt: "Hier hast Du dein Erbe, mach was draus, beschütze es, mehre es." Die Bildstickerei am kreisrunden Radmantel bildet das reiche Elbtal mit der Residenz Dresden und Meißen ab. So stand er mit dem Landschaftskleid quasi mittendrin in seinem Herrschaftsreich. Die Elbe schlängelt sich unter freiem Himmel an Wiesen und Äckern vorbei. Alltagsszenen zeigen Bäuerinnen beim Kühemelken, Schäfer mit Hunden und großen Herden, Jagdszenen mit Rot- und Schwarzwild. Fische im Wasser. Flöße, Lastkähne und Fischerboote schlängeln auf dem Flusslauf dahin. Um die Gewänder in dieser einzigartigen Schau ausstellen zu können, waren insgesamt 40 Fachkräfte, Restauratoren, Wissenschaftler, Museologen, Kostümkonservatoren und Fotografen beteiligt. Die Haute Couture der fürstlichen Mode ist in der internationalen Museumslandschaft ohne jeden Vergleich.
Christel Sperlich
Info
Residenzschloss Dresden
Taschenberg 2, 01067 Dresden, täglich 10 bis 18 Uhr, dienstags geschlossen?
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