Die Behandlungen mit Olaplex, mit denen sich strapaziertes oder geschädigtes Haar vermeintlich wieder schön und gesund restaurieren lässt, haben wie eine Bombe im Beauty-Markt eingeschlagen. Nur wenige kritische Stimmen haben sich bislang in den Hype gemischt.
Innerhalb kürzester Zeit galt es als Wundermittel, mit dessen Hilfe selbst durch häufiges Kolorieren stark strapaziertes, brüchiges Haar wieder seidig-glänzend, weich-geschmeidig und rundum gesund werden konnte ‒ und noch dazu ohne bedenkliche Inhaltsstoffe wie Silikone oder Sulfate. Das in Kalifornien entwickelte Olaplex löste weltweit unter Star-Friseuren, Instagram-Beautys oder Promi-Bloggerinnen einen wahren Hype aus. Die zahllosen im Web publizierten Vorher-Nachher-Bilder schienen die Wirksamkeit der Revolution in der Haarpflege und -erneuerung eindeutig zu belegen.
Niemand hätte es für möglich gehalten, dass die Mähnen von Diven wie Kim Kardashian oder Emma Stone ein extremes Umfärben innerhalb kürzester Zeit von Schwarz auf Platinblond bei der It-Lady oder von Kastanienbraun auf Platinblond bei der Oscar-Preisträgerin schadlos überstehen könnten. Doch dank Olaplex war das offenbar kein Problem mehr. Als sich schließlich Tracey Cunningham, der Kolorations-Guru der weiblichen Celebrities, selbst zur internationalen Fürsprecherin des neuen Produktes gekürt hatte, gab es für die Star-Riege um Jennifer Lopez, Cate Blanchett oder Jennifer Lawrence kein Halten mehr. Sie alle mussten auf der Stelle Olaplex ausprobieren. Und mit ihnen die weltweite Fan-Community. In Deutschland feierte Olaplex 2015 seinen viel umjubelten, sehnsüchtig erwarteten Einzug in die Promi-Coiffeur-Salons. Was Star-Friseur Olaf Lippert in München oder sein ebenso bekannter Kollege Shan Rahimkhan ihren anspruchsvollen Kundinnen auf die Haare applizierten, konnte schließlich nur first class sein.
Nur wenig über Rezeptur bekannt
Logisch, dass bald auch schon die meisten anderen Friseure der Republik, die etwas auf sich halten, das neue Produkt in ihr Dienstleistungspaket aufgenommen hatten. Schließlich war der Druck durch die Medien, die in Windeseile durchweg begeistert über die Innovation berichtet hatten, riesig groß. Wer nicht mitmachte, lief Gefahr, wichtige Klientinnen an die Konkurrenz zu verlieren. Und natürlich sahen sich auch nationale wie internationale Big-Hair-Player wie L’Oréal, Wella oder Schwarzkopf veranlasst, vergleichbare Produkte auf den boomenden Markt der neuen Plex-Treatments zu bringen. Selbst der Drogeriekonzern dm sprang auf den Trendzug mit einem auf in den heimischen vier Wänden einsetzbaren Billigprodukt für knapp vier Euro namens „Add-Plex" auf ‒ für eine einzige Olaplex-Anwendung durch die Salon-Profis müssen nach wie vor bis zu 120 Euro je nach Haarlänge und Standort investiert werden.
Erstaunlich, wie wenig bis heute über die Rezeptur der verschiedenen „Plex"-Produkte bekannt ist, so benannt, weil die meisten auf die Silbe „plex" enden. Über Olaplex hat die „Cosmopolitan" ihren Leserinnen immerhin verraten, dass es sich dabei um einen „achtfach patentierten Wirkstoff" handelt, der von einem „Spitzen-Chemiker" entwickelt worden sei. Viel mehr wird frau auch nach Lektüre sämtlicher anderer Frauenmagazine hierzulande nicht erfahren. Noch nicht einmal, dass es sich (im Falle Olaplex) um eine gelbe, nicht sonderlich appetitlich riechende Flüssigkeit handelt. Wohl aber werden reichlich Fehlinformationen lanciert, die im Gebrauch des Wörtchens „Pflegemittel" gipfeln.
Denn pflegende oder nährende Inhaltsstoffe sind in den diversen Treatments gar nicht enthalten. Darauf weist Christian Funk, der einzige uns hierzulande bekannte Kritiker, auf seiner Webseite nachdrücklich hin. Funk ist Friseurmeister und Inhaber eines Salons in Lüneburg und hat sich in der Beauty-Branche einen exzellenten Ruf als Dozent und Social-Media-Experte erworben. Er hat in seinem Salon selbstverständlich auch mit Olaplex gearbeitet, aber inzwischen hat er es aus seinem Service-Angebot gestrichen, weil er auf Probleme gestoßen war, auf die wir später noch genauer eingehen werden, und die eigentlich auch von den Medien oder zumindest anderen Insidern hätten angesprochen werden müssen.
