Julian Kräuter aus Schwalbach erreichte mit seinem Schreiner-Meisterwerk den ersten Platz im Kreativwettbewerb, den der Förderkreis der Saarländischen Meister- und Technikerschule und die Schreinerinnung des Saarlandes ausgerichtet haben.
Geschwungen und gerade. Hell und Dunkel. Yin und Yang. Dieses Sideboard bedarf keiner Füße, es schwebt an der Wand. Heimische Esche begegnet südosteuropäischem Makassar-Ebenholz – Kontraste in beeindruckendem Duett. Julian Kräuter wollte ein Sideboard mit Funktion bauen. Alles, was zum Schallplattenhören nötig ist, Plattenspieler, Verstärker und natürlich die Plattensammlung, sollte Platz finden. Aus dem einfachen Vorsatz entwickelte er ein höchst anspruchsvolles Projekt – sein Meisterstück.
Der selbstgesetzte Anspruch: „Mich und das Holz an die Grenze bringen." Was ihm bald „schlaflose Wochen – Nächte wären untertrieben" beschert. Der 22-Jährige gibt nicht auf. Er ist ehrgeizig. Woher hat er das? Er erzählt vom Vater, dem Bäckermeister, und dem Bruder, der Schreiner ist. Er wollte nicht hintanstehen, sondern zeigen, dass er es auch kann. Ansporn und auch Rückenwind kommen aus der Familie. „Ohne den hätt ich’s nicht gepackt", sagt er über den ältesten Bruder Daniel, der schon viele Jahre als Schreiner arbeitet.
Julian Kräuter stemmte gleichzeitig Beruf, Abendschule und das Projekt Meisterstück und war damit in besonderer Weise gefordert. Die Saarländische Meister- und Technikerausbildung lässt sich in Teil- oder Vollzeit absolvieren. Julian Kräuter hat sie noch gar nicht beendet – der angehende Meister werkelt noch am Meistertitel.
Als Überflieger kann man ihn schon heute betrachten. Als einen, der früh weiß, was er will. Als einen, der Ziele anzusteuern vermag.
Handwerkliches interessiert ihn früh, noch vor dem schulischen Praktikum schaut er sich als Ferienjobber in der Schreinerei Raphael Haas um. Nachdem er die Mittlere Reife 2012 ablegt, beginnt er in der Schreinerei in Elm folgerichtig seine Ausbildung, die er 2015 als Jahrgangsbester im Saarland beendet. Weiter geht es mit der Saarländischen Meister- und Technikerschule, die Ausbildung findet er „richtig gut". Bei speziellen Themen jedoch wünschte er sich mehr Unterricht. Beispielsweise habe das Thema Zentralperspektive die angehenden Jungmeister gefordert und hätte demnach mehr Zeit erfordert.
„Mich und das Holz an die Grenze bringen"

Von Raphael Haas, seinem Chef, fühlt sich Julian Kräuter unterstützt. Er hat als stellvertretender Landesinnungsmeister der Schreiner Saar im Wirtschaftsverband dank seiner Kontakte auch einmal geholfen, um auf kurzem Wege eine Schwierigkeit in Sachen Fachpraxis und Dozentenmangel beiseitezuräumen – das Saarland und seine Stärke.
Die Stärken des Landes zu präsentieren ist auch das Ziel des Fördervereins der Meister- und Technikeraus- und -fortbildung im saarländischen Handwerk. Der Verein ist maßgeblich beteiligt an der Ausstellung der Meisterwerke des Schreinermeister-Jahrgangs in der Sparkasse Saarbrücken. Dass das diesjährige Niveau hoch war – 18 Meisterwerke waren zu sichten – bestätigte Michael Peter, Geschäftsführer des Wirtschaftsverbandes Holz und Kunststoff Saar. Es lässt sich auch daran ablesen, dass eine Belobigung ausgesprochen wurde, die sich an Joel Krieger aus Traben-Trarbach für seinen Couchtisch richtete. Die Dritt- und Zweitplatzierten des Kreativwettbewerbs haben ebenso ihre Fähigkeit, Originelles gestalten zu können, unter Beweis gestellt. Sebastian Marx aus Ruppertsweiler erhielt für seinen Garderobenschrank den dritten und Simon Oberbilliger aus Riol mit seinem Hängesideboard den zweiten Platz.
Die ungewöhnliche Formensprache des Meisterstücks von Julian Kräuter spricht direkt an. Auf die Frage nach seiner Inspiration sagt Kräuter, dass er sich im Internet umschaue und Schreinern, die Individuelles bauen, folge. Aber wer sich auf der Webseite der Schreinerei Raphael Haas umsieht, der erkennt: Geschwungenes, Gebogenes und Individuelles. Er kam also früh in Kontakt mit Möbelstücken, die originell sein dürfen.
Über Holz, seinen Werkstoff, spricht er wie über ein lebendiges Wesen: „Das Holz ist an einem Tag anders als am anderen, der Werkstoff ist warm, manchmal störrisch." Man sagt ja: Holz lebt. Wer Julian Kräuter lauscht, wird daran erinnert. Streicht man mit der flachen Hand langsam die Wellen seines Sideboards entlang, kann man es fühlen. Holz wird zum sinnlichen Erlebnis.
Handwerklich etwas zu können, ist das eine, die Einstellung das andere. „Es gefällt mir einfach, wenn ein Möbel entsteht, wenn man dann später sieht: Das hab ich gebaut. Es ist gut geworden. Ist der Kunde zufrieden, fällt einem ein Stein vom Herzen." Ein Handwerk kann man lernen, eine Haltung nicht.
„Es hat schon Spaß gemacht"
Die Meisterprüfung befähigt zur Selbstständigkeit, aber derzeit mag sich Julian Kräuter nichts dergleichen vorstellen. Sein Vater erinnert ihn schon mal, dass selbstständig von selbst und ständig komme. Noch glaubt Julian Kräuter „nicht aus diesem Holz geschnitzt zu sein", wie er es ausdrückt. Aber als Überflieger – als den er sich selbst nicht bezeichnen würde, dazu ist er zu bescheiden – hat er noch Zeit, darüber nachzudenken.
Über 400 Stunden Arbeit stecken alles in allem in seinem Meisterstück, wenn Julian Kräuter das Erlernen des Auto-CAD-Programmes, das Anfertigen der normgerechten Genehmigungszeichnung und die Erstellung der 3D-Zeichnung hinzu zählt. Dass er sein Meisterstück nicht zum Kauf anbieten wird, scheint klar.
Wenn aber ein Kunde danach fragen würde? Ungläubig fragt er: „Das Stück noch einmal bauen?" Er überlegt. „Es hat schon Spaß gemacht. Käme auf die Summe an." Er lächelt und meint: „Aber ich würde es ein bisschen abwandeln, damit es nicht so ist wie meins."
Die Autorin bildete gemeinsam mit Anja Wagner-Scheid vom saarländischen Ministerium für Bildung und Kultur und der Innenarchitektin Sabine Waschbüsch die Jury des Kreativpreises der Schreiner-Meisterwerke 2017/18.