Menschen mit ausländischem Namen, Hartz-IV-Bezieher oder schwule Paare: Manche haben es noch schwerer als andere, in Berlin eine Wohnung zu finden. Doch die Fachstelle gegen Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt möchte das ändern.
Ein Berliner schickt eine Bewerbung für eine Wohnung ab, mit allem Drum und Dran. Mit Personalausweiskopie, Gehaltsnachweis, Schufa-Auskunft, Mietschuldenfreiheitsbescheinigung – und der Bitte um einen Besichtigungstermin für mehrere Wohnungen in einem im Bau befindlichen Mietshaus. Antwort: „Leider müssen wir Ihnen mitteilen, dass wir keine Termine mehr vergeben können.“ Eine zweite Bewerbung für dieselbe Wohnung, einen Tag nach dieser Rückmeldung, besteht nur aus einem Anschreiben und der Bitte um einen Termin. Die Reaktion diesmal: „Gerne können wir uns am Soundsovielten für eine Besichtigung treffen.“ Der Unterschied: Die abschlägig befundene Anfrage kam von einem Mann mit ausländisch klingendem Namen und dunkler Hautfarbe. Die zweite von seiner Noch-Gattin – hellhäutig und mit ganz normalem deutschen Namen.
„Doch, das ist ein realer Fall hier aus Berlin“, bestätigt Remzi Uyguner. Er arbeitet für die von Urban Plus und dem Türkischen Bund in Berlin-Brandenburg (TBB) getragene Berliner Fachstelle gegen Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt, Fair mieten – Fair wohnen. Gemeinsam mit einer Kollegin berät er Menschen, die auf dem Wohnungsmarkt Nachteile erleben. „Zu den Gründen einer Nicht-Gleichbehandlung gehören neben der zugeschriebenen Herkunft auch Sprache, Religion, Geschlechteridentität und sexuelle Orientierung“, erklärt er, „ebenso die Diskriminierung wegen einer Behinderung oder des Alters.“ Die ganze Palette also, die im Allgemeinen Gleichstellungsgesetzt (AGG) festgeschrieben ist.
Warum jemand gerade beim aktuell extrem engen Wohnungsmarkt abgelehnt wurde, lässt sich natürlich oft nicht so einfach festmachen. Dennoch, es gibt in der Praxis überraschend viele Anhaltspunkte, so Uyguner. Wenn eine Immobiliengesellschaft sagt, sie arbeite nicht mit dem Jobcenter zusammen, dann ist klar, dass sie keine Hartz-IV-Empfänger haben will. Ein Verstoß gegen die Gleichbehandlung aufgrund des sozialen Status. Oder schimpft ein Nachbar – auch das gehört zum Wohnen – auf den „Kanaken-Türken“, der den Müll angeblich falsch entsorgt, schrillen ebenfalls zu Recht die Alarmglocken. Was dann folgt, ist im Fall des tobenden Nachbarn die Vermittlung an eine Mediation. Im Falle des Vermieters, egal, ob Privatperson, Wohnungsbaugesellschaft oder Immobilienunternehmen, würde die Fachstelle eine Diskriminierungsbeschwerde verfassen mit dem Tenor „Das war nicht gut – bitte überdenken Sie Ihr Verhalten nochmals.“ Im Konfliktfall steht dem Ratsuchenden auch der Weg zum Gericht frei. Allerdings ohne Aussicht auf die begehrte Wohnung, denn die wird bis zu einer Entscheidung längst vergeben sein. Eine Entschädigung ist da eher ein Trostpreis.
„Wir sind aber auch keine Wohnungsvermittlung“, stellt Dr. Christiane Droste klar. Sie ist geschäftsführende Eigentümerin von Urban Plus, Koordinatorin der Fachstelle und gehört zum Team derer, die sich um Strategie, Vernetzung, Dokumentation oder Weiterbildung kümmern. Für die Unterstützung bei der tatsächlichen Vermittlung gibt es Partner des Projekts wie den Berliner Mieterverein, erklärt sie. Oder auch diverse weitere Anlaufstellen, wenn jemand womöglich andere Probleme hat als Diskriminierung. „Uns ist auf der strategischen ebenso wie auf der beratenden Ebene wichtig, für die Prinzipien des Gleichbehandlungsgesetzes zu sensibilisieren“, erklärt sie. Die Kultur fairen Vermietens und der Dialog sollen gestärkt werden, und das durch Vernetzung aller Parteien: Antidiskriminierungsberatung, Interessenvertreterinnen der durch das AGG geschützten Betroffenengruppen, Mieter, Vermieter und aus der Politik. Denn auch politischer Wille ist für den sensiblen Umgang miteinander nötig, wenn vor der Tür einer einzigen Wohnung zig Leute stehen. Die Betroffenen zu beraten und gleichzeitig Ansprechpartner für die Vermieter sein: das kann schon einer Gratwanderung gleichen. Vor allem, wenn man bewusst die Perspektive der Diskriminierten einnimmt. „Im Unterschied zu reinen Interessensverbänden nehmen wir aber nicht die oft einseitige Perspektive ‚wir gegen die‘ ein, sondern es geht um konkret nachweisbare einzelne Fälle, bei denen etwas schiefgelaufen ist und zu denen wir um Stellungnahme bitten“, so Droste. Auch wissenschaftliche „Testings“ gibt es: Bei denen wird eine einzige Variable einer Bewerbung abgeändert – ausländischer Namen, Hartz IV, schwules Paar – um die Reaktion auf Bewerber zu beurteilen.
