Immer wieder sterben Kinder oder Hunde, weil sie im Hochsommer im Auto warten müssen. Warum ist das so und wie verhält man sich richtig? Die wichtigsten Fragen und Antworten.
Es passiert im fernen Florida, in Rotterdam und im vergangenen Jahr auch in Deutschland: Immer wieder sterben Kinder, weil ihre Eltern sie im Hochsommer im Auto zurücklassen. Noch öfter trifft es Hunde, zuletzt etwa in Zwickau oder in Krefeld, wo die Tiere trotz des Eingreifens von Passanten nicht überlebten. Wieso sind Autos im Sommer so gefährlich und wie sollten sich Eltern, Hundehalter und Zeugen am besten verhalten? Die wichtigsten Fakten im Überblick.
Wie schnell erwärmt sich ein Auto?
Ein Team um den Wissenschaftler Andrew Grundstein von der University of Georgia hat untersucht, wie schnell sich ein Auto erwärmt. In der Studie aus dem Jahr 2010 zeigt eine Tabelle, dass schon bei Außentemperaturen von 20 Grad Celsius die Innentemperatur nach einer halben Stunde auf 36 Grad steigt. Bei Außentemperaturen von 30 Grad wurden nach einer halben Stunde 46 Grad im Auto gemessen, nach einer Stunde sogar 56 Grad. „Natürlich beeinflussen Faktoren wie direkte Sonneneinstrahlung, Tageszeit, Bewölkung und Luftzirkulation die tatsächlichen Temperaturveränderungen“, schreiben die Forschenden. Klar ist aber: Selbst Erwachsenen drohen bei solcher Hitze Gesundheitsschäden.
Warum ist es so gefährlich, Kinder im Auto zu parken?
„Je kleiner ein Kind, desto schlechter funktioniert die Temperaturregulation“, sagt Tanja Brunnert, Kinder- und Jugendärztin aus Göttingen. Das Verhältnis von Körperoberfläche zu Körpervolumen sei ein ganz anderes als bei Erwachsenen. Gerade in jungem Alter könne der Körper noch keine Verdunstungskälte produzieren. „Bei Hitze weiten sich die Gefäße“, sagt Brunnert. „Die Durchblutung der inneren Organe verschlechtert sich. Da kommt es schnell zu lebensgefährlichen Situationen.“ Je nach Umgebungstemperatur könne schon nach einer halben Stunde der Tod eintreten. „Bei Neugeborenen ist den meisten Eltern bewusst, wie empfindlich sie sind“, sagt die Medizinerin. Bei Kleinkindern sei das nicht immer der Fall. „Ich sehe in der Praxis regelmäßig Kinder mit Sonnenbrand.“
Wie verhindere ich, dass ich mein Kind im Auto vergesse?
Manche Autos zeigen eine Erinnerung im Tacho an, sobald man aussteigt („Nichts vergessen?“). Es gibt auch schon Technologien, die Alarm schlagen, wenn ein Kind auf dem Rücksitz vergessen wurde – etwa ein System vom Autozulieferer Continental, das Atemfrequenzen von Kindern und Erwachsenen unterscheiden kann. Bestimmte Kindersitze sind mit Alarmvorrichtungen erhältlich, die im Ernstfall eine Nachricht aufs Handy der Eltern schicken. In Italien sind solche Systeme laut ADAC sogar verpflichtend. Wer sich nicht daran hält, muss mit hohen Geldstrafen rechnen; im Wiederholungsfall droht sogar ein Fahrverbot. Allerdings gilt die Regelung nur für in Italien zugelassene Fahrzeuge. Urlauber müssen die speziellen Sitze also zunächst nicht nutzen – es sei denn, sie fahren einen italienischen Mietwagen.
Darf ich mein Kind während einer kurzen „Pipi-Pause“ im Auto lassen?
Eine klare gesetzliche Regelung gibt es dazu nicht. „Eine kurze Pause kann schon okay sein“, sagt Ines Kilian, Fachanwältin für Strafrecht. „Andererseits kann Ihnen dabei auch selbst schwindelig werden. Und dann sitzt Ihr Kind hilflos im Auto.“ Schon deshalb rät Kilian, Kinder grundsätzlich mitzunehmen. Wenn man alleine reist und es gar nicht anders geht, könne man auch auf dem Parkplatz eine fremde Person fragen, ob sie kurz am Auto bleibt, um ein Auge auf den Nachwuchs zu werfen.
