Wasser ist Leben. Und wir Menschen brauchen sauberes Trinkwasser, um zu überleben. Mit dem „Blue Future Project" haben sich Tibor Sprick und Christoph Dillenburger nichts Geringeres vorgenommen, als die Welt für viele Menschen ein kleines bisschen besser zu machen.
Wenn Tibor Sprick und Christoph Dillenburger so dasitzen, könnten sie die ganz normalen Jungs von nebenan sein. Solche, die vielleicht studieren, vielleicht eine Ausbildung gemacht haben, abends ein paar Folgen irgendeiner Serie schauen, am Wochenende feiern oder sich darüber Gedanken machen, welches Auto sie sich in fünf Jahren leisten können. Könnten sie sein, sind sie aber nicht. Mit ihren 23 und 25 Jahren sind die beiden mit ihren Gedanken ganz woanders. „660 Millionen Menschen auf dieser Welt sind ohne Zugang zu sauberem Wasser. Das ist die Zahl, bei der wir ansetzen", sagt Christoph Dillenburger, genannt Chris. Die Welt der beiden jungen Saarländer dreht sich im Moment nicht um Auto, Haus und Serien. Sie dreht sich um Trinkwasser und vor allen Dingen um das Menschenrecht, das damit verbunden ist. Chris und Tibor wollen die Welt zum Besseren verändern. Und zwar mit Wasserfiltern.
Würde man aus ihrer Geschichte einen Film machen, wäre schon der Beginn perfekt. Denn statt Freundschaft geht man anfangs auf Konfrontationskurs. Im Jahr 2011 treffen die beiden in ihrem American-Football-Team erstmals aufeinander. Es ist Chris, der als der typische Neue zur Mannschaft kommt. Tibor, der schon länger spielt, ist von Chris überhaupt nicht begeistert. „Wir hatten ein wichtiges Spiel, und er konnte die Regeln noch nicht richtig. Da ist ihm ein Fehler unterlaufen", erinnert sich Tibor. „Da bin ich eventuell ein bisschen sauer geworden." Danach herrscht Eiszeit. Im entsprechenden Jahr gewinnt die Mannschaft die Meisterschaft trotzdem und Chris ist rehabilitiert. Auch das Verhältnis der Streithähne verbessert sich immer weiter und irgendwann entdecken sie, dass sie neben der Begeisterung für den Sport auch dieselben Werte und Ziele im Leben teilen. Heute sind die beiden nicht nur ziemlich beste Kumpels, sondern auch Geschäftspartner – deren Geschichte gerade so richtig losgehen will.
Tibor und Chris kommen aus der „Generation Start-up" und wissen, dass sie aus dem Kleinen heraus Großes erreichen können. Tibor studiert Internationale Betriebswirtschaftslehre, Chris hat bis vor Kurzem bei einem großen deutschen Versicherer gearbeitet. „Ich möchte Menschen mit meiner Arbeit helfen", sagt er. Das ist seine innere Überzeugung, und es ist auch einer der Gründe dafür, dass er seinen Job bei der Versicherung vor einigen Monaten gekündigt hat. Dass sein Arbeitgeber Rüstungsunternehmen unterstützt, will er nicht hinnehmen. Stattdessen heißt das Ziel nun: sauberes Wasser auf jedem Fleck der Erde zu einer Selbstverständlichkeit zu machen. Das Pilotprojekt hat vor Kurzem seinen Anfang ganz konkret in der Stadt Arusha genommen. Die viertgrößte Stadt Tansanias liegt im Nordosten des Landes und ist Ausgangspunkt für das „Blue Future Project".
Tibor Sprick erinnert sich, dass Afrika als Kontinent schon immer eine Faszination auf ihn ausübte. Aber er weiß auch noch, wie ihm bereits als Kind die Plakate ins Auge springen, die das Bild von Afrika hier in Europa prägen: hungernde Kinder und die Kranken der Dritten Welt in Großaufnahme. Immer wieder ist es die gleiche Darstellung von hilfsbedürftigen Menschen, die durch die Spenden der wohlhabenden Europäer gerettet werden. Doch je mehr sich Tibor und Chris in den vergangenen Jahren mit dem Thema beschäftigen, desto paradoxer erscheint ihnen das alles mittlerweile. „Irgendwann haben wir uns gefragt: Was ist denn hier los? Unser ganzes Leben lang sehen wir dieselbe Werbung, aber es hat sich nichts verändert."