Das Grundprinzip der Treatments ist jedenfalls ziemlich einfach zu verstehen und scheint auch tatsächlich zu funktionieren. Während der Färbungsphase oder auch im Rahmen eines normalen Pflegeprogramms wird ein chemischer Wirkstoff beigemischt. In unserem Haar sorgen Schwefelbrücken, die auch als Disulfidbrücken bezeichnet werden, dafür, dass die einzelnen Haarfasern miteinander verbunden sind und gesund glänzen. Beim Kolorieren oder auch beim Stylen einer Dauerwelle müssen diese Brücken aufgespaltet werden, damit die Farbe optimal eindringen und sich festheften kann oder die Locken entsprechend umgestaltet werden können. Danach müssen die Schwefelbrücken wieder geschlossen werden. Genau diesen unerwünschten Nebeneffekt können die Plex-Produkte verhindern, weil sie dazu in der Lage sind, die gelösten Schwefelbrücken durch Andocken winziger Micropolymere wieder perfekt zu schließen und gleichzeitig auch schon zerstörte Haarstrukturen wieder zu reparieren.
Schäden beim Kolorieren sollen damit der Vergangenheit angehören. Allerdings sollte sich frau die Fragen stellen, wie lange der tolle Repair-Effekt anhält und wie dauerhaft die künstlich hergestellten Schwefelbrücken im Vergleich zu natürlichen Disulfidbrücken sind? Oder ob nach einem Ausstieg aus den doch relativ teuren Anwendungen irgendwelche Folgeschäden auftreten können? Auf all diese Fragen wird frau keine oder zumindest keine verlässlichen Antworten finden. Beim Magazin „InStyle" beispielsweise war diesbezüglich über die „neuartigen Aufbausysteme" nur euphorisch zu lesen: „Der besondere Clou ist: Dieser Effekt bleibt im Haar, ohne sich auszuwaschen. Dadurch lässt sich die ursprüngliche Haarqualität wieder zurückholen, selbst wenn jahrelang immer wieder gefärbt oder mit Hitze gestylt wurde." Schön wär’s. Laut dem Webportal „modepilot.de" bleiben „die aufbauenden Plex-Partikel einige Wochen im Haar verankert". Immerhin stimmt es, dass die Treatments prinzipiell für jedes Haar geeignet sind und sowohl beim Kolorieren, Blondieren oder auch nur als reine Aufbaubehandlung Sinn machen können. Letztendlich geht es allein um das Kräftigen oder Wiederherstellen der Schwefelbrücken. Die Plex-Produkte sind Restaurierungsmittel für gefärbtes, gebleichtes oder anderweitig geschädigtes Haar.
Ein Effekt, der bleiben soll
Die Mehrzahl der Plex-Treatments besteht aus drei Produkten, wobei die ersten beiden Anwendungsschritte der renommierten Marken wie Olaplex, Wella mit „Wellaplex", Schwarzkopf mit „Fibreplex", I.C.O.N. mit „Ecoplex" oder L’Oréal mit „Smartbond" im Friseursalon durchgeführt werden und das dritte Produkt für die Nachbehandlung zu Hause mitgegeben wird. Eigentlich funktionieren alle nach dem gleichen Prinzip. Im ersten Schritt wird der Additiv der Haarfarbe oder dem Aufheller beigemischt. Beim zweiten Schritt wird der Wirkstoff in das ausgewaschene Haar eingearbeitet, um nach rund zehn Minuten Einwirken die Versiegelung der Haarstruktur abzuschließen. Abschließend gibt es für zu Hause ein Präparat, das ähnlich wie eine normale Haarkur anzuwenden ist und mit dem das Ergebnis dauerhaft stabilisiert werden soll. Olaplex hat inzwischen seinen Dreierpack sogar noch um zwei zusätzliche Produkte für zu Hause, Shampoo und Spülung, erweitert.
Da die Plex-Besuche beim Friseur ganz schön ins Geld gehen können, haben einige Hersteller auch schon Produkte auf den Markt gebracht, die frau selbst im heimischen Bad anwenden kann. Einfach mal „Colorphlex", „Bondaplex" oder „Repaplex" googeln. Ob man damit allerdings Resultate wie im Profi-Salon erzielen kann, darf bezweifelt werden. Sie bestehen nur aus zwei Schritten.
Zum Abschluss noch der kleine Spaßverderber in Gestalt der kritischen Anmerkungen bezüglich Olaplex von Christian Funk. Er monierte, dass das Ergebnis bei Blondierungen nicht immer farbverlässlich ausfällt. Ein unerfreuliches Resultat, das auch schon aus dem Hause Lippert in München im Umgang mit Olaplex bestätigt wurde. Weiter merkte Funk an, dass die künstlichen Schwefelbrücken, die aus Polymerverbindungen bestehen, längst nicht so lange halten, wenn sie zu Hause ständiger Hitzezufuhr, wie beim Föhnen üblich, ausgesetzt sind, zumindest dann nicht, wenn nicht regelmäßig das dritte Set-Produkt zum Einsatz kommt. Starke Blondierbehandlungen können das Haar laut Funk trotz des Einsatzes von Olaplex stressen und schädigen. Nur würden die negativen Auswirkungen dank Olaplex zunächst einmal weitgehend unsichtbar gemacht. Beim Absetzen der Anwendung könne sich dann aber durchaus ein geradezu extremer Haarbruch offenbaren, wenn die Mähne gewisse Zeit über das Limit hinaus chemisch behandelt wurde. Schließlich wies Funk auch noch daraufhin hin, dass sich nach seinen Erkenntnissen Olaplex nicht mit anderen Pflegeprodukten vertrage, die Keratin oder Protein enthalten, sondern bei der Kombination zu Haarbruch führen könne.