Nützt es, das Fenster zu öffnen?
Nein. Der ADAC hat dazu schon 2017 einen Versuch mit drei Autos durchgeführt, die bei 28 Grad Außentemperatur abgestellt wurden. Beim ersten Fahrzeug waren die Fenster komplett geschlossen, beim zweiten fünf Zentimeter geöffnet, beim dritten waren zwei Fenster einen Spalt weit auf. „In allen Fällen stiegen die Temperaturen im Wageninneren schon nach 30 Minuten auf etwa 50 Grad“, schreibt der ADAC. Nach einer Stunde lagen die Werte bereits bei rund 57 Grad. „Deshalb gilt: Niemals Kinder oder Tiere allein im Fahrzeug zurücklassen“, mahnt der Autoclub.
Wie sinnvoll ist eine Standklimatisierung?
Manche E-Autos verfügen über Klimaanlagen, die nach dem Parken weiterlaufen. Dadurch soll die Temperatur im Innenraum gehalten werden (zum Beispiel der sogenannte „Hundemodus“ bei Tesla). Weil aber auch diese Systeme versagen können, sollte man sich nicht darauf verlassen.
Welche Strafen drohen Eltern, die ihre Kinder durch Überhitzung gefährden?
Fachanwältin Kilian zählt gleich mehrere Straftatbestände auf, die infrage kommen: fahrlässige Körperverletzung, böswillige Vernachlässigung, Misshandlung von Schutzbefohlenen. „Das ist ein Verbrechenstatbestand“, sagt Kilian. „Bei einer Gefährdung des Kindes wird dieser mit einer Freiheitsstrafe von nicht unter einem Jahr geahndet.“ Stirbt das Kind infolge der Hitze, könne es sogar zu einer Anklage wegen fahrlässiger Tötung kommen.
Was ist mit Hunden?
„Hitze staut sich in einem Hundekörper noch viel mehr als bei Menschen“, sagt Ursula von Einem vom Bundesverband praktizierender Tierärzte (bpt). Schon nach wenigen Minuten könne es daher passieren, dass ein Hund kollabiert. „Auch Kühldecken und andere Hilfsmittel bringen eher wenig, wenn er nicht direkt darauf liegt“, warnt von Einem. Ihr wichtigster Tipp, genau wie bei Kindern: Die Tiere gar nicht erst im Auto parken. Der Tierschutzverband Tasso hat die Kampagne „Hund im Backofen“ ins Leben gerufen. Wer Interesse hat, kann über die Tasso-Homepage bis zu fünf Aufkleber kostenlos bestellen, die auf die Gefahr hinweisen.
Darf ich die Scheibe einschlagen, um ein Kind oder einen Hund aus der Hitzefalle zu befreien?
Rechtsanwältin Ines Kilian empfiehlt, zuerst nach dem Fahrzeughalter Ausschau zu halten und die Polizei zu rufen. Wenn sich die Lage zuspitzt, könne man im Notfall auch die Scheibe einschlagen. „Das kommt aber immer auf den Einzelfall an“, sagt Kilian. Um hinterher nicht wegen Sachbeschädigung belangt zu werden, sei es sinnvoll, sich vor Ort die Kontaktdaten von Zeugen zu notieren. Gar nichts zu tun, wenn ein Kind oder ein Tier leidet, kann ebenfalls rechtliche Folgen haben – dann macht man sich unter Umständen der unterlassenen Hilfeleistung schuldig.
Wie kann ich verhindern, dass sich das Auto während der Fahrt aufheizt?
Der ADAC rät, die Mittagshitze zu meiden und längere Fahrten auf die Morgen- oder Abendstunden zu legen. Vorm Losfahren solle man das Auto gut lüften, Glasdächer verschatten und Seitenscheiben mit Sonnenrollos abdichten. Ebenfalls wichtig: Für alle zwei- und vierbeinigen Passagiere stets genügend Wasser bereithalten.