Sebastian Hoofs lässt in seinem Atelier in Köln beeindruckende Vollmaß-Anzüge entstehen. Im Interview spricht er über die Entstehung eines solchen Anzugs, seinen persönlichen Stil, No-Gos und die aktuelle Anzugsmode.
Herr Hoofs, nach Ihren Lehrjahren haben Sie sich 2015 Ihren Traum vom eigenen Atelier erfüllt. Warum wollten Sie sich selbstständig machen?
Als Maßschneider kann man seinen eigenen Look und Stil zumeist nur umsetzen, wenn man sein eigenes Atelier hat. Das ist als Angestellter nicht möglich und ganz persönlich bin ich gern mein eigener Chef.
Was begeistert Sie an Anzügen generell und an Maßanzügen im Speziellen?
Der Anzug ist ein Kleidungsstück mit Tradition und ein gut sitzender Maßanzug macht aus fast jedem Mann einen Adonis. Wir können durch die richtige Passform eine Silhouette mit den optimalen Proportionen erzeugen. Problemzonen werden kaschiert, andere Stellen herausgearbeitet und ausgeglichen. Im Ergebnis steht ein Anzug, in dem man sich wohlfühlt und positiv wirkt. Außenstehende nehmen den Träger dadurch unterbewusst auch selbstbewusster und kompetenter wahr. Das zu erreichen macht einfach Spaß.
Worin liegt der Unterschied zum Anzug von der Stange?
Zum einen in der Verarbeitungsqualität. Ein Anzug von der Stange wird nie so hochwertig verarbeitet egal wie teuer er ist. Er wird meist unter schlechten Bedingungen produziert: schlechte Stoffe, geringe Löhne und Industrieschnitte. Wir wählen hochwertige Materialien aus, die zum Kunden passen und verarbeiten diese mit Blick auf Langlebigkeit.
Zum anderen ist es die Passform, die wir über einen individuellen Schnitt realisieren und über drei Anproben immer wieder kontrollieren und perfektionieren. Ein gut verständliches Beispiel ist das Armloch: Ein Sakko von der Stange muss möglichst vielen Personen passen, deshalb ist das Armloch sehr groß und sitzt damit sehr tief. Somit ist die optische Strecke zwischen Arm und Taille sehr kurz, der Körper wirkt gedrungener. Bei einer Anfertigung auf Vollmaß arbeitet man viel näher am Körper und hat so nicht nur einen optisch längeren Oberkörper, sondern kann über die zusätzliche Strecke noch eine Taillierung zaubern. So wirkt der Träger athletischer.
Viele Designer etwa Karl Lagerfeld, Harald Glööckler sind fasziniert von Frauenkörpern und davon, sie in Stoffe zu hüllen. Warum haben Sie sich dafür entschieden, vorwiegend Männer einzukleiden?
Maßschneider und Designer: Das sind zwei unterschiedliche Welten. Designer entwerfen und inszenieren es muss gut aussehen. Mein Ziel ist die Anfertigung eines soliden Kleidungsstücks, das lange hält, sauber gearbeitet ist und perfekt sitzt. Das Design ist auch bei uns wichtig, aber es hat einen ganz anderen Stellenwert. Unsere Anzüge entsprechen dem Zeitgeist, haben einen persönlichen Stil und passen vor allem zur Persönlichkeit des Kunden. Maßanzüge werten eher unterbewusst auf, als zu inszenieren. Und das passt sehr gut mit den Ansprüchen von Männern zusammen, die einen guten langlebigen Begleiter durch den Alltag suchen. Sie müssen als Person wirken und der Anzug hilft dabei.
Fertigen Sie dennoch ab und zu etwas für Frauen an?
Ja klar, aber auch hier liegt der Fokus auf hochwertig und nachhaltig. Wir schneidern meist schlichte Etuikleider und Damen-Business-Mode. Diese verarbeiten wir auch wie bei den Herren mit dem Fokus auf Langlebigkeit ohne Schnörkel und trotzdem sehr weiblich.
Wie ist der Ablauf, wenn Mann entscheidet, sich von Ihnen eine Kombination auf den Leib schneidern zu lassen wie viele Anproben gibt es, wie viele verschiedene Stoffe stehen zur Auswahl und gibt es
eine typgerechte Beratung?