Spendenaktionen helfen nur kurzfristig
Tibor sieht das Problem darin, dass klassische Spendenaktionen, bei der mit Spendengeldern Hilfsgüter finanziert werden, zwar gut gemeint, aber zu kurzfristig und nicht nachhaltig konzipiert sind. Die Menschen vor Ort erhalten Essen, Kleidung oder Konsumgüter. Sobald diese aber aufgebraucht sind, fängt der Kreislauf von vorne an. Diesen Fehler wollen Chris und Tibor nicht machen. Deshalb haben sie sich bewusst gegen ein spendenfinanziertes Charity-Projekt entschieden, auch wenn sie den Unterschied oft erklären müssen. Viele halten das „Blue Future Project" zuerst für eine Spendenkampagne, dabei ist es aber eine eigenständige Firma, die nicht von Spenden abhängig ist und stattdessen ihre eigenen Einnahmen generiert. Diese Einnahmen sollen wiederum teilweise in soziale Projekte fließen. „Social Entrepreneurship" nennt sich dieses Prinzip, bei dem Firmen zwar durchaus gewinnorientiert arbeiten, aber damit soziale oder ökologische Projekte voranbringen. So soll es auch bei Chris und Tibor laufen. Gemeinsam haben die beiden ein Firmenkonzept auf die Beine gestellt, das nach dem Franchise-Prinzip funktioniert.
An dieser Stelle kommen die Wasserfilter ins Spiel. Die Firma koordiniert nämlich die Verteilung dieser Systeme, die von Einheimischen bewirtschaftet werden. Das „Blue Future Project" will es Privatpersonen in den betreffenden Regionen ermöglichen, mit einem Filter sauberes Wasser zu erzeugen, das sie anschließend zu erschwinglichen Preisen verkaufen und somit Geld verdienen können – von dem ein Teil wiederum an das „Blue Future Project" zurückfällt. Für ihr Projekt haben die beiden sich den afrikanischen Nanowissenschaftler Dr. Askwar Hilonga an Bord geholt. Hilonga, der selbst aus Tansania stammt und in Südkorea promoviert hat, kennt die Gegebenheiten aus erster Hand. „Wir wollten nicht den westlichen Standpunkt einnehmen, sondern von afrikanischen Experten hören, was sie eigentlich zu der Situation sagen", sagt Tibor. Hilonga arbeitet seit einiger Zeit an der Konstruktion von effektiven und finanzierbaren Wasserfiltern. Diese funktionieren nach einem Mehrphasen-Prinzip, das keinen Strom und keine chemischen Zusätze braucht. Die Konstruktion besteht aus mehreren Gefäßen, aber der Mechanismus ist schnell erklärt. Oben wird das verschmutzte Wasser eingefüllt, unten kommt es sauber wieder heraus. Das Wasser durchläuft zunächst die erste Phase, in der Fluorid herausgefiltert wird, das vor allen Dingen für Knochen und Zähne äußerst schädlich ist. Die zweite Phase ist ein Sandfilter, der Viren, Bakterien und Mikroorganismen entfernt. In der letzten Phase wird das Wasser von Pestiziden und Schwermetallen befreit. Der Wasserfilter ist speziell auf die Region in Tansania und die Wasserverschmutzung dort ausgerichtet. Für andere Gebiete der Welt kann er entsprechend angepasst werden, erklärt Tibor. Dr. Hilonga haben die beiden über Google gefunden, und aus dem ersten Kontakt hat sich mittlerweile eine harmonische Zusammenarbeit entwickelt. Hilonga ist für die Konzeption und Herstellung der Wasserfilter zuständig, Chris und Tibor für deren Verbreitung und für den Wasserverkauf.
„Sei der Wandel, den du für die Welt siehst"
Was mit einer Idee und einer gemeinsamen Begeisterung begonnen hat, nimmt für Tibor und Chris gerade immer konkretere Formen an. Ihre erste Afrikareise im Oktober nach Tansania hat sich gelohnt. Denn Chris und Tibor konnten nicht nur erste geschäftliche Kontakte knüpfen, auch Land und Menschen haben sie begeistert. Immer wieder erzählen sie von der herzlichen und unvoreingenommenen Art. „Dieses Vorurteil, das viele Leute haben, dass die Menschen dort faul sind, ist absoluter Quatsch. Ich habe selten Menschen gesehen, die so hart arbeiten", stellt Tibor klar. Und er wird nicht müde, auf die soziale Verantwortung hinzuweisen, die er nicht nur bei sich selbst, sondern auch bei jedem anderen sieht. „Wir können hier sauberes Trinkwasser aus dem Klo trinken und vergessen dabei, dass es Menschen gibt, die sowas einfach nicht haben", sagt Tibor. Und Chris ergänzt: „Die Situation ist ja für viele hier abstrakt. Aber man ist da in einer Großstadt und man fährt eine halbe Stunde, da ist man auf dem Land, wo Leute in Lehmhütten wohnen und kein sauberes Wasser haben." Ihr Vorhaben ist nicht immer einfach, das wissen die beiden selbst, aber ihre Begeisterung trägt sie. Mehrere Wasserfilter-Stationen sind mittlerweile eingerichtet.
Damit es noch mehr werden, ist das „Blue Future Project" auf der Suche nach Sponsoren und Firmen, die sich durch ihre Unterstützung sozial engagieren wollen. Chris fasst am Ende noch einmal zusammen, was er für wichtig hält: „Mein Motto lautet immer: Sei der Wandel, den du selbst für die Welt siehst. Man kann viel reden, im Endeffekt kommt es aber immer darauf an, was du machst."