Dass die Berliner Fachstelle die erste bundesweit ist, die das Allgemeine Gleichstellungsgesetz direkt mit der Wohnraumthematik verschränkt, macht die Arbeit nicht einfacher. Das AGG gibt es seit 2006, es ist also noch recht jung und noch nicht so verankert. Noch gibt es auch nicht so viele Fälle, bei denen vor Gericht nach dem Gesetz entschieden wurde. Auch Anwälte und Richter gehören daher zum Kreis derer, die vom Wissen der Fachstelle profitieren. Im Fall der Vermieter kann dieses Wissen einen unerwünschten Nebeneffekt haben. Die einen nehmen wirklich im Sinne der Gleichstellung an Schulungen teil, auch große Wohnungsunternehmen, städtische und private. Andere hingegen ziehen den gegenteiligen Schluss: Sie weisen ihr Personal an, vorsichtig zu formulieren, um sich nicht angreifbar zu machen. Eine Art unfreiwillige „Mitberatung“ nennt Droste das – ein Rezept dagegen gibt es nicht.
„Umso wichtiger ist es, der Politik Handlungsbedarf aufzuzeigen,“ folgert sie. Auch was die städtischen Wohnungsunternehmen betrifft. Die haben Auflagen wie das „geschützte Marktsegment“ – eine Vereinbarung, nach der einige Unternehmen Raum für Wohnungslose zur Verfügung stellen. Wer wohnt wo? Welche Gruppen werden in welchem Verhältnis bedient?
Breite Wirkung eher langfristig fassbar
Prinzipiell läuft das Zusammenspiel mit der Politik sehr gut, war doch die Einrichtung der Fachstelle vor einem Jahr auch eine politische Entscheidung des rot-rot-grünen Senats in Berlin. So sitzen beim runden Tisch „Alternativen zur öffentlichen Unterbringung geflüchteter Menschen“ Staatssekretäre von gleich drei Senatsverwaltungen mit dabei. Und zwar zusammen mit Vertretern der städtischen Wohnungsbaugesellschaften, der privaten Wohnungswirtschaft, von Hilfs- und Freiwilligenorganisationen, NGOs und Verbänden sowie den zuständigen Stellen auf Bezirks- und Senatsebene. Auch mit Wohlfahrtsverbänden wie Awo oder dem Paritätischem gibt es eine enge Vernetzung, gemeinsam will man auf Missstände hinweisen. Auf etwa zehn Veranstaltungen pro Jahr treffen sich Fachleute aus allen Bereichen, bei denen es um das Thema Wohnen und Gleichbehandlung geht.
Wie aber hilft „Fair mieten – Fair wohnen“ dem Einzelnen, der sich abwertend behandelt fühlt? „Das Recht auf Wohnung ist nun mal nicht einklagbar“, erklärt Remzi Uyguner vom TBB. „Aber wir hören den Menschen zu, nehmen die Perspektive des Diskriminierten ein und geben auch Tipps, um sie zu stärken und ihre Interessen zu vertreten.“ Die meisten gingen mit einem guten Gefühl aus der Beratung. „Der Gewinn in Sachen Wohnraum-Zugang ist eher langfristig fassbar“, ergänzt Christiane Droste. Die gemeldeten Fälle werden aufgenommen und zeigen allmählich Wirkung.
Auch wenn das Thema noch ziemlich neu ist – die Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt ist nicht mehr ganz so unsichtbar wie zuvor, es geht voran. Manchmal sogar mit spontanem Happy End. Im eingangs genannten Fall konnte die Fachstelle der Vermieterin klarmachen, dass die Ablehnung des Wohnungsbewerbers eine Diskriminierung ist. Der zunächst abgelehnte Interessent bekam die Wohnung letztlich doch.