Der Kunde vereinbart einen Termin mit uns. Dann nehmen wir uns ein bis zwei Stunden Zeit, um den Kunden kennenzulernen und eine typgerechte Beratung durchzuführen. Mit diesem Wissen wählen wir zusammen einen passenden Ober- und Futterstoff aus unserer Auswahl von über 5.000 Stoffen aus. Zum Abschluss vermessen wir den Kunden und vereinbaren einen Folgetermin für die nächste Woche. Bis dahin erstellen wir den persönlichen Schnitt und nähen das Probeteil aus einer Rohbaumwolle.
Beim zweiten Termin überprüfen wir den Schnitt am Kunden und legen mithilfe des Probemodels die Details wie Taschenlage, Reversform und so weiter fest. Auf Basis des angepassten Schnitts bestellen wir den Ober- und Futterstoff für den Kunden und beginnen mit der Anfertigung.
Ob der Schnitt auch mit dem richtigen Stoff genauso fällt, überprüfen wir beim Folgetermin in der ersten Anprobe. Am Kunden bestimmen wir dann auch den perfekten Sitz für den Ärmel und bestimmen die letzten Details wie etwa die Knöpfe am Sakko.
Sakko, Hose und Weste werden jetzt von uns so gut wie fertiggestellt. Wir treffen uns noch einmal, um die finale Passform zu kontrollieren und die Länge von Hose und Ärmel abzunehmen. Ist alles in Ordnung, dann werden die Knopflöcher von Hand gestochen und der Anzug ist fertig. Stimmt etwas nicht, dann trennen wir im Zweifelsfall noch mal alles auf und korrigieren den Anzug. Das passiert zum Glück aber nur sehr selten.
Wie viele Stunden Handarbeit stecken etwa in einem Anzug?
Das sind etwa 80 bis 100 Stunden Handarbeit und Schnittkonstruktion.
Was zeichnet einen Hoofs-Anzug aus? Wie würden Sie Ihren Stil beschreiben gibt es zum Beispiel charakteristische Details?
Der Rücken ist tailliert und die Schultern konstruiert das gibt eine schöne V-Form. Wir orientieren uns am französischen Stil mit ausgearbeiteter Armkugel und fertigen in der Regel Einreiher mit markanter Spitzfasson. Vorausgesetzt, es passt zum Kunden. Einen Maßanzug aus unserem Atelier erkennen Sie auch recht sicher an zwei Besonderheiten: einer schrägen Knopfleiste am Ärmel und dem Milanese Knopfloch am Revers. Das macht so kein anderer Maßschneider in Deutschland.
Lassen Sie sich von klassischen Anzugmodellen und Stoffen in gediegenen Farben inspirieren oder von Trends, originellen Mustern und auch mal knalligen Tönen?
Für mich selbst darf es auch mal etwas Besonderes sein. Für die meisten unserer Kunden geht es aber darum, seriös und kompetent wahrgenommen zu werden. Wir wählen deshalb klassische und qualitativ hochwertige Stoffe, die sich mit einem dezenten Muster aber auch klar von der Stangen-Ware abgrenzen. Für besondere Kunden, wie zum Beispiel einen Kölner Zauberer, greifen wir dann natürlich auch zu besonderen Stoffen und machen den Anzug zum Hingucker.
Woher beziehen Sie Ihre Stoffe? Mit welchen Materialien arbeiten Sie am liebsten?
Unsere Stoffe beziehen wir direkt von den Webereien meist aus England. Ich verarbeite ausschließlich Naturprodukte aus Wolle und am liebsten von Dormeuil.
Was meinen Sie: Stehen Anzüge jedem Mann?
Absolut und ohne Zweifel nur nicht jedem Mann steht jeder Anzug.
Gibt es No-Gos beim Anzug zum Beispiel farbige Socken, die sichtbar werden, wenn Mann sich setzt und das Hosenbein etwas nach oben rutscht?
Schlecht sitzende Anzüge. So macht man sich eher zum Clown als mit farbigen Socken. Wichtig ist, dass das Erscheinungsbild zum Anlass passt. Im Büroalltag wirkt auch der schickste Frack deplatziert. Ansonsten ist heutzutage in der Mode alles erlaubt und das finde ich auch gut so. Ich bin kein Freund von starren Regeln.
Wie erklären Sie sich die gestiegene Nachfrage von Maßarbeiten im Modebereich in den letzten Jahren?
Ich glaube, die Leute sind es leid, als Klone der großen Marken durch die Gegend zu laufen. Sie wollen individuelle Kleidung tragen. Zusätzlich spielt der Nachhaltigkeitsgedanke auch eine Rolle, aber im Kern geht es meiner Meinung nach um ein ganzheitlich positives Einkaufserlebnis nach einer langen und frustrierenden Suche im Kaufhaus. Das finden Sie beim Maßschneider und haben ein Kleidungsstück, das passt und lange Freude macht.
Erinnern Sie sich noch an den ersten Anzug, den Sie geschneidert haben?
Es war ein Anzug für mich selbst.
Welche Kleidung tragen Sie privat am liebsten? Selbstentworfenes oder auch Kleider von der Stange?
Ganz klar: Selbstgenähtes.
Haben Sie einen Lieblings(maß)anzug? Welcher ist es und warum?
Aktuell ist es der blaue Kreidestreifen-Anzug, mit dem wir im Oktober in Kiel beim Bundeskongress der Maßschneider Silber gewonnen haben. Er ist modern in der Silhouette und verfügt gleichzeitig über schöne individuelle Details, wie einen breiten Bund und ein sehr breites Revers aus vergangener Zeit.
Soll es ganz bei der Maßarbeit bleiben oder planen Sie Kollektionen und Accessoires wie Krawatten und Schirme zu entwerfen, die man nach kurzem Blick in den Spiegel gleich mit nach Hause nehmen kann und die dann auch in anderen Geschäften angeboten werden?
Nein. Ich könnte mir eher vorstellen, mit anderen guten "Handwerkern" zusammenzuarbeiten und ihre Produkte meinen Kunden zu empfehlen.
Welche Farben, Muster und Schnitte sind bei Anzügen aktuell angesagt?
Im Trend sind sehr kurz geschnittene Sakkos mit ganz schmalen Revers. Aber ich bevorzuge eher zeitlose Modelle, die auch noch in einigen Jahren tragbar sind.
Welche sind die schönsten Komplimente, die Sie für Ihre Anzüge oder Mäntel bekommen haben?
Ein sehr vornehmer, zurückhaltender Kunde mit einer schwierigen Figur betrachtete sein fertiges Sakko im Spiegel. Er guckte kritisch und ihm entfleuchte ganz leise: "Oberaffengeil! Das sitzt perfekt!" Diese völlig unerwarteten Momente der Dankbarkeit und Wertschätzung für die geleistete Arbeit sind die besten Komplimente. Egal, wie sie ausgedrückt werden.
Woran arbeiten Sie momentan?
Neben einigen Maßanzügen gibt es besonderes Projekt: ein Hochzeitsanzug im Marlene-Dietrich-Stil für eine Dame, die ihre Freundin heiratet.
Interview: Kristina Scherer-Siegwarth
Info:
Maßatelier Sebastian Hoofs
Pützlachstraße 14
51061 Köln
Telefon 0221 - 67770975
sh@sebastian-hoofs.de
www.sebastian-hoofs.de
STIL
© 2016 Sebastian Hoofs Maßschneider
Kleidungsstücke mit Tradition: "Ein Maßanzug macht aus einem Mann einen Adonis"
MEHR AUS DIESEM RESSORT
„Wichtig ist, dass es Spaß macht“
Auf Tiktok und Instagram unterhält Laura Simon mittlerweile üb ...
04.10.2024
Stilberater
TrendsDie D ...
04.10.2024
Windige Mode
Ob in der Filmgeschichte, auf der Bühne oder in der Modewelt, ...
27.09.2024
Stilberater
TrendsAuf d ...
27.09.2024
„Am beliebtesten sind echte Momente“
Schauspielerin, Sängerin und Influencerin Alexandra Fonsatti a ...
20.09.2024
Stilberater
TrendsWeste ...
20.09.2024
Nachhaltige Fashion Week loading …
Die Berliner Modewoche soll in Zukunft nachhaltiger werden, so ...
13.09.2024
Stilberater
TrendsUltim ...
13.09.2024